Binti: The Night Masquerade (von Nnedi Okorafor)

Binti ist eine interstellare Studentin, aber für die Ferien und um ein Trauma zu bewältigen besucht sie ihre Familie in einem Dorf der Humba. Ihr bester Freund Okwu, ein Meduse, begleitet sie dabei. Ihre Familie versteht nicht, warum sie eine interstellare Karriere ihrer Rolle als Frau und Gattin daheim vorgezogen hat. Doch auch der benachbarte Stamm der Koush versteht Binti nicht: Die Meduse sind nämlich die ärgsten Feinde der Koush. Als Binti die Enyi Zinariya, den Stamm ihres Vaters, allein besucht, nutzen die Koush die Chance und greifen Bintis Familie in ihrem Heim an, um Okwu zu töten. Während Okwu entkommt, verbrennt Bintis Familie in ihrem Haus – denn die Humbar ziehen sich bei Gefahr nach innen zurück, anstatt zu fliehen. Binti muss den Schmerz über den Verlust ihrer Familie überwinden, mit den Veränderungen ihres Körpers zurecht kommen und gleichzeitig ihrer Rolle als „Master Harmonizer“ gerecht werden und einen Frieden zwischen den Meduse und den Koush schließen.

„The Night Masquerade“ ist nur sehr schwer ohne die Lektüre der beiden Vorgänger Novellen „Binti“ und „Binti: Home“ zu verstehen. Die oben angeführte Zusammenfassung basiert auf den Klappen- und Wikipediatexten der beiden Vorläufer. Doch auch wenn man den Hintergrund ein wenig kennt, überwiegen die Unwahrscheinlichkeiten in dieser Novelle. Es erscheint paradox, dass Binti kurz nach dem Verlust ihrer gesamten Familie in der Lage dazu ist, einen Frieden zu verhandeln. Auf der anderen Seite ist die ständige Betonung, dass Binti in irgendeiner Art Harmonie erreichen oder erzwingen kann, merkwürdig. Denn Binti ist in den meisten Situationen verärgert, reagiert impulsiv. Es ist durchaus möglich, dass auch aus aufgeregten Situationen Harmonie entstehen kann. Das müsste aber in der Handlung irgendwie erklärt werden. Dies geschieht hier nicht.

Binti trägt mehre Identitäten mjt sich. Sie ist zu einem Teil wegen einer Verbindung mit Okwu Meduse. Außerdem stammt sie dank ihres Vaters von den Enyi Zinariya ab. Die Humba wiederum sind sehr traditionell, es gibt gerade für Frauen fest vorgeschriebene Rollen. Das läuft nicht zwangsläufig auf eine Unterdrückung hinaus. Binti hätte in ihrem Humba-Dorf eine angesehene Ingenieurin sein sollen. Doch individuelle Freiheiten sieht die Humba-Gesellschaft nicht vor. Der interessanteste und berührendste Aspekt der Novelle ist Bintis Beziehung zu einem alten Kindheitsfreund, der ihre Entscheidung, zu den Sternen zu fahren, ablehnt. Hier zeigt sich wie eine traditionelle Gesellschaft inkrementelle, über Generationen hinweg etwas lernen kann. Das geschieht quälend langsam, bringt aber kleine Fortschritte. Wie Binti durch ihre Aktionen erst eine Männervereinigung aufbricht und dann den designierten Nachfolger auf ihre Seite zieht, ist sehr bewegend zu lesen.

„The Night Masquerade“ fügt Bintis Identitäten eine dritte hinzu. Die jungen Frau ist eines der ersten Opfer des Krieges zwischen den Meduse und den Koush. Kurz darauf wird sie jedoch von einem organischen Schiff wiederbelebt und ist nun zum Teil ebenfalls ein Schiff. Das ist eine interessante Idee, was auch daran abzulesen ist, das intelligente Schiffe in jüngster Zeit häufig thematisiert werden. Allerdings wird dieser Aspekt hier sehr oberflächlich und knapp geschildert. Das letzte Drittel der Novelle wird von dieser Wiedergeburt dominiert und zerfasert etwas: Binti lernt mit ihrer neuen Identität umzugehen und Optimismus für die Zukunft zu schöpfen. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung, was es bedeutet zu einem Teil ein Raumschiff zu sein, bleibt aber leider aus.

Alles in allem beinhaltet „The Night Masquerade“ viele Ereignisse, die sich jedoch nicht wirklich zu einer Novelle zusammenfügen. Die Handlung wirkt überfrachtet. Die interessanten Aspekte, wie Bintis Verhandlungsfähigkeiten oder aber ihre Wiedergeburt, wirken daher oberflächlich. Das hinterlässt zwar einige stimmungsvolle Bilder, insgesamt aber einen eher enttäuschenden Eindruck.

Die Novelle „Binti: The Night Masquerade“ ist im tor-Verlag erschienen und für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Beste Novelle“ nominiert.

Update: Ich habe „Binti: The Night Masquerade“ als erste der drei Novellen gelesen, da ich alle drei Novellen nicht rechtzeitig vor der Hugo-Abstimmung geschafft hätte. Der Abschluss der Trilogie hat immerhin das Interesse an den beiden Vorgängern geweckt, die ich mittlerweile ebenfalls rezensiert habe. Auch im Vergleich zu „Binti“ und „Binti: Home“ wirkt „The Night Masquerade“ schwache. Während „Binti noch im Detail thematisierte wie Binti aus einer ausweglosen Situation Frieden krierte und „Home“ ihre Identitätsverwirrungen behandelte, wirkt „The Night Masquerade“ zu hektisch für die Serie und letztlich vager als die gelungeneren Vorgänger.

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