Fern der Heimat

Star Trek: Discovery Staffel 3 Episode 2, engl. Titel: „Far From Home“

Die U.S.S. Discovery gerät mehr als 900 Jahre in die Zukunft. Aus der vorherigen Folge wissen wir: In der Zwischenzeit hat ein Ereignis, „The Burn“, einen Großteil des Dilithiums in der Milchstraße unbrauchbar gemacht. Die Föderation ist zusammengebrochen, weil ein Großteil ihrer Flotte während des Kollapses zerstört wurde und der Rest nur noch langsam reisen konnte. Stattdessen sind weite Teile der ehemaligen Föderation unter die Kontrolle mehr oder weniger krimineller Organisationen geraten, die die wenigen verbliebenen Dilithium-Vorräte kontrollieren und damit ihre Geschäfte machen. Die Besatzung der Discovery weiß hiervon nichts und stürzt wie Burnham über einem Planeten ab. Der Schaden an dem Schiff ist enorm. Während Saru und Tilly aufbrechen, um in einer nahen Siedlung Vorräte zu besorgen, versucht der Rest der Besatzung das Schiff wieder flott zu machen, bevor das wachsende Eis des Planeten die Hülle zerstört.

Die in „Fern der Heimat“ erzählte Geschichte ist deutlich stärker als die actionreiche Verfolgungsjagd der vorherigen Episode. Saru und Tilly finden eine Minenkolonie ohne Hoffnung vor. Die Vorräte sind zu Neige gegangen und wegen fehlendem Dilithium können die Kumpel den Planeten nicht verlassen. Sie werden daher von einem Kriminellen namens Zareh ausgebeutet. Wie Burnham geraten Saru und Tilly rasch in Gefangenschaft. Das wird jedoch deutlich überzeugende aufgelöst. Zunächst wenden Tilly und Saru alle Vorschriften für einen ersten Kontakt and und verhalten sich in dem Tauschgeschäft um Vorräte wie modellhafte Sternenflottenoffiziere. Das funktioniert nicht mehr als Zareh persönlich auftaucht. Es bedarf der Rücksichtslosigkeit Georgious, um Saru und Tilly zu befreien. Während Georgious Vorgehen gewagt und etwas zu brutal ist, nutzt Saru die erste mögliche Gelegenheit zur Deeskalation. Das ist nicht nur spannend und überzeugend inszeniert, es zeigt auch, warum die Föderation so erfolgreich war: Gerade durch sein modellhaftes Handeln überzeugt Saru die Minenarbeiter davon, sich in einem kritischen Moment auf die Seite der Föderation zu stellen. Dadurch zeigt sich, warum es auch noch Jahrzehnte nach ihrem Untergang Wesen gibt, die an die Föderation, ihre Werte und ihre Rückkehr glauben.

Neben dieser gelungenen Erzählung ist die Besatzung der Discovery der eigentliche Star dieser Folge. Obwohl sie zwei Staffeln lang im Hintergrund von Burnham, Lorca, Saru und Pike gearbeitet haben, hat sich innerhalb der Brückenbesatzung der Discovery eine authentische Dynamik entwickelt. Nun müssen alle Hände für die Reparaturen der Discovery ineinander greifen. Dabei gibt es unterschiedliche Sichtweisen, die in überzeugenden Dialogen ausgetragen werden. Für sich funktioniert jeder Charakter sehr gut. Leider wird dieser Handlungsstrang auf eine Art Reperaturenkamikazelauf von Paul Stamets und Jett Reno zugespitzt. Die beiden sind bei den vorherigen Kämpfen und dem Zeitsprung schwer verletzt worden, übernehmen jedoch dennoch einen essentiellen Teil der Reparaturen, während sie sich in ihrer gegenseitigen Abneigung suhlen. Das ist höchst unverantwortlich und es ist schieres Glück, dass Stamets schwer verletzt die notwendigen Reparaturen ausführen kann, um die Discovery vor der Zerstörung zu retten. So zeigt die Episode zwar, welch gelungenes Ensemble sie zusammengebracht hat und schmälert diesen Eindruck ein wenig, mit Paul und Jetts unverständlichem Handeln, das hoffentlich auf den Einfluss ihrer starken Medikamente zurückzuführen ist. Ein möglicherweise interessanter Handlungsstrang bahnt sich um die Steuerfrau der Discovery, Keyla Detmer, an: Sie erleidet bei dem Zeitsprung ein Trauma, das ihre Aufmerksamkeitsfähigkeit und Arbeit stark beeinträchtigt.

Das Schicksal der zwei Gegner dieser Episode wird etwas merkwürdig verhandelt. Saru überlässt es den Minenarbeitern, um Zarehs Schicksal zu urteilen. Sie zwingen den Mobboss, ein Schicksal, das er für Tilly vorgesehen hatte, zu durchleben: Sie schicken ihn bei Nacht ins ewige Eis, das bei Nacht parasitär wird und alles Lebendige verschlingt. Hier ist unklar, warum Zareh nicht umgehend von seinen eigenen Leuten angemessen und auf sein Schiff gebeamt wird. Obwohl es nicht thematisiert wird, wurde ihm vermutlich all seine Kommunikationsgeräte abgenommen. Doch sein Schiff sollte wohl in der Lage sein, ihn anzumessen, vor allem, wenn er sich länger als gewöhnlich nicht gemeldet hat. Der Schuldspruch ist also nicht nur ungewöhnlich brutal, er scheint auch etwas unsinnig. Das parasitäre Eis ist der eigentlich gefährlichere Gegner für die Discovery. Hier ist nicht ganz klar, warum das Eis nur bei Einbruch der Nacht gefährlich ist: Verhindern die Sonnenstrahlen eine weitere Ausbreitung? Aber warum muss sich das Eis ausbreiten, um parasitär zu sein? Wenn das Eis Menschen angreifen kann, dann müsste es doch auch die Discovery Hülle, die es von unten komplett umgibt, angreifen können. Generell ist die Idee eines aggressiven Eises interessant. Die Umsetzung lässt einige Fragen offen.

Am Ende der Folge gibt es ein überraschendes Wiedersehen mit Burnham, die bereits ein Jahr nach der Discovery gesucht hat. Das kommt unerwartet, aber es ist sehr positiv, dass nicht noch mehr Folgen auf die Zusammenführung der offenen Enden der zweiten Staffel verwendet werden. „Fern der Heimat“ erzählt wenig Neues über die weit entfernte Zukunft des „Star Trek“-Universums. Aber die Episode erzählt eine überzeugend und spannende Geschichte, schafft viele tolle Charaktermomente und wartet mit nur kleinen Unstimmigkeiten auf. Das unterhält sehr gut und schafft viel Vorfreude auf die dritte Folge und mehr Abenteuer im Jahr 3189.

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