Enigma Tales (von Una McCormack)

Inhalt: Dr. Katherine Pulaski besucht Cardassia Prime, um eine Auszeichnung in Empfang zu nehmen. Sie ist sich durchaus bewusst, dass sie diesmal nicht für ihre eigene Forschung ausgezeichnet wird. Stattdessen erhält sie die Ehrung als Stellvertreterin für Dr. Bashir, mit dem sie gemeinsam an der Heilung der Andorianer gearbeitet hat. Bashir ist nach den Ereignissen um „Control“ weiterhin nicht ansprechbar und befindet sich in der Obhut seines alten Freund Garaks. Doch Pulaski wird nicht zu Bashir vorgelassen. Etwas genervt gibt sie ein unvorsichtiges Interview und setzt sich dabei ungewollt in das politische Wespennest der juristischen Aufarbeitung cardassianischer Kriegsverbrechen während der bajoranischen Besatzungszeit. Durch ihre Kommentare findet sich Pulaski bald zwischen den Fronten des Castellan Garaks, der Botschafterin der Föderation sowie des cardassianischen Militärs wieder. Dabei wird sie zwar entführt, entdeckt aber auch ihre Liebe für die gebeutelte Seele der Caradassianer.

Kritik: Una McCormack ist die Cardassia-Spezialistin unter den „Star Trek“-Autoren, ihr Epos „The Never-Ending Sacrifice“ gehört zu den grandiosesten „Star Trek“-Romanen. In „Enigma Tales“ verbindet sie die Abenteuer Katherine Pulaskis, die sie in „The Missing“ mit einem ganz besonderen Forschungsschiff auf neue Wege geschickt hat, mit dem Schicksal Cardassias. Viele Jahre nach dem Dominion-Krieg sind die Wunden, die der Konflikt geschlagen hat, noch immer nicht ganz verheilt. Egal wie häufig es demokratische Gehversuche auf Cardassia gab, am Ende hat die gewalttätige Vergangenheit die Cardassianer immer wieder eingeholt. Während Pulaski mit der Frage konfrontiert ist, wie man mit vergangenem Unrecht umgehen sollte, steht für die Cardassianer die Frage im Mittelpunkt, wie man dem langen Schatten der Vergangenheit entkommen kann.

Pulaskis distanzierter Blick auf die cardassianische Gesellschaft ist dabei zunächst einmal sehr erfrischend. Wie an alle Lebenslagen, geht Pulaski an ihren Cardassia-Aufenthalt sachlich und kritisch heran. Doch auch der schroffen Ärztin gelingt es nicht, sich der Faszination des heißen Planeten zu entziehen. Hauptsächlich regt sie sich zwar über den Castellan Garak auf, dem sie nicht vertraut und dem sie den verweigerten Besuch bei Dr. Bashir übel nimmt. Gleichzeitig fällt ihr Augenmerk jedoch auf die beliebteste Anwärterin auf das Direktorenamt an der wichtigsten cardassianischen Universität, Natima Lang. Lang gelang es auch unter der cardassianischen Diktatur ihre Integrität zu wahren, die Literaturwissenschaftlerin gehört daher trotz ihres Alters zu der profiliertesten Vertreterin eines neuen Cardassias. Pulaskis Entdeckung cardassianischer Kultur durch die Werke Langs ist von McCormack sehr eindrucksvoll dargestellt. Erst durch diese langsame Heranführung an Cardassia wird Pulaskis emotionale Reaktion auf die darauffolgenden Verwirrungen glaubwürdig.

Denn Garak plant einen weiteren Schritt in der Aufarbeitung vergangener Kriegsverbrechen. Damit bringt er das Militär gegen sich auf und muss – auch angesichts seiner eigenen Spionagevergangenheit – auf einem schmalen Grad wandern. Gleichzeitig entdeckt die Historikerin Elima Antok ein schauriges Detail aus Natima Langs Vergangenheit. Kurz darauf verschwindet sie und auch Pulaski wird nach ihren kritischen Aussagen gegenüber cardassianischen Kriegsverbrechern entführt. Ab hier beginnt das „Enigma Tale“, eine cardassianische Geschichte, in der jeder auf eine bestimmte Weise Schuld auf sich lädt. Denn sowohl Antok als auch Pulaski stehen den Interessen Garaks im Weg. Der Schluss, Garak könnte hinter den Entführungen stecken, liegt daher nahe.

McCormack gelingt es, dieses vertrackte Kriminalspiel gekonnt zu inszenieren. Bis zum Schluss vermutet man sinistre Pläne entweder des cardassianischen Militärs oder des Castellan selbst. Die Spannung wird dadurch reduziert, dass weite Teile der Handlung aus Garaks beziehungsweise Natima Langs Perspektive geschrieben sind. Es hätte dem Roman gut getan, wenn er komplett aus Pulaskis und möglicherweise aus Antoks Perspektive geschrieben wäre. Denn durch die Einblendungen Garaks und Langs wird es höchst unwahrscheinlich, dass diese beiden Charaktere hinter den Entführungen bzw. den später auftauchenden Morden stecken.

Die Stärke des Romans bleibt daher Pulaski. Sie wirft auf ihre typisch schroffe Art wild mit Verdächtigungen um sich. Vor allem Garak nimmt sie mit all ihren Möglichkeiten ins Visier und macht ihm damit das Leben schwer. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern sowohl für Pulaski und Garak eine interessante Charatkerprobe. Denn beide haben – wie es sich für ein cardassianisches „Enigma Tale“ gehört, zum Teil Recht und zum Teil Unrecht.

Am Ende irrt sich jedoch in erster Linie Pulaski. Hinter den Entführungen steckt keineswegs der Castellan und nicht einmal Cardassianer. Stattdessen ist ein Schläferagent der Föderation „aufgewacht“ und plant unabhängige Taten. Dieses Finale ist ein cleverer Schachzug McCormacks. Denn bis dahin zog Pulaski durch Cardassia mit dem festen Gewissen, die Föderation gehe mit frühere Schuld deutlich besser um. In Verbindung mit den kurz zuvor aufgetauchten Enthüllungen zu Sektion 31 („Control„) zeigt sich hier wieder, dass die Föderation bei weitem nicht immer ihren hehren Standards gerecht wird. Zwischen jedem Kapitel sind zudem Briefe Garaks an Dr. Bashir eingeblendet, die den Leser nicht nur Einblicke in Garaks Gefühlswelt geben, sondern auch permanent das tragische, einem „Enigma Tale“ ähnelnde Schicksal Dr. Bashirs vor Auge führen.

„Enigma Tales“ wird dadurch zu einem feinfühligen Roman, der zwischen Pulaskis Entrüstung und Garaks Sensibilitäten hin- und herschaltet. Teilweise fehlt dem Ganzen eine Actionkomponente. McCormack gelingt es dennoch, den Roman durch starke Charaktere und immer neue Wendungen interessant zu halten. Das sehr interessante Ende ist nicht nur überraschend und dennoch überzeugend eingefädelt, es läutet auch das Ende von Garaks Amtszeit und damit einen tatsächlich einen Epochenwandel Cardassias ein, in dem Macht nicht nur durch Wahlen errungen wird, sondern anschließend auch freiwillig wieder abgegeben wird.

Fazit: „Enigma Tales“ ist ein ruhiger, feinfühliger und charaktergetragener Roman. Jeder Charakter ist in diesem Roman mit einem existenziellen Problem konfrontiert, alle müssen ihre eingelebten Herangehensweisen hinterfragen und sich aus den ewigen cardassianischen Ränkespielen befreien. Das damit verbundene Rätselraten über die verschiedenen Motive aller Beteiligten ist trotz eines streckenweise langsamen Erzähltempos für den Leser sehr unterhaltsam.

(Trekzone-)Bewertung: 4/5 Punkten

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