When We Were Starless (von Simone Heller)

Die Menschheit hat sich zugrunde gerichtet. Doch das Leben auf der Erde geht weiter. Mink ist in ihrem Echsenstamm dafür zuständig, Gegenden von Geistern zu reinigen. Das sind meist (vermeintlich) gefährliche Hinterlassenschaften der Menschen. In der Regel zieht der Stamm in solch einem Fall weiter, lässt aber die Verwundeten und Alten zurück. Mink trifft auf einen ausgesprochen fähigen Geist namens Orion, einen Computer eines ehemaligen Planetariums. Aus Mitgefühl mit den Alten und Kranken verschweigt Mink die Existenz Orion. Das hat für den Stamm fatale Konsequenzen: Aufgrund einer automatischen Routine programmiert Orion alle Hilfsroboter, die der Stamm den Hinterlassenschaften der Menschheit entrissen hat, auf sich um. Der Stamm steht ungeschützt da und wird kurz darauf von aggressiven Spinnen angegriffen. Hier zeigt sich die gute Natur Orions. Er schützt den Stamm im Planetarium, verteidigt ihn gegen die Spinnen. Um ihre Geräte zurückzubekommen, müssen die Stammesmitglieder Orion abschalten. Doch vorher zeigt er ihnen noch, was sich über der undurchdringlichen Wolkendecke der Erde befindet: Die Sterne. Dadurch ist die Neugier des Stammes geweckt und während der Stamm nur das Überleben im Sinn hatte, gibt es nun Pläne, die Sterne zu entdecken. Orion hat dem Stamm Hoffnung geschenkt.

Bereits auf wenigen Seiten gelingt es Heller ihre Leser in eine post-apokalyptische Version der Erde zu entführen, in der die Menschheit verschwunden ist und stattdessen nomadische Stämme intelligenter Echsen über die Erde ziehen. Durch Minks Rolle als eine Art religiöse Dienerin, die für den Stamm Gefahren bannen soll, wird eine stimmungsvolle Atmosphäre aufgebaut. Trotz ihrer eigenartigen Denkweisen, kann man sich rasch mit Mink und ihrem Wunsch, möglichst wenige Stammesmitglieder dem Tod zu überlassen, identifizieren. Vielleicht hätte Mink hier etwas fremdartiger dargestellt werden sollen. Doch das tut der Atmosphäre keinen Abbruch. Schnell denkt man sich in die Gefahren, denen die Echsen gegenüberstehen hinein und versucht nachzuvollziehen, woher die große Angst vor menschlichen Computern wohl herrührt. Angesichts der kleinen, domestizierten und aus 3D-Druckern gewachsenen Robotern, die der Stamm verwendet, kann man sich aber auch gut vorstellen, dass die Menschheit noch viel gefährlichere Gegenstände hinterlassen hat. Dieser Auftakt mit den Schwierigkeiten des Stammes zu überleben, der mysteriöse „Geister“-Gefahr und Minks Empathie ist sehr gelungen und lässt den Leser bis zum Schluss mit der Erzählung mitfiebern.

Die Erzählung verhandelt dabei zwei Themen. Mink hat eine Vorahnung, dass Orion keineswegs ein böser Geist ist. Doch ihr Stamm ist durch die Rituale der Echsen und ihre Mythen davon überzeugt, dass jede Veränderung eine Gefahr ist und Geister nur zu bösen Dingen raten. Außerdem wird es als nackte Notwendigkeit angesehen, alte und kranke Menschen ihrem Tod zu überlassen. Mink eckt daher an, als sie beides in Frage stellt. Durch ihr Verhalten wird sie von ihrem eigenen Stamm lange wie eine Verbrecherin behandelt. Erst die Gefahr von außen, die Aussicht, dass der Stamm komplett von Spinnen ausgelöscht wird, lässt die Stammesältesten auf Mink hören. Das ist eine spannende Parallele zu den seltenen Momenten, in denen Mächtige in allen Zeiten offen für neue Ideen sind.

Zentral ist aber vor allem die Frage, wofür es sich zu leben lohnt. Der Stamm hat einzig und allein das Überleben im Sinn, eine andere Perspektive gibt es gar nicht. Durch Orion erlangen die Echsen eine andere Perspektive, die Sterne, etwas Größeres als sie selbst. Umgehend steht der Traum im Raum, zu den Sternen zu reisen. Orions Freundlichkeit, sein Optimismus, sind die gesamte Erzählung hindurch ein berührendes Gegenstück zu der grauen Realität des Echsenstammes. Daher ist es genau so bewegend, dass die Sterne den Stamm zum Umdenken bewegen. Das Ende regt daher auf zwei Arten zum Nachdenken an. Zunächst denkt man darüber nach, wie wichtig eine kollektive Hoffnung bzw. ein kollektives Ziel wie zum Beispiel die Reise zu den Sternen für eine Gesellschaft ist. Hier haucht sie dem Stamm Minks neue Energie und erstmalig so etwas wie Lebensfreude ein. Andererseits kennt man diesen Traum und diese Hoffnung zu den Sternen zu reisen von menschlichen Gesellschaften nur zu gut. Und diese Gesellschaft hat sich in „When We Were Starless“ wohl selbst zugrunde gerichtet. Fortschritt kann Hoffnung geben, Planetarien und Orion erschaffen, aber er birgt auch Risiken. Durch diese Gedanken lässt diese temporeiche, bilderstarke und einfühlsame Erzählung den Leser auf sehr überzeugende Art nachdenklich und bewegt zurück.

Die Erzählung „When We Were Starless“ von Simone Heller ist 2018 im „Clarkesworld“-Magazine erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Novelette“ nominiert.

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