The Thing About Ghost Stories (von Naomi Kritzer)

Die Erzählerin schreibt ihre Doktorarbeit in folkloristischen Studien zum Thema Geistergeschichten. Dafür reist sie durch das Land und befragt Menschen zu unterschiedlichen Begegnungen mit Geistern. Während ihrer Arbeit erkrankt ihre Mutter an Demenz und verstirbt. Kurz nach dem Tod beginnen die ersten ihrer Interviewpartner, diejenigen, die sich für ein Medium halten, einen Geist neben ihr zu sehen. Tatsächlich hat ihre Mutter in ihrer Demenz einen wertvollen Ring verloren, was sie bis zu ihrem Tod sehr beschäftigt hat. Die Doktorandin zweifelt zunächst an der Existenz des Geistes. Erst als sie sich auf ihn einlässt, gelingt es ihr den Ring zu finden und damit ihrer Mutter und sich selbst Frieden zu verschaffen.

Die Geschichte ist auf den ersten Blick simpel gestrickt. Eine Forscherin gibt Einblicke in verschiedene Begegnungen mit Menschen, die mit Geistern in Kontakt waren. Sie selbst glaubt nicht wirklich an den Einfluss von Geistern, vermutet, das damit etwas anderes verarbeitet wird. Während ihrer Forschung wird ihre Mutter nicht nur schwer krank, sondern auch zu einer physischen und emotionalen Belastung. Die Demenz führt zu emotionalen Wunden, die erst durch die Auseinandersetzung mit dem Geist geschlossen werden können. Dabei erscheint die Auflösung – der Ring wird gefunden und Mutter und Tochter finden ihren Frieden – zunächst etwas zu einfach.

Die kurze Erzählung lebt aber in erster Linie von ihrem Ton. Die Forscherin hat ein sehr enges Verhältnis zu ihren Interviewpartnern, die schließlich häufig für verrückt gehalten werden. Viele Menschen haben daher das große Bedürfnis, sie von „ihren“ jeweiligen Geistern zu überzeugen. Im Laufe ihrer Arbeit wird die Folkloristin aber auch dazu gezwungen, ihre eigene Einstellung zu ihrem Forschungsobjekt zu hinterfragen. Zunächst geht sie dies mit kritischer Distanz an. Doch als mehr und mehr Medien auf den Geist ihrer toten Mutter hinweisen, fangen die Zweifel an. In sachlichem und doch verletztem Ton schildert die Forscherin die Krankheit ihrer Mutter. Dabei wird der Schmerz einer Demenzerkrankung für die Betroffenen weitgehend ausgeblendet und stattdessen ganz der Schmerz der Zurückbleibenden beschrieben. Das ist in Verbindung mit den Menschen, die ebenfalls Geister gesehen haben, sehr berührend.

Am Ende gibt es für die Forscherin tatsächlich einen Geist, der ihr den Ring zurück bringt. Oder war der Ring doch eigentlich immer da und nur durch die Verletzungen verschwunden? Existieren Geister nun oder sind sie Brücken unseres Gehirn, um Schmerz oder den Verlust geliebter Menschen zu verarbeiten? Dank ihres ruhigen und bewegenden Tons regt die Geschichte am Ende auch zum Nachdenken über Verlust und vor allem der Verarbeitung desselben nach. Das ist stimmungsvoll und sehr überzeugend.

Die Erzählung „The Thing About Ghost Stories“ von Naomi Kritzer ist 2018 im „Uncanny“-Magazin erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Novelette“ nominiert.

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