Gedanken zur Kategorie „Beste Novelette“ der Hugo Awards 2019

Am kommenden Sonntag werden in Dublin die Hugo Awards 2019 verliehen. Die Hugos sind einer der wichtigsten Science Fiction und Fantasy Preise. Abstimmen können alle TeilnehmerInnen der jährlich stattfindenden World Con sowie Unterstützungsmitglieder. Anders als im vergangenen Jahr, in dem ich im Vorfeld nur die Beiträge für die Kategorie „Bester Roman“ gelesen habe, habe ich dieses Jahr auch die Beiträge für die „Beste Kurzgeschichte“, „Beste Novelle“ sowie „Beste Novelette“ gelesen. Das war auch möglich, da ich anders als im vorherigen Jahr eine Unterstützungsmitgliedschaft erworben habe, durch die man Zugriff auf Ebook Versionen aller Beiträge erhält. Die sechs nominierten Noveletten bieten einen recht ausgeglichenen Mix aus Science Fiction und Fantasy Geschichten. Vor der Frist für die Stimmabgabe habe ich fünf der sechs Beiträge gelesen. Im Folgenden daher nun knappe Anmerkungen zu allen sechs Noveletten in der Reihenfolge, in der ich abgestimmt habe:

If at First You Don’t Succeed, Try, Try Again (von Zen Cho)

Diesen Beitrag habe ich erst nach der Stimmabgabe gelesen. Das ist schade, denn Chos Erzählung eines Imgui, der drei Mal den tausendjährigens Prozess des Drachenwerdens antritt und zwei Mal davon scheitert ist enorm berührend. In einem epischen Märchenstil gehalten, gibt diese aus der Perspektive des Imguis erzählte Geschichte großartige Einblicke in Liebe, Enttäuschung und vor allem die Stärke, die es benötigt, Scheitern zu verarbeiten.

5. Nine Last Days on Planet Earth (von Daryl Gregory)

Durch einen Mereoitenabsturz verbreitet sich eine außerirdische Pflanzenart schlagartig auf der Erde. Gregory erzählt die Lebensgeschichte eines Mannes, dessen Lebensaufgabe darin besteht, einen Weg der Koexistenz zwischen Menschheit und dieser Pflanze zu finden. Das Projekt gelingt, wichtiger sind der Geschichte jedoch die Gefühle und Beziehungen ihres Protagonisten. Das ist lesenswert und unterhaltsam. Letztlich hätten sowohl die Auseinandersetzung mit der außerirdischen Pflanzenart als auch das Familienleben des Protagonisten einen stärkeren Fokus verdient.

4. The Thing About Ghost Stories (von Naomi Kritzer)

Dies ist die Geschichte einer Doktorandin, die zu Geistbegegnungen forscht. Nach dem Tod ihrer Mutter und dem Verschwinden ihres liebgewonnen Rings, muss sie sich plötzlich mit dem Geist ihrer Mutter auseinandersetzen. „The Thing About Ghost Stories“ ist eine berührende Geschichte über die Verarbeitung eines Todes mit authentischen, phantastischen Elemnten. Die Grenzen zwischen Realität und Einbildung werden hier überzeugend übertreten. Ein wenig fehlt der Geschichte jedoch ein überraschendes Element.

3. The Last Banquet of Temporal Confections (von Tina Connolly)

Ein Tyrann hält Saffron und ihren Gatten Danny als Hofbäcker gefangen. Danny hat die Gabe, Zeitgebäck herzustellen. Die Süßspeisen fördern bei den Konsumenten die Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis in der Vergangenheit hervor. Saffron muss jede Speise vorkosten, damit der Tyrann nicht vergiftet wird. Danny muss also einen Weg finden, den Tyrannen mit Erinnerungen um den Verstand zu bringen, ohne dass Saffron dasselbe Schicksal ereilt. Diese Geschichte ist wortwörtlich ausgesprochen süß, clever konstruiert und damit sehr unterhaltsam.

2. The Only Harmless Great Thing (von Brooke Bolander)

In dieser anspruchvollen Schicksal vermischt Bolander das Schicksal der Elefantin Topsy mit dem der Radium Girls und entwickelt zudem eine Zukunftsversion dieser alternativen Zeitlinie, in der Menschen auf die intelligenten Elefanten dieser Welt angewiesen sind. Das ist teilweise etwas zu umständlich präsentiert, in seinem berührenden und teilweise aufgrund der Bezüge zu wahren Ereignissen schockierenden Ereignissen nicht nur packend, sondern auch ein starkes Beispiel, warum Menschen- und Tierrechte, aber auch Arbeitsschutzgesetze angesichts menschlicher Gier unumgänglich sind.

1. When We Were Starless (von Simone Heller)

Lange nachdem die Menschheit sich zugrunde gerichtet hat, bewohnen intelligente Echsen die Erde. Die Geschichte verfolt einen Stamm, der jüngst sein Gebiet aufgrund gefährlicher Hinterlassenschaften der Menschen verlassen musste und dabei auf einen genau so gefährlichen Schwarm Spinnen trifft. Bei der Zuflucht in einem ehemaligen Observatorium stoßen sie auf einen intelligenten, von Menschen hergestellten Computer, der den auf Stagnation fokussierten Echsen wieder Hoffnung zu geben vermag. Die Geschichte ist durch das post-apokalyptische Setting sehr stimmungsvoll, die Interaktion zwischen dem auf Menschen trainierten Computer und der handlungstreibenden Echse ist sehr gelungen und die Kultur der Echsen faszinierend. Darüber hinaus ist die Geschichte sehr spannend erzählt und regt auf untgewöhnliche Art zum Nachdenken über die Frage an, was von der Menschheit wohl übrig bleibt, wenn die Erde längst von anderen Wesen bevölkert ist.

Update: „If at First You Don’t Succeed, Try, Try Again“ von Zen Cho erhielt den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Novelette“.

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