Das Ende der Föderation, wie wir sie kennen – die englischen „Star Trek“-Romane 2017

Nach dem 50. Jubiläumsjahr 2016 wurde das „Star Trek“-Romanjahr 2017 etwas ruhiger. Erstmals seit Jahrzehnten erschien nicht jeden Monat mindestens ein Roman bzw. ein Nachdruck. Dafür hat sich unter den Veröffentlichungen ein echter „Gamechanger“ eingeschlichen: Control verändert so ziemlich alles, was wir über „Star Trek“ zu wissen meinen. Doch der Reihe nach:

Nach der Party, weniger „The Original Series“

Kirk und seine Crew erhalten nur einen Auftritt unter den Romanen 2017. In The Face of the Unknown lässt Christopher L. Bennett die Besatzung der Enterprise ein weiteres Mal auf die erste Föderation treffen. Dies ist eine Ansammlung galaktischer Flüchtlinge, die aus ihren traumatischen Erlebnissen den Schluss gezogen haben, in Zukunft abgeschottet von der Galaxis leben zu müssen. Als einer ihrer alten Feinde wieder auftaucht und technische Probleme die Existenz ihrer Heimat bedrohen, muss Kirk mit den liberalen Kräften zusammenarbeiten, um Kriege und Katastrophen zu verhindern. Der Roman ist dadurch ein gefühlsstarkes Plädoyer sowohl für Offenheit als auch für Risikobereitschaft. Und natürlich entpuppen sich die alten Feinde in typischer „Star Trek“-Manier als potenzielle Verbündete.

Drei Mal „Deep Space Nine“

Am meisten Aufmerksamkeit erhielt 2017 die Serie „Deep Space Nine“. The Long Mirage ist eine Fortführung des „Deep Space Nine“-Relaunches aus der Feder David R. George III. Seit einiger Zeit plätschern diese Romane nur noch von einer belanglosen Seifenoper zu der nächsten. Auch The Long Mirage erzählt eine eher durchschnittliche Geschichte ohne wirklichen Handlungskern und Spannungsbogen. Dabei können diesmal die im Mittelpunkt stehenden Charaktere jedoch etwas mehr überzeugen. Mittlerweile hat David R. George III die einst versprengte „Deep Space Nine“-Besatzung so gut es geht wieder auf der Station vereint und damit die Grundlage für tatsächliche Abenteuer statt merkwürdiger Charakterkonstellationen geschaffen.

Das „Deep Space Nine“-Highlight stammt wenig überraschend aus der Feder Una McCormacks. Die Cardassia-Expertin fügt der Kultur des umtriebigen Volkes mit Enigma Tales eine weitere Facette hinzu. Aus den Augen Doktor Pulaskis erlebt der Leser einen Epochenwandel in der cardassianischen Kultur. Nicht nur die Macht des Militärs wird beschnitten, sondern die erste demokratische Krise muss zudem gemeistert werden. Das geschieht nicht ohne Widerstände und bringt dem Leser so spannende Momente.

Ebenfalls gelungen ist der zweite Roman dieses Jahres von David R. George III. In Original Sin konzentriert sich George III erstmals seit langem wieder auf eine gradlinige Geschichte, die sich nicht in unzähligen (belanglosen) Nebenhandlungen verirrt, sondern spannend auf einen Höhepunkt zusteuert. Endlich erlebt man hier zudem Captain Sisko mal wieder in Aktion.

In Control spielt mit Dr. Bashir natürlich ebenfalls ein „Deep Space Nine“-Charakter die Hauptrolle. Doch dazu später mehr.

Hauptfokus auf das 24. Jahrhundert

Auch in den anderen Romanen steht hauptsächlich das 24. Jahrhundert im Mittelpunkt. Headlong Flight ist eine konventionelle „Next Generation“-Erzählung, in der die Enterprise-D in einer Dimensionsschleife gefangen ist und nur durch die Kooperation mit möglichen Feinden das eigene Überleben sichern kann. Hearts and Minds führt Dayton Wards Zeitreiseserie fort, bleibt aber weit hinter den Möglichkeiten der Reihe und der Qualität der vorherigen Romane.

Nach längerer Pause kehrt 2017 auch die Titan zurück in die Romanwelt. In Fortune of War beschreibt David Mack das Rennen um die Hinterlassenschaften eines äußerst gewalttätigen und mächtigen, mittlerweile aber ausgestorbenen Volkes. Auch dieser Roman bietet wie die anderen wenig Außergewöhnliches, ist aber spannend und unterhält gut.

Control und Sektion 31 – Der Epochenwandel im „Star Trek“-Universum

Mit Control schließt David Mack seine „Sektion 31“-Reihe ab. Die Enthüllung hier ist völlig unvorstellbar. Alles was im „Star Trek“-Universum geschehen ist, kann mehr oder weniger auf ein Computerprogramm zurückgeführt werden, dass gleichzeitig Sektion 31 steuert. Der Roman ist ein brutaler Thriller, der vor nichts zurückschreckt, Bashir, Douglas und Data alles abverlangt und am Ende einen riesigen Trümmerhaufen hinterlässt. Das ist in seiner Radikalität überraschend, aber auch extrem spannend. Diesen Roman und seine Implikationen für „Star Trek“ kann man entweder lieben oder hassen, ein Mittelweg ist kaum möglich. Und gerade das macht ihn so interessant.

Leider sind die Aufräumversuche, z.B. in Hearts and Minds etwas unbeholfen. Die erschütternden, die Autorität der Föderation in Frage stellenden Enthüllungen bräuchte es für jede Serie einen Roman, der die Auswirkungen diskutiert. Negative Auswirkungen hat der Roman zudem auf den „Star Trek: Enterprise“-Roman Patterns of Interference. Auch hier spielt die Sektion 31 eine wichtige Rolle. Das kann aber nicht mehr gänzlich überzeugen, weiß man jetzt doch wo die Sektion ihre Macht bezieht. Es wäre besser gewesen, diesen Roman deutlich vor Control zu veröffentlichten.

Discovery erster Auftritt

Mit Desperate Hours aus der Feder David Macks hat zudem die neue „Star Trek“-Serie „Discovery“ ihren ersten Ausflug ins Romanuniversum solide bestanden. Der Roman ist ein Prequel, da er während der laufenden Serie erschien. Dadurch hat er kaum interessante Auswirkungen auf die Serie, erzählt aber ein interessantes, wenn auch etwas oberflächliches Drama über die Werte der Föderation während einer Attacke auf eine ihrer Kolonien.

Ungewisse Zukunft

Alles in allem waren die Romane 2017 eine gelungene Mischung verschiedener Serien, außergewöhnlicher, charaktergriebener und handlungsgetriebener Erzählungen. Somit hofft man im Anschluss, im kommenden Jahr wieder die traditionellen 12 Romane zu erhalten. Leider sind für dieses Jahr jedoch kaum Romane angekündigt (lediglich zwei weitere „Discovery“- und ein „Voyager“-Roman). Scheinbar gibt es noch Unklarheiten bei den Lizenzverhandlungen zwischen dem amerikanischen Verlag und CBS. Nach dem beinahe sehr guten Romanjahr 2017 hofft man, dass der amerikanische Verlag Simon & Schusters sich dazu entscheidet, seine „Star Trek“-Romanreihe mit derselben Qualität fortzusetzen.

Monat Serie Titel Autor(en) Punkte
Januar TOS The Face of the Unknown Christopher L. Bennett 4,5
Februar TNG Headlong Flight Dayton Ward 3
März DS9 The Long Mirage David R. George III 2,5
April S31 Control David Mack 5
Juni TNG Hearts and Minds Dayton Ward 2
TDI Shield of the Gods (Novella) Christopher L. Bennett 3,5
Juli DS9 Enigma Tales Una McCormack 4
 September DIS Desperate Hours David Mack 3,5
ENT Patterns of Interference Christopher L. Bennett 3,5
Oktober DS9 Original Sin David R. George III 4
November DS9 I, Constable (Novella) Paula M. Block & Terry J. Erdmann N.N.
Dezember Titan Fortune of War David Mack 3,5
Gesamt 3,6

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