Original Sin (von David R. George III)

Inhalt: Nach turbulenten Jahren, einer desaströsen Borg-Invasion und der Bedrohung durch den Typhon Pact, konzentriert sich die Sternenflotte wieder stärker auf ihre Kernmission, die Erforschung des Weltalls. Dafür sendet sie eine Reihe von Schiffen auf Forschungsmissionen. Unter dem Kommando von Captain Sisko begibt sich die U.S.S. Robinson aus diesem Grund in den Gamma-Quadranten. Der Dominion-Krieg ist vorbei, der Quadrant bleibt jedoch unerforscht. Das soll sich nun ändern.

Doch bereits zu Beginn der Mission trifft die Robinson auf einen mysteriösen Angreifer. Aus dem Nichts gerät die Robinson in ein Feld, dass jede Energienutzung unterbindet. Es scheint als seien sie in eine Waffe geraten, die den Normalraum verändert oder gar zerstört. Kurz darauf tauchen unbekannte Schiffe auf und durchdringen die Schilde der Robinson. Nach einem kurzen Scan entführen sie die 87 Kinder an Bord des Schiffes.

Sisko steht vor der Herausforderung, die bewegungsunfähige Robinson aus ihrem Gefängnis zu befreien und die Verfolgung der Angreifer anzugehen. Dabei stehen ihm nicht nur die Gesetze der Physik im Weg. Unter den entführten Kinder ist auch seine Tochter Rebecca, die fünf Jahre zuvor bereits entführt wurde. Der emotionale Druck wird daher von traumatischen Erinnerungen an die erste Entführung seiner Tochter noch verstärkt.

Kritik: Angesichts der Beiträge David R. George IIIs zum „Deep Space Nine“-Relaunch in den letzten Jahren, ist „Original Sin“ eine positive Überraschung. Hier dreht sich die Handlung nicht in erster Linie um die persönlichen Probleme der Charaktere, die irgendwie zu einer kleinteiligen Story zusammengesetzt werden. Stattdessen ist „Original Sin“ eine sehr gradlinige Story, die sich nicht aus episodischen Charakterszenen zusammensetzt, sondern eine klare Handlung aufweist, die sich auf zwei Charaktere konzentriert. Im Mittelpunkt stehen Benjamin Sisko und seine Tochter Rebecca. Von beidem hat man seit dem überraschenden und streckenweise durchwachsenen „Typhon Pact“-Beitrag „Rough Beasts of Empire“ nicht mehr viel gelesen. „Original Sin“ schließt diese Lücke überzeugend und unterhaltsam.

Die Handlung in der Vergangenheit ist alles andere als überraschend. Da Rebecca im Jahr 2385 noch einmal entführt wird, muss sie ihre erste Entführung wohl überstanden haben. Dieser Handlungsstrang überzeugt dennoch mit drei Elementen. Erstens ist der religiöse bajoranische Fanatiker, der hinter der Entführung steckt, auf überzeugend schlichte Art dargestellt. Indem er hauptsächlich durch seine privaten Beziehungen charakterisiert wird, in denen er unvorhersehbar reagiert, wird er zu einem nicht einschätzbaren Antagonisten. Seine Motivation wird dabei nicht allzu episch ausgebreitet (wozu George III sonst neigt). Zweitens lernt der Leser durch diese Rückblenden Jasmine Tey, als späteren Bodyguard für Rebecca kennen. Ihre Ermittlungsarbeit und auch ihre Endszenen mit Rebecca sind äußerst gut gelungen. George III zeigt hier, dass er es weiterhin versteht, neuen Protagonisten Leben einzuhauchen. Drittens werden einige Teile der Entführung aus Rebeccas Sicht geschildert. Dieser glaubwürdige kindliche Blick auf die Ereignisse in Verbindung mit der Hauptenthüllung des Romans geben dem ca. 50% der Handlung einnehmenden Rückblende endgültig die Existenzberechtigung. Die Schilderung der ersten Entführung 2380 erlaubt dem Leser, eine im „Deep Space Nine“-Relaunch nur oberflächlich behandelte Periode besser zu verstehen und überzeugt mit sympathischen, glaubwürdigen und lebendigen Charakteren.

Der Handlungsstrang, der am Ende des Jahres 2385, als in der Seriengegenwart, spielt, ist dennoch deutlich spannender. Der Ausgang dieser Entführung ist schließlich alles andere als klar. Auch diese Erzählebene überzeugt auf mehreren Ebenen. Zuerst gehen Benjamin Sisko und Kasidy deutlich überzeugender mit der Entführung um als dies in „Rough Beast of Empire“ geschildert wurde. Damals rannte Sisko mehr oder weniger vor den Ereignissen davon, was überhaupt nicht zu dem einstigen Captain Deep Space Nines passte. Hier geht er offen mit seinen Ängsten und seinen Taten um und wird dabei von Kasidy unterstützt. Die Darstellung des Paares ist dadurch sehr gut getroffen und ihre Szenen wirken berührend, da man merkt wie sich die beiden gegeneinander unterstützen.

Genau so interessant sind die unbekannten Angreifer. Sie haben natürlich ein Motiv, die Kinder zu entführen. Es stellt sich rasch heraus, was man bereits ahnt: Sie benötigen die Kinder für die eigene Fortpflanzung. Zunächst vermutet man angesichts des Umfangs des Romans, dass hier eventuell eine Lösung gefunden wird, wie diese Spezies sich vermehren kann, ohne fremde Kinder zu entführen. Diese Hoffnung wird enttäuscht: Die Fremden bleiben Antagonisten auch als man langsam herausfindet, wie man in ihrem fremden Ausdruckskosmos kommunizieren kann. Am Ende warnt die Robinson so gut es geht zukünftige Reisende vor den Angreifern, was ihnen womöglich die Lebensgrundlage entziehen wird. Dies wird angesichts ihrer grausamen Entführungen nicht thematisiert. Das ist in Ordnung, da sich der Roman hauptsächlich auf das Verhältnis der Siskos zu ihrer Tochter konzentriert. Trotzdem fühlt sich dieser Aspekt wie eine verpasst Chance für eine noch überzeugendere Handlung an.

In der Konfrontation mit den Angreifern setzt George III eher auf klassische Abenteuermissionen. Mehrfach begibt sich Sisko auf Missionen, um seine Tochter zurückzuholen. Das liest sich wie klassisches „Star Trek“, da Sisko dabei immer wieder technische und linguistische Barrieren überwinden muss. Mit Hirnschmalz, seiner Crew und einer angesichts der Entführung seiner Tochter nur äußerst schwer aufzubringender Geduld gelingt ihm dies auch. Dabei ist besonders lesenswert wie Sisko seine Niederlagen bei den Befreiungsaktionen verarbeiten muss. George III gelingt die Darstellung des auf Sisko lastenden Drucks ausgesprochen gut: Man merkt immer, dass Sisko kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht.

Für den „Deep Space Nine“-Relaunch ist die Entwicklung von Rebecca vielleicht von größter Bedeutung. Der Leser entdeckt, dass sie in Extremsituationen zu übernatürlichen Eingriffen in der Lage ist. George III spitzt diese Erkenntnis zu einer gelungenen Überraschung am Ende des Romans zusammen – etwas, das in seinen vorherigen Romanen oft fehlte. Gleichzeitig wirkt diese Überraschung jedoch auch wie eine aus dem Ärmel geschüttelte ad-hoc Lösung. Aber da sie interessante weitere Erzählungen über die Sisko-Familie verspricht, ist es gut möglich, dass dieses Ende im Lichte zukünftiger Romane deutlich besser wirkt.

Alles in allem ist „Original Sin“ keine weltbewegende Geschichte, sondern ein klassisch, gradliniges Abenteuer, das einen zentralen Charakter der Serie nach langer Abwesenheit wieder ins Rampenlicht setzt. Das ist trotz etwas ungenutztem Potential unterhaltsam, spannend und am Ende auch überraschend.

Fazit: „Original Sin“ bietet neue Hoffnung für den in kleinteiliger Erzählung über religiöse Entdeckungen gefangenen „Deep Space Nine“-Relaunch. Der federführende Autor David R. George III bricht hier endlich aus dem selbstgesetzten Korsett aus und konzentriert sich wieder auf seine Kernstärke: Mit „Original Sin“ zeichnet er lebendige Charaktere und verbindet sie mit einer relevanten, ereignisreichen Erzählung. Das wirkt, vor allem im Vergleich mit den schwachen Vorgängern, sehr überzeugend.

(Trekzone-)Bewertung: 4/5 Punkten

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