Desperate Hours (von David Mack)
|Inhalt: Sirsa III ist eine menschliche Kolonie, die hauptsächlich zum Abbau wertvoller Mineralien geschaffen wurde. Dafür wurde die Kolonie zwar nach Föderationsrecht aufgesetzt, sie beansprucht für sich und den sie finanzierenden bzw. betreibenden Konzern weitgehende Unabhängigkeitsrechte. Als Meeresbohrungen ein ungeheuer großes Raumschiff, das auf dem Meeresboden versenkt war, stören, versucht die politische Leitung der Kolonie daher zunächst das Problem alleine zu lösen. Nach den ersten Verwüstungen durch Drohnen des Raumschiffes in der Hauptstadt, entscheidet sich die Gouverneurin letztlich doch, die Sternenflotte um Hilfe zu bitten.
Das nächstgelegene Schiff ist die U.S.S. Shenzhou unter Captain Georgiou. Die Crew steht gerade vor einem Führungswechsel. Der bisherige erste Offizier wurde befördert und nahm den zweiten Offizier gleich auf das neue Kommando mit. Das Sternenflottenkommando befördert Michael Burnham vorübergehend zum ersten Offizier. Es ist Captain Georgious Entscheidung, diese Beförderung permanent zu machen. Ihr dienstältester Offizier Saru gefällt es gar nicht, von der jungen, auf Vulkan erzogenen Frau überholt zu werden. Der Einsatz auf Sirsa III ist für Burnham daher die erste Mission als erster Offizier und der vorübergehende zweite Offizier Saru erweist sich alles andere als kooperativ.
Die Shenzhou Besatzung weiß nicht, dass das Sternenflottenkommando auch noch ein anderes Raumschiff kontaktiert: Die U.S.S. Enterprise unter dem jungen Captain Pike wird ebenfalls von der Sternenflotte kontaktiert. Die ersten Scans des riesigen Raumschiffes beunruhigen die Sternenflotte. Es verfügt über einen enormen Energievorrat, was auf mächtige Waffensysteme hinweist. Sollte es von Sirsa III ins All vorstoßen, wären mehrere Föderationskolonien direkt bedroht. Pike erhält daher den Befehl, ebenfalls Sirsa III anzusteuern. Wenn Captain Georgiou die Gefahr bis dahin nicht eingedämmt hat, soll Pike das Raumschiff und damit auch die Atmosphäre des Planeten mit Torpedos zerstören – eine Befehl den Pike aus Pflichtbewusstsein gewillt ist auszuführen, von dem das Sternenflottenkommando jedoch erwartet das Captain Georgiou ihn aus Prinzip ablehnen wird.
Tatsächlich kommt es kurz darauf zu einem Konflikt zwischen Georgiou und Pike. Um die Kolonie zu retten, Gefahr von der Föderation abzuwenden und ihre eigene Crew zu retten, muss Burnham daher mit dem einzigen Crewmitglied der Enterprise zusammenarbeiten, das sie kennt und mit dem sie ein äußerst schwieriges Verhältnis hat: Ihr Ziehbruder Spock.
Kritik: David Mack präsentiert mit „Desperate Hours“ zum ersten Mal seit dem Ende von „Star Trek: Enterprise“ wieder einen „Star Trek“-Roman, der mit Charakteren aus einer laufenden Serie arbeitet. Dies setzt Autoren in der Regel einen relativ engen Spielraum, müssen am Ende alle Figuren doch wieder an dem ihnen in der Serie zugedachten Platz sein. So wird es zum Beispiel niemanden, der die Pilotfolge „Star Trek: Disocverys“ gesehen hat verwundern, dass es Burnham gelingt ihre Beförderung permanent zu erhalten. Trotz dieses engen Korsetts gelingt es Mack jedoch – mit ein paar Schwächen – den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum gut zu nutzen.
Das liegt in erster Linie daran, dass er sich ein sehr cleveres Setting ausgewählt hat. Sirsa III ist eine scheinbar menschliche Kolonie. Doch ihre Bewohner möchten mit der Föderation so wenig wie möglich zu tun haben. Stattdessen arbeitet die Mehrheit von ihnen für einen Minenkonzern. Die erste Reaktion auf den „Unfall“, wie der Zusammenstoß mit den Aliens zunächst bezeichnet wird und bei dem viele Arbeiter ihr Leben verlieren, ist daher zunächst eine Vertuschungsaktion. Doch nach einer ersten Angriffswelle ist dies kaum möglich. Dieser Handlungsort, am Rande des Föderationsraums, mit einer noch sehr kapitalistisch und materialistisch orientierten Bevölkerung und dem Drang nach Unabhängigkeit von Föderationsregularien, ist sehr vielversprechend.
Tatsächlich stellt sich rasch heraus, dass die Kolonie bei weitem nicht so legal ist, wie es zunächst erscheinen will. Denn die für die Errichtung der Kolonie notwendigen Papiere sind weitestgehend auf der Grundlage gefälschter Untersuchungsergebnisse ausgestellt worden. Das Unternehmen, das die Kolonisation anregte, verschwieg das man durchaus Überreste einer alten Zivilisation auf dem Planeten fand. Leider bleibt das Potential dieses Handlungsstrang. Denn Mack zeigt zu keinem Moment Interesse an der Motivation der Bewohner Sirsa IIIs. Warum legen die Kolonisten so viel Wert auf ihre Unabhängigkeit? Warum stehen sie der Föderation zu skeptisch gegenüber? Was sind ihre Erfahrungen, die dafür sorgen, dass sie der Sternenflotte so misstrauen?
Eigentlich liefert Mack die Antworten auf diese Fragen durch seinen Spannungsaufbau. Zunächst steht der Konflikt mit dem Alien-Raumschiff nämlich im Hintergrund. Zwischen dem Captain der Shenzhou und dem der Enterprise entbrennt ein Konflikt, wie man mit der Bedrohung umgehen soll. Captain Georgiou pocht darauf, zunächst die Motivation der Angreifer zu erforschen und vor allem nach Auswegen zu suchen, die die Kolonie und ihre Bewohner nicht vernichten werden. Captain Pike beharrt hingegen auf seinen Befehlen. Auch hier fehlt die Ergründung der Motivation. Warum ist Pike so erpicht darauf, die Aliens auf Kosten mehrere hunderttausend Menschenleben auszuschalten? Weshalb stellt sich Georgiou so rasch gegen die Befehle der Admiralität? Hat Pike etwa bereits durch Zögern erlebt, wie Leid erschaffen statt verhindert wurde? Hat Georgiou bereits Erfahrungen mit einer allzu skrupellosen Admiralität gemacht? In der Tat erscheinen die Befehle der Sternenflottenführung ausgesprochen brachial. Sollte dies die normale Herangehensweise an Probleme zu dieser Zeit sein, wäre die Skepsis der Kolonisten gegenüber der Sternenflotte durchaus gerechtfertigt. Aufgrund der geradezu nichtvorhandenen Diskussion dieses Themas im Roman, bleibt der Leser jedoch unwissend.
Während der Hintergrund der Geschichte trotz des großen Potentials dürftig bleibt, verfolgt „Desperate Hours“ mit Erfolg das Konzept der Fernsehserie. Im Mittelpunkt der Handlung stehen also nicht die beiden Captains, sondern Burnham und Spock auf der einen und Saru und Commander Unna auf der anderen Seite. Beide Handlungen funktionieren sehr gut.
Burnham gelingt es nur mit einer nicht autorisierten Nachricht an Spock, eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen der Shenzhou und der Enterprise zu verhindern. Das ist doppelt gut. Denn auf der einen Seite waren beide Captains viel zu schnell dabei, einander mit Waffengewalt zu drohen, auf der anderen Seite ist das Zusammentreffen zwischen Spock und Burnham sehr interessant. Gemeinsam betreten die beiden das riesige Alienmutterschiff, um herauszufinden wie man die permanent angreifenden Drohnen stoppen kann. Sie finden sich rasch in einer Reihe von Prüfungen wieder, die sie beide nur gemeinsam bestehen können. Wie man nach den Episoden über Burnhams schwierige Kindheit erwarten kann, ist auch das Verhältnis zwischen Spock und Burnham alles andere als unbelastet. Im Verlaufe der Prüfungen entdecken beide jedoch, dass sie an demselben Trauma kämpfen. Die gemeinsame Verarbeitung von Kindheitserlebnissen, die notwendig ist, um die Prüfungen zu bestehen, ist sehr überzeugend.
Saru findet derweil in einer Forschungsaufgabe mit Commander Unna die erste Person in der Sternenflotte, in deren Gegenwart er sich tatsächlich sicher fühlt. Die Kooperation der beiden hilft ihm seine neue, Burnham untergeordnete Rolle zu akzeptieren. Sie führt ihm in erster Linie aber vor Augen, aus welchen Gründen er sich der Sternenflotte angeschlossen hat. Die Dynamik zwischen den beiden Charakteren funktioniert sehr gut. Auch wenn diese Handlung nur wenig Raum einnimmt, so trägt sich stark zum guten Eindruck bei, den der erste „Discovery“-Roman hinterlässt. Denn Saru erkennt als erster den Hintergrund des Angriffes, den Spock und Burnham im Inneren des Mutterschiffes letztlich selbst ableiten müssen und der zu einer milden Lösung des Konfliktes beiträgt.
Nicht wirklich funktioniert die Nebenhandlung um die Kolonisten, die stetig versuchen, die Sternenflotte zu erpressen. Selbst als sie noch nicht erfahren haben, dass die Sternenflotte im Notfall ihren Tod willig in Kauf nimmt, verhalten sie sich äußerst aggressiv. Ohne die dafür notwendige Motivation zu kennen, wirkt dieses Verhalten übertrieben und angesichts der großen Bedrohung, der sich die Kolonie ausgesetzt sieht, äußerst irrational.
Während die Hintergrundhandlung um die Kolonie und die Sternenflotte aufgrund zu sparsam gestreuter Informationen und der ständigen Bereitschaft zu Gewalt nicht richtig überzeugen kann, so sind die Forschungsarbeiten von Spock, Burnham, Saru und Unna nicht nur spannend, sondern auch sehr gut konstruiert. In diesen, die Handlung tragenden Szenen atmet der Roman den Geist der Originalserie und bietet das, was Mack mit seinen Kollegen Ward und Dilmore mit der Reihe „Seekers“ angestrebt, aber nie wirklich erreicht hat: Spannende, in sich geschlossene Einzelabenteuer, in denen sich die Sternenflotte am Rande des ihr bekannten Raums mit unerklärlichen Phänomenen und schwierigen Herausforderungen auseinandersetzen muss.
Fazit: Mack erzählt in „Desperate Hours“ ein klassisches Bedrohungszenario, das Michael Burnham und Spock auf sympathische Art und auf typische „Star Trek“-Manier auflösen. Während Burnhams Arbeit und die Auseinandersetzung mit ihrer Kindheit überzeugt, erscheint die Rahmenhandlung nur eingeschränkt schlüssig.
(Trekzone-)Bewertung: 3,5/5 Punkten