Nine Last Days on Planet Earth (von Daryl Gregory)

1975 ist LT 10 Jahre alt und die Erde wird von einem Meteorsturm heimgesucht. Wie jeder andere Sturm, wirkt dies wie ein Zufall. Tatsächlich scheint es sich aber keineswegs um ein zufälliges Ereignis zu handeln. Denn mit dem Meteorsturm gelangen eine Reihe außerirdischer Pflanzen auf die Erde und verdrängen bald darauf die heimische Flora. Die Menschheit sieht sich mit zwei Fragen konfrontiert: Ist dies der Vorbote einer außerirdischen Invasion, die im Vorfeld die Erde bereits in ihrem Sinne terraformt? Und wenn nicht, ist es möglich, sich mit dieser Pflanzenwelt zu arrangieren, sie nutzbar zu machen? Die titelgebenden letzten neun Tage in LTs Leben, die sich jedoch über 92 Jahre ziehen. Sie zeigen den Meteorsturm, die Trennung der Eltern, sein Leben in Chicago, die Entdeckung seiner Homosexualität und seiner Begeisterung für Biologie und im weiteren Verlauf wie er gleichzeitig daran arbeitet den menschlichen Körperaufbau so zu verändern, dass er die Pflanzen verträgt und gleichzeitig ein Leben und eine Familie gründet. Was er beginnt, setzt am Ende seine Tochter fort und so steht am Ende, im Jahr 2062 zwar der Tod LTs aber eine Menschheit, die sich von den außerirdischen Pflanzen ernähren kann und gleichzeitig durch die Lösung dieser Frage geeint wurde.

„Nine Last Days on Planet Earth“ beginnt wie eine klassische Invasionsgeschichte. Die Befürchtungen über einen Angriff aus dem All ist sofort in den Köpfen der Menschen als sie von den außerirdischen Samen erfahren. Gleichzeitig haben die Pflanzen eine unnatürliche Anziehungskraft. Sie wirkt sich zunächst auf LTs Mutter aus, die eine Pflanze aus dem Sturm rettet und sie nach der Scheidung von LTs Vater nach Chicago rettet. Diese Anziehungskraft überträgt sich auf ihren Sohn und im Verlauf der Geschichte auf perfide Weise auch auf den Vater. An dieser Pflanze wird die Gefahr, die für die Menschheit ausgeht, illustriert. Sie ist nämlich nicht nur ausgesprochen aggressiv gegenüber irdischen Pflanzenarten, sondern kann auch eine ungesunde, abhängig machende Symbiose mit Menschen eingehen. Gleichzeitig wird an ihr auch das kreative Potenzial aufgezeigt. Durch den frühen Kontakt mit dieser Pflanze entwickelt LT sein Interesse an Biologie, was am Ende zu der Rettung der Menschheit beiträgt.

Denn die eigentliche Botschaft der Novelette ist die menschliche Anpassungsfähigkeit. Der Kern menschlichen Zusammenseins, die Liebe, geht weiter wie bisher. Die Gesellschaft liberalisiert sich auch im Angesicht dieser starken Bedrohung: So findet LTs Mutter trotz mehrfach wechselnder Partner nie die große Liebe, LTs Vater vergeht geradezu an seiner Einsamkeit und LTs Homosexualität stellt ihm bei der Familienplanung (überwindbare) Hürden. Die eigentlichen biologischen Fragen treten dadurch weiter in den Hintergrund, die neun Handlungsabschnitte zeigen in klarer und doch bewegender Sprache wie das „normale“ Leben trotz der permanenten Veränderung weitergeht.

Die Zeitsprünge der Geschichte werden immer größer, Folgen der in der Natur regelmäßig auftretenden Fibonacci-Folge. Häufig sind die Momente ein Abschied, Teil eines Trennungsprozesses von einem Menschen, einem Ort oder einer Lebensphase. Doch immer verheißen sie neues, decken z.B. LTs sexuelle Orientierung, sein wissenschaftliches Interesse oder einen neuen Lösungsansatz auf. Das ist interessant geschrieben, lässt aber auch vieles offen. So wird gleichzeitig Interesse an LTs Familie aufgebaut und dennoch die meisten Schicksale, so z.B. seiner Eltern und seines Partners, am Ende entweder offen gelassen oder in einem Nebensatz abgehandelt.

Und so ist die Novelette eine eigenartige Mischung aus globaler Veränderung, großen Gefühlen und knapper Epik. Das hat kleine Konstruktionsfehler und wenig direkte Handlung, da sich der Text fast ausschließlich auf persönliche Themen konzentriert anstatt auf die eigentlichen Lösungsprozesse. Dennoch berührt die immer präsente Menschlichkeit im Guten (wie z.B. ein Ex-Freund der Mutter, der weiterhin LTs Studium unterstützt) wie im Schlechten (wie z.B. wenn LTs Vater dessen Homosexualität ablehnt). Denn der Text zeigt, dass trotz aller menschlicher Schwächen eine globale, alle Ernährung und menschliche Lebensweise bedrohende Umweltkrise gelöst werden kann. Dagegen wäre die Lösung des Klimawandels ein Kinderspiel.

Die Erzählung „Nine Last Days on Planet Earth“ von Daryl Gregory ist 2018 auf tor.com erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Novelette“ nominiert.

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