Verflixt viele Dimensionen (Maddrax Band 500-524)
|In den Bänden 400 bis 499 suchten Matt und Aruula in einem fernen Sonnensystem nach Hilfe für die Erde. Der Mond war aus seiner Umlaufbahn gerutscht und drohte durch einen Sturz auf die Erde alles Leben dort zu vernichten. Mit Mühe und Not gelang es in letzter Sekunde mithilfe eines Wurmloches den Erdtrabanten zurück in seine Umlaufbahn zu versetzen. Aber irgendetwas ging bei der Prozedur schief. Denn seitdem tauchen überall auf der Erde merkwürdige Polarlichter auf, die ankündigen, dass kurz danach ein eng begrenztes Areal mit demselben Areal in einer anderen Dimension und einer anderen Zeit ausgetauscht wird. Die ausgetauschten Gegenden werden von einem undurchdringlichen und ausgesprochen gewalttätigen und rasch wachsenden Pflanzenwall in Windeseile von dem Rest der Welt abgeschnitten. Die einzigen bekannten Menschen, die die technologischen Voraussetzungen für solche Dimensionsverschiebungen haben sind die Archivare aus der Zukunft. Doch auch sie scheinen von den Verschiebungen überrascht zu sein. Grob zusammengefasst sind dies die Erkenntnisse des ersten Handlungsabschnitts des „Parallelwelt“-Zyklus. Wie man dem bereits entnehmen kann, erfährt man extrem wenig darüber, was eigentlich in der „Maddrax“-Welt gerade passiert. 25 Hefte, die so wenig Antworten auf drängende Fragen bereit halten, müssten eigentlich eine riesige Enttäuschung sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die vielen verschiedenen Dimensionen, die es hier zu erkunden gilt, sorgen für ein Feuerwerk aus überzeugenden und unterhaltsamen Einzelheften, die das Potential des Genremix „Maddrax“ gänzlich ausnutzen.
Der Genremix auf die Spitze getrieben
Die Dimensionsverschiebungen ermöglichen es „Maddrax“ die Erde in verschiedenen Zeitaltern und verschiedenen Dimensionen zu besuchen. Alles beginnt mit einer Steampunk-Version Großbrittaniens (Heft 500), in der die industrielle Revolution zwar am Laufen ist, aber ebene eine weniger elektrisierte Richtung einschlägt. Kurz danach wird der Friedenswahrer Hordelab in einer anderen Dimension geradezu entsorgt (Heft 502). Während dieser Auftakt noch etwas bieder (und in Hordelabs Fall etwas lieblos) erscheint, treffen Matt und Aruula kurz darauf bei Yucatan auf ein Areal, in dem eine Gesellschaft aus intelligenten Dinosaurieren versetzt wurde (Heft 504 und 505). In dem Zweiteiler geht es nicht nur darum, wie man mit einer völlig fremden Spezies kommuniziert bzw. erst einmal erkennt, dass man es mit intelligentem Leben zu tun hat, sondern Matt und Aruula erhalten mit Ydiel auch einen interessanten neuen Begleiter. Berlin erfährt kurz darauf ebenfalls einen Dimensionaustausch (Band 507). Die dortigen Amazonen sehen sich auf einmal einem totalitären, katholischen Regime ausgesetzt, das auf selbstbestimmte Frauen natürlich höchst allergisch reagiert. Das ist eine sehr gelungen Mischung für eine wilde Auseinandersetzung zwischen kirchlichen Würdenträgern und einer Art katholischen Scharia-Polizei, in der Matt und Aruula eine explosive Rolle spielen. In Asien werden Außenbezirke Agarthas in eine Welt versetzt, in der eine buddhistische Widerstandsgruppe aus Versehen ein Zombie-Virus frei gesetzt hat (Band 509). Auch Rom wird von den Entwicklungen nicht verschont. In einem Zweiteiler wird die ehrwüridge Stadt mit einer Version ausgetauscht, in der das römische Imperium nie untergegangen ist (Heft 510 und 511). Allerdings werden hier Hydriten brutal misshandelt und unterdrückt, was Matt und Aruula so natürlich nicht akzeptieren können. Hier tritt erstmals ein Archivar auf, der sich die Dimensionsverschiebungen zu Nutze macht. Wir erfahren auch, dass es unter den Archivaren ausgesprochen schwarze Schafe gibt. Mehr Hintergründe werden allerdings nicht verraten.
Nach dieser Erkenntnis geht es mit den Erkundungen anderer Dimensionen weiter. Rulfan und Köln kehren spektakulär in die Serie zurück, als eine Parallelversion aus einer Dimension, in der die Da’muren noch nicht besiegt sind, weil Matt und Aruula früh gestorben sind (Heft 513). Ein Eifel-Abenteuer nimmt die Filmindustrie der 20er und 30er-Jahre aufs Korn (Heft 515). Als wären die intelligenten Dinosaurier noch nicht genug gewesen, treffen Matt, Aruula und Rulfan in einem Parallelparis auf intelligente Taratzen (Heft 518). Und weil man mit den Dimensionsverschiebungen nun einmal alles machen kann, taucht auch die Titanic noch einmal auf, diesmal wieder mit archivarischer Begleitung (Heft 521). Um all dem eine Krone aufzusetzen, erlaubt die Handlung eine große Feier zum 20. Geburtstag der Serie, in Form eines Crossovers mit der „Perry Rhodan“-Serie (Heft 523).
Diese Ausflüge erlauben den Autoren verschiedene Genres zu bedienen. Sie erlauben es aber auch, alte Charaktere wie Rulfan oder Dr. Smythe in Form von Parallelversionen in die Handlung einzuführen. Die teilweise unwahrscheinlich klingenden Szenarien funktionieren alle. Unter den vielen Ausflügen wirken einzig die Steampunk Erzählung sowie der Zweiteiler in Rom durchschnittlich. Alle anderen Ausflüge von den Dinosauriern bis zur Titanic sind spannende, temporeiche und oft auch handlungsmäßig sehr gelungene Episoden. Dabei gelingt es den Autoren selbst einen Filmdreh in der Eifel oder sprechende Riesenratten in Phantasieabenteuer mit Drachen und tragische Horrorgeschichten zu verwandeln. Nie war der Tod von Taratzen so bewegend wie in Heft 518. Dieser gelungene Genremix des letzten „Maddrax“-Jahres ist der beste Aspekt des Zyklus, „Maddrax“ füllt den alten Tschibo-Werbespruch „Jede Woche eine neue Welt“ gerade wirklich mit Leben.
Spannende Konflikte trotz eines schwachen Gegenspielers
Colonel Kormak ist der am regelmäßigste Gegenspieler im „Parallelwelt“-Zyklus. Der sadistische Offizier führte in der Türkei einst mit viel Gewalt eine Bunker-Community, bevor er bei der Evakuierung nach Novis für noch mehr Gewalt sorgte und auch keine Hemmungen hatte, Menschenleben gegen Waffen auszutauschen (die Friedenswahrer töteten damals Menschen, um aus ihren Hirnen Energie zu gewinnen, Kormak lieferte ihnen diese Menschen). Kormak erhält eine kleine „Origin“-Story, wie er von einem kleinen, unschuldigen Dorfjungen zu dem brutalen Mann, der er heute ist, geworden ist (Heft 503 und 508). Am Ende verfügt auch Kormak über einen Gleiter, mit dem er die Welt bereisen kann. Leider ist der Colonel kein besonders intelligenter Gegenspieler. Er versucht Matt sofort zu stellen und scheitert mit seinem Angriff auf den Gleiter seines Gegners (Heft 512). Kurz darauf versucht er mit einer Horde Söldner den Hort des Wissens zu erobern und scheitert abermals (Heft 517). Dabei ist es weniger schlimm, das Kormak scheitert – tatsächlich ist es ganz angenehm, mal nicht zu viele Zerstörungsorgien zu lesen. Ärgerlicher ist eher, dass Kormak immer dieselbe Methode wählt, nämlich den Frontalangriff. Und immer wieder funktioniert das gar nicht. Das ist abgenutzt. Zu allem Überfluss ist Kormaks Motivation alles andere als klar. Er ist kontroll- und machtsüchtig. Außerdem ist er sadistisch. Das macht ihn zu einem schlechten Menschen, der auf keinen Fall Macht bekommen sollte. Es macht ihn aber nicht zu einem interessanten Gegenspieler. Die Friedenswahrer mit ihrem Selbsterhaltungstrieb waren da deutlich interessanter.
Mit der Rückkehr Rulfans kehrte auch eine alternative Version Dr. Smythes zurück. Tatsächlich ist diese Version aber genau so wie der bekannte Symthe. Gerade im letzten Band des Abschnitts (Heft 524) wird deutlich, dass auch dieser Smythe durchaus das Potential zum Gegenspieler hätte. Ähnlich verhält es sich mit den Archivaren, die immer irgendwo zwischen Gegenspielern (wie in der Rom-Handlung) und potentiellen Verbündeten (wie in dem „Perry Rhodan“-Crossover, aber auch einer Jubiläums-Kurzgeschichtensammlung in Heft 520 geschehen) taugen. Hier wäre es wünschenswert in nicht all zu ferner Zukunft zu erfahren, wer eigentlich durch die Dimensionsverschiebungen profitiert oder ob es doch einfach nur ein zufälliges Ergebnis der Mond-Aktion im ersten Heft des Zyklus war.
Der Weltraum, die relative Unsterblichkeit und eine ganz kleine Perspektive
Neben den Dimensionsabenteuern blieb im vergangenen Jahr zwei Mal Zeit, um auf Novis nach dem rechten zu schauen. Diese menschliche Kolonie im System der Friedenswahrer wurde einst als alternative angelegt, sollte die Rettung der Erde misslingen. Allerdings ist der Kontakt zur Erde mittlerweile abgeschnitten. Durch Kormaks Verschulden mussten zudem die Friedenswahrer eine enorm kostspielige Katastrophe hinnehmen, die sie mehr oder weniger handlungsunfähig macht (Heft 501). Immerhin gelingt es der menschlichen Gemeinschaft sich von dem Joch Vasraas, einer einstige Stellvertreterin Kormaks, loszusagen und das eigene Schicksal in eine demokratischere, freiere und gerechtere Hand zu nehmen (Heft 516). Die Erzählungen im All sind nett und durchaus gelungen, aber bei weitem nicht so faszinierend wie die Begegnungen mit Menschen (und anderen Wesen) aus alternativen Dimensionen.
Matt und Aruula gelingt es zudem, ihren Alterungsprozess wieder zu stoppen, in dem sie noch einmal durch den Zeitstrahl treten. Dies geschieht in einer ausgesprochen stimmungsvollen Episode, in der ein Sektenführer hofft, mit dem Zeitstrahl für diejenigen, die ihm ausreichend Geld zur Verfügung stellen, ebenfalls die Unsterblichkeit zu erreichen (Heft 506). Leider hat die Handlung nicht so richtig Verwendung für Matt und Aruulas interessanten Dinosaurierbegleiter Ydiel. Nachdem er ein Opfer von Kormaks Hass wird, wähnen Matt und Aruula ihn tod. Tatsächlich wurde er von einer Archivaren-Waffe nur auf mikroskopische Größe verkleinert. Dadurch sind auf einmal auch die kleinsten Insekten eine lebensbedrohliche Gefahr. Doch Ydiels Abenteuer in Heft 514 und 522 nutzen das Potential des Charakters kaum und kurz darauf wird er auch schon wieder aus der Serie geschrieben. Das ist schade. Rulfan erhält da eine deutlich bessere Behandlung und hat eine Reihe sehr interessanter Handlungsstränge.
Die unendlichen Möglichkeiten des „Parallelwelt“-Zyklus
Das erste Jahr des „Parallelwelt“-Zyklus war also sehr überzeugend. Vor allem die verschiedenen Dimensionsabenteuer, Parallelwelten und Gedankenspiele boten den Autoren die Möglichkeit in jedem Heft eine neue, abgefahrene und spannende Geschichte zu erzählen. Dieser vielseitige und stimmige Mix hat sehr gut unterhalten und für ein sehr überzeugendes Jahr gesorgt. Die schwachen Gegenspieler Kormak und Smythe (in seiner jetzigen Form) sowie der langsame Fortschritt der Gesamthandlung geben etwas Grund zur Sorge. Doch selbst Kormak hat mit seinen regelmäßigen Angriffen immer auch für sehr überzeugende Handlungen gesorgt. Während der Colonel eine große Katastrophe ist, brachte sein Angriff auf Matt und Aruulas Gleiter einen sehr gelungenen Ausflug nach Nürnberg und sein Angriff auf den Hort des Wissens einen noch überzeugenderen Ausflug Rulfans zu seinem alten Schloss (und in seine Psyche). „Maddrax“ hat das eigene Markenzeichen, in sich abgeschlossene, abgedrehte und spannende Hefte, im vergangenen Jahr zu neuer Perfektion getrieben. Nach den (gelungenen, aber) sehr zyklisch aufgebauten vier Jahren im System der Friedenswahrer, ist diese Rückbesinnung auf den Erzählkern eines jeden Heftes sehr angenehm. Nach der gelungenen Vielfalt dieses Jahres ist man froh, dass der „Parallelwelt“-Zyklus noch ein zweites Jahr vor sich hat: Es warten noch viele Abenteuer in verschiedenen Dimensionen auf die Helden der Serie.