Binti: Home (von Nnedi Okorafor)

In der ersten Novelle dieser Serie entschied sich Binti, die erste Studentin des Himba-Stammes ander prestigeträchtigen Oomza Universität zu werden. Um dorthin zu gelangen musste sie nicht nur ihre Familie, die diesen Werdegang ablehnt, sondern auch die Erde verlassen. Auf dem Weg zu der Universität wurde ihr Raumschiff von den Meduse angegriffen und alle Passaigere ermordet. Nur aufgrund ihrer mathematischen Fähigkeiten gelang es Binti, mit den Meduse zu kommunizieren und einen brüchigen Frieden zu verhandeln. Dafür musste sie sich jedoch den Meduse anpassen und so enthält ihr Haar nun Gene der Meduse.

Die Fortsetzung „Home“ setzt ein Jahr nach diesen dramatischen Ereignissen an. Binti hat ihr erstes Studienjahr gut abgeschlossen. Privat aber plagen sie gleichzeitig post-traumatische Ängste sowie ein geradezu unbändiger Ärger. Beides verhindert, dass sie mit anderen Studenten persönliche Beziehungen aufbauen kann. Einzig ihr ehemaliger Feind und jetziger bester Freund, der Meduse Okwu, steht ihr zur Seite. Um ihre Gefühle wieder in Einklang zu bringen, entscheidet sich Binti, zur Erde zurückzukehren, um sich mit ihrer Familie zu versöhnen. Okwu begleitet sie dabei. Auf der Erde angekommen mekrt Binti jedoch, dass die von ihr verursachten Verletzungen deutlich größer sind als sie erwartet hat. Außerdem wird Okwu von den Erzfeinden der Meduse, dem Housa-Stamm, alles andere als freundlich willkommen geheißen.

„Binti: Home“ ist eine berührende Verarbeitung des Traumas, das sich Binti auf ihrer Reise zur Oomza Universität zugezogen hat. Die junge Studentin musste erleben, wie eine ganze Raumschiffbesatzung voller junger Menschen sowie einiger Anleiter vor ihren Augen massakriert wurde. War es im ersten Teil noch unverständlich, wie Binti ihre Emotionen angesichts dieser Taten so rasch zur Seite legen konnte, so brechen diese Gedanken hier an vielen Stellen durch. Binti muss sich immer wieder Angstattacken stellen. Dabei mischen sich verschiedene Gefühle: Binti fühlt sich missverstanden, weiß aber auch nicht wie sie mit den durch die Friedensverhandlungen entstandenen Veränderungen umgehen soll und empfindet daher nicht nur Angst vor den Schrecken der Galaxis, sondern auch Ärger. Diese Mischung ist subtil, aber eindringlich beschrieben und trägt die Geschichte.

Ähnlich gelungen ist das Verhältnis zwischen Binti und ihrer Familie. Angesichts der Schrecken, die sie erlebt, wünscht sich Binti in die Vertrautheit der Heimat zurück. Ihre Familie tritt ihr jedoch ausgesprochen reserviert gegenüber. Das hat verschiedene Gründe. Auf der einen Seite scheint der Himba-Stamm ausgesprochen patriarchalisch und kollektiv organisiert zu sein. Dass ein Individuum seinen eigenen Wünschen nachgeht und im Zuge dessen die Rolle, die ihm die Gesellschaft zugewiesen hat, abweist, ist ein großer Affront. Dass Binti zudem eine Frau ist, macht die Situation nicht besser. Insofern trifft Binti, die die Entscheidung zu studieren nie bereut hat, vor allem auf Unverständnis, im schlimmsten Fall gar auf absolute Ablehnung. Dabei wird deutlich, dass Binti sich mit ihrer Entscheidung, ihren Träumen zu folgen, sozial selbst entwurzelt hat. Das daraus entstehende Unverständnis darüber, dass die Menschen, die sie ihr Leben lang liebte, sie für eine sich richtig fühlende Entscheidung ablehnen, hilft nicht gerade gegen den Ärger.

Zuletzt ist auch die „Lektion“, die Binti in „Home“ lernt, sehr überzeugend dargestellt. Binti kannte bisher nur den Himba-Stamm als ihre Heimat. Nachdem sie in mystisches Wesen (die „Night Masquerade“) sieht, eine Erscheinung, die eigentlich nur Männern vorbehalten ist, wird sie von dem Stamm der „Wüstenmenschen“ aufgefordert, ihnen zu folgen. Hier erfährt sie, dass ihr Vater selbst aus dem matriarchisch organisierten Stamm der Wüstenmenschen kommt, der eigentlich den Namen Enyi Zinariya trägt. Binti lernt hier, Vielfalt zu akzeptieren, eine Botschaft, die angesichts der Himba, Enyi Zinariya und Meduse Elemente in Bintis Körper und Umwelt sehr stark ist.

Während „Binti: Home“ sehr gut darin ist, die post-traumatischen und Zugehörigkeitsgefühle zu thematisieren, fällt die eigentliche Handlung etwas ab. Der Ausflug in die Wüste ist phantastisch, die Stimmung im Himba-Stamm beklemmend dargestellt. Doch letztlich kumuliert die Novelle in einem Cliffhanger, indem sowohl Okwu als auch Bintis Familie in Lebensgefahr schweben. Leider steht das in keiner Verbindung zu Bintis Selbstfindung, sondern ist ein komplett externes, von dem Nachbarstamm der Housa ausgelöstes Ereignis. Das ist schade, denn auch „Binti: Home“ hätte es verdient, dass Bintis Erfahrungen über sich selbst der Kern der Handlung sind. So bleibt „Binti: Home“ eine Durchgangserzählung, die lediglich den Boden bereitet für den Abschluss der Trilogie. Angesichts der überzeugend und bewegend geschilderten Verarbeitung starker Emotionen in dieser Novelle, lässt die fehlende Einbindung dieses Selbsterkennungsprozesses Bintis in das Handlungsende ein etwas enttäuschendes Gefühl zurück.

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