Heliosphere 2265 – Gedanken zum 3. Zyklus

helios36Mit der Doppelfolge „Ash’Gul’Kon – Der letzte Blick zurück“ ging vor zwei Wochen der dritte „Heliosphere 2265“-Zyklus zu Ende. Der Zyklus startete mit der anwachsenden Bedrohung einer Invasion der aus einer anderen Dimension befreiten Ash’Gul’Kon, schwenkte rasch aber auf eine zunächst innenpolitische Krise der Solaren Republik um und endete mit einem „Einfrieren der Zeit“ im wahrsten Sinne des Wortes: Die Allianz um die Republik hat sich Zeit gekauft, indem sie die Zeit in ihren Systemen von der Zeit im Rest der Galaxie abgekoppelt und vor allem deutlich verlangsamt hat. Wie bereits zum zweiten Zyklus gibt es nun einen kleinen Rückblick auf den dritten Zyklus.

Faszinierender Start, ungenutzte Chancen

Der dritte Zyklus startet mit großen Vorschusslorbeeren: Das Finale des zweiten Zyklus überzeugte auf fast allen Ebenen und verknüpfte gekonnt die vielen Handlungsstränge dieses teilweise etwas verwirrenden Zyklus. Suchanek gelingt es, dieses Niveau in den ersten Romanen des dritten Zyklus zu halten. Gegen die Ash’Gul’Kon kann die Rebellenrepublik alleine nicht bestehen. Daher streckt sie ihre Fühler zu möglichen Verbündeten aus, verhandelt zum Beispiel mit den Parliden. Nicht nur das ist sehr überzeugend dargestellt, im Tikara-System wird Captain Cross persönlich Zeuge der Grausamkeiten, die die Ash’Gul’Kon Menschen zufügen, indem sie sie zu Brutkörpern reduzieren. Anschließend erlebt er hautnah die Vernichtung des Reiches der Zukunftsrebellen mit. All das ist sehr eindringlich dargestellt und überzeugt.

In diesen Romanen gelingt es Suchanek, die Stärken seines Universums auszuspielen. Hinter der großen Handlung, die immer auf ein schlichtes Gut gegen Böse reduziert wird, lauern viele Schatten und Emotionen. Sowohl die Parliden als auch die Zukunftsrebellen werden auf einmal differenziert und dadurch glaubwürdig dargestellt. Die Bedrohung durch die Ash’Gul’Kon wirkt dadurch viel stärker als durch simple Globalhandlungen, in die der Zyklus leider immer wieder zurückzufallen droht.

Tatsächlich dreht die Handlung zur Zyklushälfte.  Ab hier ignoriert Suchanek konsequent die Chancen seines Universums und verzettelt sich einmal mehr in einer politischen Handlung innerhalb der Republik und „lagert“ Cross zudem im Imperium aus. Obwohl mir politische Handlungen in der Regel gefallen, ist die hier präsentierte Verschwörung von Alexis Cross (Jayden Crosss Mutter) überaus simpel gehalten, ständig vorhersehbar und unsäglich langweilig. Natürlich gibt es auch hier Lichtblicke: Suchanek gelingt eine clevere Nebenhandlung um einen findigen Außenminister, in der vor allem seine verschiedenen Völker clever charakterisiert sind. Gleichzeitig wiederholen sich in der zweiten Zyklushälfte mehrere Elemente des zweiten Zyklus, fast alle Handlungen sind vorhersehbar. Insgesamt wirkt die komplette zweite Hälfte wie ein einziger, langer Füllroman.

Füllromane um einen Füllroman zu verhindern?

Das erscheint ironisch, denn Suchanek betont in jedem Zyklus, dass er ein wasserdichtes System hat, um Füllromane zu verhindern. Die zwölf Teile seiner Zyklen unterteilt er nach dem Prinzip 3 – 6 – 9. Das bedeutet, dass nach jedem Handlungsdrittel ein starker Cliffhanger zu stehen hat. Dieses Prinzip wurde in den ersten beiden Zyklen angewandt, funktioniert dort ordentlich und wiederholt sich daher auch im dritten Zyklus. Hier geht der Plan jedoch nicht auf.

Denn die Überraschungskraft hat sich abgenutzt, die „große“ Veränderung zur Zyklusmitte (Alexis Cross‘ Übernahmeversuch) zündet nicht und besteht zudem ausschließlich aus bekannten Elementen. Die Handlung wird dadurch nicht etwas voran getrieben, sondern eher verlangsamt. Denn während den Leser der Kampf gegen die Ash’Gul’Kon interessiert, wird die Republik erst einmal für den Rest des Zyklus gelähmt. Das hätte man mit einem Handlungsstrang verknüpfen müssen, der dem Leser permanent deutlich macht, wie viele Menschenleben diese verlorene Zeit kostet. Aber Suchanek belässt es vor dem Finale bei einem kurzen Geplänkel mit einem Ash’Gul’Kon-Kriegsschiff. Die Dramatik der Handlung wird dadurch zu keinem einzigen Zeitpunkt deutlich. Wie erwähnt, erscheint die zweite Hälfte stattdessen wie ein einziger langer Füllroman – nur um einen Füllroman zu verhindern.

Hier wären lustigerweise Füllromane viel besser gewesen. Suchanek hätte den Zyklus auch dadurch voll bekommen, dass er Cross und die Besatzung der Hyperion mehrere von Ash’Gul’Kon-Angriffen betroffene Planeten besuchen können, im Idealfall, um dort Allianzen zu schmieden. Die Invasion hätte auch der Beginn erster Bruchstellen im Imperium darstellen können. Auf diese Weise hätte Suchanek den Lesern die Kernwelten der Menschheit nahe bringen können. Im Zyklusfinale vernichtet er eine Reihe dieser Kernwelten. Da man von ihnen jedoch nie etwas gehört hat, bleibt die Bedrohung abstrakt. Füllromane, sähe man sie anders als die Nachworte der Serie nicht so negativ, hätten dies zu einer echten Katastrophe werden lassen können.

Das dumme Böse

Ein negatives Element des vorherigen Zyklus wiederholt sich auch in diesem: Die Gegenspieler funktionieren nicht. Imperator Sjöberg wirkte bereits im vorherigen Zyklus wie eine Witzfigur. Das ändert sich nicht: Weiterhin kann man sich nicht vorstellen, dass Sjöberg selbst mit den Killchips die Kontrolle über sein Imperium behalten kann. Dafür verhält er sich viel zu einfältig und unberechenbar. Traurigerweise wiederholt Suchanek dieses Muster mit der Stimme der Ash’Gul’Kon. Auch diese eigentlich überzeugende Gegenspielerin wirkt am Ende des Zyklus wie eine hasserfüllte, selbstsüchtige Lachfigur.

Zwei Gründe könnte es für die schlechten Antagonisten in der Serie geben. Auf der einen Seite kennt Heliosphere 2265 bisher kaum Schattierungen. Gegenspieler sind einfach Böse, es gibt nichts gutes in Björn Sjöberg, Alexis Cross oder der Stimme. Daher können sie auch nicht von einer anderen Sache überzeugt werden, sie müssen vernichtet werden. Es geht anders, in diesem Zyklus werden die Parliden in dem Moment überzeugend, als sich sich zu Freunden mausern und einige Schattierungen erhalten. Genau so verhielt es sich im vorherigen Zyklus mit den angeblich so grausamen Eriin-Piraten. Auch die Zukunftsrebellen, die eine wohlmeinende Diktatur errichtet haben, wandelten sich von platten und bösen Schablonen zu mitfühlenden Charakteren, die mit falschen Methoden das Richtige erreichen wollten.  Suchanek kann differenzierte Charaktere und Völker beschreiben, er müsste sich „nur“ von der schlichten Gut-Böse-Handlung der Serie lösen. Wenn man den simplen Überbau in Heliosphere 2265 nicht ändern möchte, ist es auf der anderen Seite extrem schwierig, überzeugende Böse Charaktere in die Handlung einzubauen. Denn sowohl Sjöberg als auch die Stimme müssen permanent verlieren ohne dabei geschlagen zu werden. Die extremen Einstellungen der Stimme und Sjöbergs wirken im Verbund mit ihrem riesigen Ego am Ende nur noch wie bemitleidenswerte Hybris. Heliosphere 2265 benötigt entweder eine Abkehr von der Schwarz-Weiß-Handlung oder aber weniger extreme Gegenspieler, damit die Bösewichte endlich überzeugend werden.

Scale it down, to make it big

Letztlich kann auch das Zyklusfinale nicht wirklich überzeugen. Die vielen Füllhandlungen haben keine Grundlage für ein vernünftiges Zusammenführen verschiedener Handlungsstränge gegeben. Am Ende bleibt den Protagonisten nichts anderes übrig als die Zeit einfrieren zu lassen – ein schlichtes Ende. „Heliosphere 2265“ startet diesmal also nicht mit einem Knall in einen neuen Zyklus.

Das Nachwort kündigt für den vierten Zyklus eine andere Erzählstruktur an. Das ist vielversprechend, war das starre Festhalten an der 3-6-9-Taktik doch eine der größten Schwächen des dritten Zyklus. Außerdem wird die Handlung nun erst einmal zweitgeteilt: Die Hyperion unter Captain Crosss Führung verabschiedet sich erst einmal in das Territorium der Ash’Gul’Kon um Tess Kensington zu befreien. Auch dies bietet wieder die Möglichkeit, solidere und damit auch eindringlichere Abenteuer zu erzählen. Mit etwas Glück wird auch die Handlung in der Solaren Republik nicht mehr von globalen Machtkämpfen bestimmt sein, sondern von nahbaren Abenteuern.

„Heliosphere 2265“ bietet unendlich viele Möglichkeiten für gute Geschichten. Die erste Hälfte des dritten Zyklus zeigte auf, auf wie viele verschiedenen Arten der Leser mit der Serie unterhalten werden kann. Für den vierten Zyklus bleibt zu hoffen, dass die große Politik vermehrt im Hintergrund gemacht wird, von unnötigen Republik-Handlungen ein großer Abstand genommen wird und Cross wieder ein Frontkämpfer wird. Dies böte die Gelegenheit für unmittelbare Abenteuer auf den verschiedenen Welten und in den verschiedenen Reichen der Serie, die die Möglichkeiten des Universums auch ausschöpfen. Dieses Absenken und Verkleinern der Handlungsebene, könnte die Faszination der Serie deutlich größer machen.

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