The Face of the Unknown (Christopher L. Bennett)

Inhalt: Die Enterprise wird überraschend im Grenzgebiet der Föderation angegriffen. Nach einem waghalsigen aber erfolgreichen Manöver aus Kirks Ideenfundgrube können die Gegner entwaffnet werden. Der Grund für ihre Aggression überrascht die Sternenflottenbesatzung: Die Angreifer wurden selbst von Fremden attackiert und alles deutet daraufhin, dass es sich bei diesen Unbekannten um die Föderation handelt. Deswegen wurde die Enterprise angegriffen. Bei der Untersuchung der Vorfälle stellt sich heraus, dass die Angreifer niemand anderes als die mystischen Wesen waren, die die erste Föderation bei ihrem Kontakt mit der Enterprise (Episode „Pokerspiele“) einst als Tarnung verwendete.

Die Sternenflottenführung glaubt daher, dass der ersten Föderation doch nicht nur daran gelegen ist, ihr eigenes Territorium zu schützen. Sie vermuten, dass die Angriffe nur Vorboten einer größer angelegten Offensive sind. Die diplomatische Mission Lieutenants Baileys scheint gescheitert zu sein. Die Enterprise hat daher Order, die Attacke möglichst mit weiteren Attacken zu vergelten, um jedwede expansive Ambition im Keim zu unterdrücken.

Captain Kirk, der den Vertreter der ersten Föderation, Balok, als glaubwürdig empfand, ist über die Vorgänge sehr verwirrt. Mit großer Mühe finden er und seine Besatzung den Aufenthaltsort Baloks heraus. Dabei entdecken sie erstmals die Heimatwelt der ersten Föderation. Dort erwarten die Crew Wunder, eine untergehende Zivilisation und eine Nation, die von den Sünden ihrer Vergangenheit wieder eingeholt wird.

Kritik: In Zeiten der zunehmenden Abschottung stellt Christopher L. Bennett offensiv einen Völkerbund in den Mittelpunkt seines Romans, der an dem Dilemma zwischen offenen Grenzen und Abschottung ebenfalls verzweifelt. Die erste Föderation hat eine offene Tür für alle Völker, die bedroht sind. Hier sind die Schwachen und die Verfolgten eingekehrt, um sich eine neue Heimat aufzubauen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Gewalt und Aggression ablehnen. Die künstliche, riesige Orbitalwelt, die die erste Föderation geschaffen hat, bietet eine schier endlose Anzahl an künstlich geschaffenen Welten, auf denen einst verfolgte Völker eine neue Heimat gefunden haben. Gleichzeitig schirmt sich dieser riesige Mikrokosmos jedoch penibel von der Außenwelt ab: Wer einmal dem System beitritt, kann es in der Regel nicht mehr verlassen. Allerdings empfinden nur wenige einen Anreiz, das künstliche Paradies gegen das raue Universum einzutauschen. Insofern schaffen Angst und Paranoia hier ironischerweise eine Gesellschaft, die offen für Schwache ist, ein System der Freiheit, Vielfalt und des Friedens geschaffen hat und sich dabei gleichzeitig penibel von der Außenwelt abschirmt.

Bennett gelingt es in „The Face of the Unknown“, eine spezielle Denkweise auf authentische und überzeugende Charaktere zu übertragen. Jeder Protagonist der ersten Föderation verfolgt eindeutig das Ideal, in Freiheit aber vor der Galaxis versteckt ein friedliches Leben zu führen. In den unterschiedlichen Vertretern der ersten Föderation bringt Bennett ein angenehmes Maß an Meinungsvielfalt unter. Leider dauert die Suche nach der ersten Föderation und die anschließenden Kontaktversuche etwas zu lange. Hier hätte das Tempo etwas erhöht werden können. Denn die interessante Konfliktlinie ist nicht die zwischen der Sternenflotte und der ersten Föderation (obwohl dieser Konflikt essentiell ist, um dem Leser die Kultur der ersten Föderation nahe zu bringen), sondern liegt in den internen Auseinandersetzungen innerhalb der ersten Föderation.

Der Anlass für diese Meinungsunterschiede ist die Tatsache, dass die künstliche Welt der ersten Föderation nicht mehr lange der Atmosphäre des gigantischen Gasplaneten, den sie umschwirrt, standhalten wird. Erste Verschleißerscheinungen treten bereits auf. Die Gesellschaft diskutiert daher, was nun zu tun ist. Vor allem im Leitungsgremium des riesigen Völkerzusammenschlusses herrscht die Meinung vor, angesichts der Gefahren außerhalb der ersten Föderation müsse man alles dafür tun, um sich weiterhin im Schatten des Gasriesen zu verstecken. Wie immer gelingt es Bennett, etwas Verständnis für die Motivation aller Protagonisten zu erzeugen. Doch im Kern dreht sich der Roman darum, dass auch in einer ideal geplanten Gesellschaft Macht korrumpiert.

Denn die Ideale der Demokratie werden von einzelnen Politikern dafür verwendet, um ihre eigene Angst vor Veränderungen in eine Politik der Angst zu verwandeln. Je mehr die Sternenflotte über die erste Föderation lernt, desto deutlicher wird dies. Im Laufe des Romans erlebt Kirk hautnah, dass Macht auch in der ersten Föderation missbraucht werden kann. Dies ist eine von zwei Spannungsquellen des Romans: Wie wird die Gesellschaft der ersten Föderation ihrer existenziellen Krise begegnen, mit einer rettenden Öffnung gegenüber einer unsicheren Galaxis oder mit einer Abschottung vor allen externen Gefahren, die auf Dauer aber die eigene Existenzgrundlage zerstören wird? Diese Auseinandersetzung wird mit harten Bandagen gefochten und Bennett setzt die Enterprise-Besatzung gelungen zwischen die Fronten.

Der Sternenflotte geht es letztlich jedoch in erster Linie darum, die Ursache für die Angriffe im Grenzgebiet zu identifizieren. Dies ist die zweite Spannungsquelle: Wie Captain Kirk (und der Leser) richtig vermuten, handelt es sich bei den Angreifern keineswegs um die erste Föderation. Stattdessen sind die mystischen, bedrohlichen Wesen, die Bartok einst als Maske benutzt hat, zurückgekehrt. Und sie setzen alles daran, die erste Föderation zu entdecken und anzugreifen. Diese externe Bedrohung intensiviert den internen Streit um ein Vielfaches und ist die zweite Spannungsquelle des Romans.

Bennett nutzt dieses Szenario, um einen klassischen „Star Trek“ Erzählbogen zu entwickeln. Eine zunächst glasklare Situation, mit einer guten und einer bösen Seite, verwandelt sich immer mehr in einen schwer zu überblickenden Graubereich und am Ende ist es unmöglich eindeutig zu bestimmen, welche Fraktion denn nun zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Dies ist nur auf der individuellen Ebene bestimmbar und so obliegt es der Besatzung der Enterprise, eine friedliche Lösung des Konflikts herbeizuführen. Dies ist überzeugend umgesetzt und hinterlässt weder den Eindruck eines übermäßig konstruierten Romans noch verliert sich der Roman in Moralpredigten. Stattdessen wird das anfänglich gemächliche Erzähltempo angehoben, alle Handlungsstränge zugespitzt und viele der überzeugenden Charaktere vor Entscheidungsfragen gestellt. Somit gelingt es Bennett, mit der Gesellschaft der ersten Föderation nicht nur eine faszinierende Welt inklusive Streitigkeiten zu erzeugen, sondern auch diese Welt in einen spannenden Handlungsbogen einzubetten.

Zum Erscheinungszeitpunkt des Romans (er erschien im Januar 2017, wenige Wochen vor Donald Trumps Vereidigung) ist „The Face of the Unknown“ die klassische „Star Trek“-Episode, die die Kernwerte der Serie gegenüber einer immer raueren Welt hervorhebt: Ohne ins naive abzudriften, präsentiert Bennett mit „The Face of the Unknown“ einen Roman, der gegenseitiges Verständnis, Diplomatie und Kooperation als die zentrale Grundlage für Frieden und Demokratie betont. Das bietet Faszination, Spannung und (vor allem ab der zweiten Hälfte) sehr gute Unterhaltung.

Fazit: Bennett gelingt mit „The Face of the Unknown“ eine faszinierende Darstellung der ersten Föderation, die er außerdem in einen sehr spannenden Konflikt einbettet. Beide Ebenen des Romans folgen klassischen „Star Trek“-Lösungen ohne dabei aber zu sehr ins Vorhersehbare abzudriften. Für einen in sich abgeschlossenen Einzelroman, der in keine größere Handlung eingebettet ist, bietet „The Face of the Unknown“ damit eine sehr gute Mischung aus Action, gut getroffenen Charakteren und den ideellen Diskussionen, die „Star Trek“ auszeichnen.

(Trekzone-)Bewertung: 4,5 / 5 Punkten

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