Irgendwo in Berlin (von Rosenstolz)

Das vorletzte Lied auf dem Album „WIr sind am Leben“ ist eine Liebeserklärung an Berlin. Zu einem dezenten Rhythmus, der anfänglich aus Klavierklängen, später auch aus Bass und Gitarre besteht, singt AnNa  R. erst leise, später mit mehr einsetzenden Instrumenten lauter, die anhimmelnden Zeilen.

Obwohl Berlin durch den Krieg geteilt, nach der Wende mit Bausünden ausgestattet und dadurch heute ohne Zentrum dasteht (Hat Dein Herz auch Narben) , ist es doch eine offenherzige Stadt (Deine Tür bleibt immer auf), die niemanden wieder loslässt. Obwohl man regelmäßig etwas Abstand zu der Stadt braucht, bestätigt dieser doch immer wieder nur, wie gut Berlin tut (doch damit ich sicher bin, muss ich immer wieder fliehn). Die Stadt kann dem Bewohner ein Gefühl von Heimat geben (Irgendwo in Berlin, gehör ich hin).

Daher transportiert der erste Teil des Refrains mehrere Erinnerungen an Berlin (In dieser Stadt da lernt ich küssen). Der zweite Abschnitt dreht sich hingegen um die Gegenwart in Berlin (sie spielen unser Lieblingslied, in den Straßen von Berlin). Mit dem Refrain wird in dem Stück relativ frei umgegangen. Er wird nach der zweiten Strophe noch einmal wiederholt, dann fällt der erinnernde Teil weg. Stattdessen fokussiert sich die zweite Hälfte des Stückes allein auf die Wiederholung der Aufforderung: Lass uns tanzen. Eine Aktivität zu der Berlin wohl geradezu einlädt.

In der zweiten Strophe werden noch drei weitere Besonderheiten Berlins genannt. Das Alter und die Geschichtsträchtigkeit stehen der Stadt gut (Du bist älter geworden und das steht Dir ziemlich gut). Zweitens ist die Stadt trotz aller Widrigkeiten schön (Du weißt Dich so gut zu kleiden) und zeigt das vor allem nachts (richtig schön bist Du bei Nacht). Zuletzt ist die Stadt von überzeugender Ehrlichkeit gezeichnet (Und Du sagst, was Du meinst).

„Irgendwo in Berlin“ ist ein Liebeslied an die Bundeshauptstadt. Dabei ist die größte Schwäche des Liedes, dass es tatsächlich konkret eine Stadt benennt. Aus demselben Text ohne konkreten Berlinbezug wäre ein Lied geworden, dass auf viele (Heimat)Städte und sogar auf Personen bezogen werden könnte. Aber als Berliner Band ist es natürlich verständlich, dass Rosenstolz ihre Heimatstadt konkret preisen wollen.

Trotz der mangelnden Projektionsfähigkeit auf persönliche Themen gehört „Irgendwo in Berlin“ mit seiner ruhigen und melancholischen Art zu den Highlights der Platte. Es wirkt weniger sperrig als „E.N.E.R.G.I.E“ und weniger beliebig wie das inhaltlich gute „Marilyn„. Damit ist es ein eingängiges, bewegendes Lied, das man aber wohl erst richtig fühlen kann, wenn man lange Jahre in Berlin gewohnt hat.

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