The Tea Master and the Detective (von Aliette de Bodard)

Die „A Shadow’s Child“ ist ein mächtiges, fortschrittliches Schiff. Es ist auch ein schwer traumatisiertes Schiff. Auf einer Mission in einer gefährlichen Gegend des tiefen Weltraums geriet ihr Schiff in eine Notlage, ein Großteil der Besatzung verstarb. Daher verlegt sich das Schiff nun in erster Linie darauf, medizinische Produkte für Weltraumreisende herzustellen. Damit verdient es jedoch ausgesprochen wenig und steht kurz davor, die eigene Landebucht nicht mehr halten zu können. In diesem Moment tritt Long Chau in ihr Leben. Die mysteriöse Detektivin untersucht einen Mordfall – der mit den tiefen Regionen des Weltraums zu tun hat. „A Shadow’s Child“ schrickt vor der Mission zurück, da sie das Geld benötigt, willigt sie jedoch letztlich ein. Tatsächlich entdeckt Long Chau an der angegebenen Stelle eine Leiche. Die Untersuchung des Falls bringt die Detektivin und das Mindship auf die Spur einer Gruppe, die regelmäßig Menschenleben im Weltraum riskiert.

Der Detektiv und sein Helfer, Sherlock und sein Watson, diese Kombination erzählt „The Tea Master and the Detective“ in neuer Komposition. Der Detektiv ist hier eine kühl agierende und mit Informationen sowohl über ihre Herkunft als auch über ihre Schlussfolgerungen sehr zurückhaltende Frau. Als Assistent fungiert das Raumschiff „A Shadow’s Child“, aus dessen Perspektive der Fall erzählt wird. Die Perspektive des Schiffes ist kühl und abgeklärt und gleichzeitig ausgesprochen emotional. Während die meisten Probleme, wie z.B. der drohende Existenzverlust rational betrachtet und angegangen werden, hat das Schiff geradezu panische Angst vor den Tiefen des Weltraums, die es zu unterdrücken versucht. Diese Erzählperspektive ist ausgesprochen interessant, wähnt man sich doch tatsächlich bei der Beobachtung einer komplexen künstlichen Intelligenz beim Nachdenken.

Der Fall breitet sich vor einer gleichzeitig pragmatischen wie spektakulären Kulisse aus. Bodard gelingt es mit Leichtigkeit ein realistisches Bild einer Wirtschaft zu zeichnen, in der sogar künstliche Intelligenzen ihr eigenes Geld verdienen dürfen bzw. müssen. Dabei gibt es in dieser von asiatischen Kulturen inspirierten Zukunftsversion verschiedene miteinander wettstreitende Fraktionen, wirtschaftliche Interessen und vor allem viele Rätsel. Das erste ist die Herkunft von Long Chau selbst, die mit einer mächtigen Familie in Verbindung zu stehen scheint. Gleichzeitig haben aber auch die künstlichen Intelligenzen auf den verschiedenen Schiffen selbst durchaus eine eigene Agenda. Und zuletzt geht es ja darum, wer eigentlich junge Menschen und vor allem Frauen in den Tiefen des Weltraums in Gefahr bringt. Das ist gleichzeitig unaufgeregt und ausgesprochen spannend. Die knappe Novelle liest sich dadurch wie ein sehr langer Roman in einem detailliert ausgearbeiteten Universum. (Was allerdings auch daran liegen mag, dass „The Tea Master and the Detective“ bereits die dritte Novelle in diesem Universum ist und in der Reihe von mehr als zwei Dutzend Kurzgeschichten steht.)

Geradezu nebenbei werden dabei große Themen verhandelt. Die Opfer sind allesamt in die wirtschaftliche und emotionale Abhängigkeit einer Sekte geraten. Die Ursache dafür, Einsamkeit und Verlorenheit, können sowohl Chau als auch „A Shadow’s Child“ aufgrund ihrer Lebensgeschichte sehr gut nachvollziehen, was den Fall zu einer persönlichen Angelegenheit macht. Und während Geldsorgen und Isolation das Leben des erzählenden Raumschiffs bestimmen, dreht sich die Novelle letztlich auch darum, dass Freundschaft in den merkwürdigsten Kombinationen auftritt. Auf diese Weise kann sich ein neugieriges Raumschiff mit einer zurückhaltenden Detektivin genau so anfreunden wie mit der Maklerin ihres Vermieters. Diese subtile Verbindung aus Spannung, der interessanten Erkundung der Gefühle der „Shadow’s Childs“ sowie der Herkunft Chaus zusammen mit der Botschaft, dass Leidenschaft auch in der kühlsten allen Welten für Veränderungen sorgen kann, machen „The Tea Master and the Detective“ zu einem sehr überzeugenden Weltraumkrimi.

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