Wir sind am Leben (Rosenstolz-Album)
|Nachdem ich mir, von der ersten bis zur letzten Liedrezension des Album vergingen über neun Monate, genügend Zeit für einen Gesamteindruck des im September erschienenen, aktuellsten Rosenstolz-Album genommen habe, kann ich für mich sagen: Das Album ist gut und hat an einigen Stellen das Potential sehr gut zu sein. Der erste Eindruck allerdings war ein ganz anderer.
„Wir sind am Leben„, das erste Lied, war als Single bekannt. „Überdosis Glück“ und „Lied von den Vergessenen“ hören sich gut an, sind beim ersten Mal Hören textlich aber unansprechend. Das erste Highlicht war „Sprachlos„, das sprachlich schön und textlich gut daherkommt. Den Tiefpunkt des Albums markierte beim Ersthören „Mein Leben im Aschenbecher„, ein Eindruck, der sich bis heute nicht geändert hat. Der darauf folgende Mittelteil des Albums wirkt zunächst unbedeutend, ja fast unsinnig. „Marilyn“ und „Wir küssen Amok“ haben kaum Höhen und Tiefen, die einen Aufhorchen ließen. „E.N.E.R.G.I.E.“ klingt wiederum so schräg, dass das nachfolgende, rhythmisch monotone „Flugzeug“ geradezu beruhigend wirkt. Textlich wirken die ersten drei Mittelteillieder zunächst unsinnig, das letzte banal. Die abschließenden beiden Lieder „Irgendwo in Berlin“ und „Beautiful“ ließen jedoch einen ordentlichen Eindruck zurück, wobei die „Make it beautiful now“-Wiederholungen am Schluss etwas langatmig wirkten. Insgesamt war der erste Eindruck aber äußerst ernüchternd. Nach dem genialen Vorgänger, der zudem auch noch eingängige Lieder aufweist, ist „Wir sind am Leben“ doch zunächst ernüchternd.
Dieser Eindruck hat sich freilich gewandelt. Die Rezensionen belegen das. Zwar dominiert das Burnout-Thema das Album und einige Lieder behandeln es wohl zu intensiv, aber an vielen Stellen ist das Wissen um Peter Plates Erkrankung erst der Schlüssel um die durchaus interessanten Botschaften der Lieder zu verstehen. Gerade der mittlere Teil bietet an vielen Stellen durchaus nachdenkenswerte und gelegentlich sogar erhellende Texte. Die zu Beginn etwas unaufregend wirkenden Lieder „Überdosis Glück“ und „Lied von den Vergessenen“ wirken mit der Zeit sogar schmissig und unterhaltsam. Vor allem aber reift das Ende. Herausragend ist dabei das Ende. „Beautiful“ ist eines der Lieder, die mit jedem Mal hören besser und intensiver zu werden scheinen. „Wir sind am Leben“ ist also eines jener Alben, das leicht zu unterschätzen ist. Die Lieder sind entweder zu eingängig, sodass sie unbeachtet durchlaufen oder aber zu sperrig, sodass sie nicht auf den ersten Höhranlauf gefallen. Dabei bietet das Album eine große Bandbreite von nachdenklich-traurigen, über sehnsüchtige bis hin zu fröhlichen, gar motivierenden Texten. Erst mehrmaliges, intensiveres Hören lässt die Eigenschaften der einzelnen Tracks zutage treten, sodass das Album geschätzt werden kann. Wer dazu bereit ist, etwas Rosenstolz-Affinität und eine gewisse Toleranz für das Burnout-Thema mitbringt, für den ist „Wir sind am Leben“ ein gutes, mitunter gar sehr gutes Album.