Crasher (von Tom Hillenbrand)

Im Jahr 2088 im selben Universum wie Hillenbrands „Hologrammatica“ – Roman sind alle Autos selbstfahrend. Es ist unter strengen Strafen verboten, Menschen im Straßenverkehr hinter das Steuer zu setzen. Die Regierung überwacht beinahe alles und so lassen sich die meisten Menschen komfortabel durch die Gegend fahren. Für Coupe de Ville ist dies ein Albtraum. Er sehnt sich nach der Zeit zurück, als Menschen noch nicht in Rollstühlen – wie er die neuen Autos empfindet – entmündigt wurden. Als er von illegalen Rennen in Amerika hört, setzt er alles daran dem sagenhaften Club der „Crasher“ beizutreten, einer Gruppe Menschen die vermehrt Risiken eingeht. Seine erste Spritzfahrt mit einem antiquierten Auto gerät jedoch außer Kontrolle: Vom Alkohol umnebelt baut Coupe einen Unfall, tötet seinen Beifahrer und flieht letztlich mit seiner Beifahrerin durch die weiten der USA mit der vagen Hoffnung in einem anderen Land vor der Strafverfolgung sicher zu sein.

Crasher ist eine unterhaltsame, aber kurze Geschichte über einen gleichzeitig freiwilligen und unfreiwilligen Roadtrip. Coupe sehnt sich nach der Freiheit, selbst zu fahren. Er ist bereit, fast alle Pfeiler seines Lebens aufzugeben, um einmal selbst darüber zu entscheiden, wie er sich mit hohen Geschwindigkeiten selbst bewegt. Der Wind des „Freie Fahrt für freie Bürger“-Slogans weht durch die gesamte Novelle. Das Anliegen der nostalgischen Schrauber-Gruppe ist dennoch irgendwie sympathisch. Sie wehren sich gegen die ständige, überwachende Bevormundung durch den Staat. Gleichzeitig weiß man, dass das System auch hunderte an Verkehrsopfern vermeidet und somit Leben rettet. Dieser Widerspruch gleichzeitiger Sympathie bei rationaler Abneigung für die Untergrundgruppe sorgt für eine interessante Grundstimmung in der Erzählung.

Coupes Trip geht rasant schief. Da er es nicht gewohnt ist, alkoholisiert zu fahren, baut er rasch einen Unfall. Der Rest der Novelle ist eine rasante Verfolgungsjagd, die sich Coupe mit der Polizei liefert. Die Strafen für das Autofahren sind drakonisch, eine Flucht muss unbedingt erreicht werden. Coupe hat seine recht bidere bürgerliche Existenz damit endgültig abgestreift und blüht auf. Sein sonst recht langweiliges Leben ersetzt er in seinen Träumen schon durch die permanente Spannung eines Gesetzlosen. Und hier blüht auch die Novelle auf. Das Tempo ist hoch, die Spannung immer gegeben. Und wieder weiß man nicht, mit wem man hier eigentlich wirklich mitfiebern sollte. Die Handlung ist deutlich weniger komplex als in den ausgezeichneten Thrillern „Drohnenland“ und „Hologrammatica„. Dafür sind die Beweggründe der Protagonisten klar, die Verfolgungsjagd bewegend und der Schluss gelungen. Denn Coupe gelingt es durch einen großen Zufall, sich dem Zugriff der Polizisten zu entziehen. Dabei merkt er in Windeseile welchen Wert auch seine bürgerliche Existenz für ihn hatte. Diese abrupte Abkehr von seinem ebenfalls abrupt entwickelten Traum markiert den Ende eines kurzen Ausbruchs aus einer überregulierten Welt. Dieser Ausflug ist lesenswert, mitreißend und in dem ambivalenten Kontinuum zwischen Sicherheit und Freiheit sehr überzeugend.

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