Agenten, Kopfgeldjäger und Attentäter (Perry Rhodan 3013-16)

Perry Rhodan hat die Milchstraße gerettet. Dabei wurden er und seine Besatzung jedoch 500 Jahre in die Zukunft katapultiert. Dort müssen sie feststellen, dass die Erde nicht nur verschwunden ist, sondern von der galaktischen Bevölkerung auch vergessen wurde. Stattdessen zwingen die Cairaner alle Bewohner der Milchstraße auf brutale Art, friedlich miteinander zu leben. Nur im Zentrum der Milchstraße regiert Rhodans alter Freund Bull über die Reste der Liga Freier Galaktiker. In den ersten 12 Bänden versuchte Atlan die RAS TSCHUBAI zu reparieren und Rhodan mit einem Beiboot Bull zu treffen. Bis auf einige Einblicke in die brutalen Gefängniswelten der Cairaner haben die beiden Hauptprotagonisten auf den etwa 1.200 Seiten keine nennenswerten weitergehenden Erkenntnisse über die veränderte Milchstraße und die Cairaner zutage gefördert. Doch das könnte sich nun ändern, denn nach einem umständlichen Kontrollprozess trifft Rhodan auf der neutralen Raumstation Gongolis endlich mit Bull zusammen.

Band 3013: Zielpunkt Ephelegon (von Uwe Anton) Es hätte der Höhepunkt der ersten Phase dieses Zyklus werden können und es ist letztlich eine beinahe unverschämte Leerstelle. Rhodan trifft Bull und erfährt tatsächlich gar nichts Neues. Die wenigen Erkenntnisse, die Bull hier mitteilen kann – obwohl er die vergangenen 500 Jahre miterlebt hat! – wurden fast alle bereits im ersten Band des Zyklus angesprochen oder angedeutet. Das ist so wenig, dass sich die Episode gar nicht darum bemüht eine spannende Geschichte zu erzählen. Auf Gongolis gibt es einen weiteren Saboteur, der mutmaßlich für die Cairaner arbeitet. Toll. Im Hintergrund operieren irgendwo die Agenten Odin und Dva, tauchen aber nie auf – das hätte nach der recht soliden Hintergrundgeschichte den Band ja vielleicht retten können. In einem absolute nicht atemberaubenden Cliffhanger hängen sich die beiden am Ende an Bulls Raumschiff. Nennenswert für die Handlung ist ausschließlich wie unglaublich schlecht Perry Rhodan (der hier als Ich-Erzähler auftritt) dargestellt wird. Er begegnet seinem besten und ältestem Freund wieder und ist überrascht wie dieser sich verändert hat. Nach 500 Jahren. Was für eine Überraschung. Und nicht nur das, statt wenigstens mal nach der Befindlichkeit (Wie geht es Dir? oder Wie sehr stehen Du und die Liga unter Druck?) zu fragen, stellt Rhodan ausschließlich Allgemeinplätze in den Raum, hat keine Nachfragen und kann sich daher auch gar kein Urteil über Bull bilden. Oder doch? Als Bull nämlich so schnell wie möglich vor den Cairanern fliehen möchte (er setzt sich mit diesem brutalen Volk nun immerhin schon seit 400 Jahren auseinander), urteilt Rhodan, dass Bull womöglich sein Gerechtigkeitssinn abhanden gekommen sei, da man dadurch ja den Herrscher von Gongolis in Gefahr bringt. Umgehend danach bringt Rhodan eine Gruppe Bürger in einem Supermarkt in Gefahr als er sich ausgerechnet diesen Ort aussucht, um einen Saboteur zu stellen. Da präsentiert sich der wahre Kämpfer für Gerechtigkeit: Sich um die Herrschenden der Stationen sorgen und das einfache Fußvolk ohne Zögern in Gefahr bringen. Und als ob diese Einstellung Rhodans nicht schon überheblich genug ist, wundert er sich im Anschluss hauptsächlich, ob Bull vielleicht Angst hat, neben dem großen, strahlenden Rhodan wieder in der zweiten Reihe zu verschwinden. Scheinheiligkeit paart sich hier also mit Arroganz. Andererseits: Sollte Bull in 400 Jahren so viel über die Cairaner herausgefunden habe wie Rhodan in ein paar Wochen, wäre die Sorge, in der zweiten Reihe zu verschwinden, wahrscheinlich gar nicht so unbegründet. Diese inhaltslose Episode zeigt überdeutlich, dass der „Mythos“-Zyklus an überbordender Handlungsarmut leidet. Bleibt zu hoffen, dass Bull noch etwas mehr zu erzählen hat, vielleicht etwas, das diesem Zyklus so etwas wie Handlung verleiht…

Band 3014: Der Feind in mir (von Michelle Stern) Rhodan und Bull reisen auf der THORA ins Ephelegon-System. Bull hat weiterhin keine neuen Informationen für Rhodan. Stattdessen treiben sich die Kopfgeldjäger Dancer und Schlafner auf dem Schiff rum. Mithilfe modernster Technik können sie sich Besatzungsmitglieder der THORA gefügig machen und als Schläfer gegen die Besatzung einsetzen. Die Kopfgeldjäger glauben, sie sabotieren die THORA im Auftrag der Cairaner nur. Stattdessen sieht der Plan jedoch die absolute Zerstörung vor. Als dies herauskommt, wechseln die beiden Kopfgeldjäger die Seite. Und das ist nun wirklich überhaupt gar keine Überraschung. Denn in Folge 3012 hat der Leser bereits im Detail erfahren, dass die Kopfgeldjäger ebenfalls nur Opfer der Cairaner sind. Tatsächlich fehlt dieser Episode wegen mangelhaftem Eposéaufbau enorm viel Spannung. Der Leser weiß längst mehr über die Kopfgeldjäger als die Protagonisten und muss dennoch erst einmal lange aus Rhodans und Bulls Sicht etwas über Dancer und Schlafner erfahren. Da die beiden Figuren an sich recht interessant sind, wird hier enorm viel Potenzial verspielt. Immerhin sind die emotionalen Reaktionen der übernommenen Besatzungsmitglieder gelungen.

Band 3015: Raptus Terrae (von Leo Lukas) Die Erde ist in diesem Zyklus zu einem Mythos geworden. Nur wenige glauben noch daran, dass sie jemals existiert hat. Wie konnte die Erde so rasch in Vergessenheit geraten? Die Antwort liegt in diesem Roman: Das Verschwinden ist so unspektakulär, dass man nicht einmal eine spannende Geschichte darum herum erzählen kann. In Raptus Terra sind Rhodan und Bull endlich im sicheren Ephelegon-System angekommen. Nun kann Bull erzählen, was in den vergangenen 500 Jahren passiert ist. Doch das Verschwinden der Erde und Bulls Familie (das übrigens reichlich wahllos wirkt), reichen nicht aus, um diesen Band zu erzählen. Stattdessen erlebt der Leser das Verschwinden der Erde auch noch aus der Perspektive eines Flottenkadetten mit. Es ist nicht nur absurd, weil so viel Platz des Romans auf eine Nebenhandlung, die vermutlich nie wieder Relevanz gewinnen wird, vergeudet wird. Hinter diesem Kadetten steht eine skurrile Familiengeschichte, die wohl lustig sein soll, angesichts des Themas der Folge jedoch völlig deplatziert wirkt. Es sagt viel über den Zyklus aus, dass das oberflächliche Liebesleben des Kadetten interessanter ist als der Raub der Erde. Am Ende erfährt der Leser nichts, denn Bull kann eigentlich nichts über die Hintergründe des spektakulären Raubes sagen. In beinahe 500 Jahren hat er auch nichts nennenswertes über die Hintergründe herausgefunden. Immerhin erkennt Perry, warum Bull so verbittert wirkt und beginnt ihm wieder zu vertrauen. Die einzige Hoffnung ist, dass die Handlung nun eine völlig unrealistische Wendung nimmt und Rhodan nachdem 500 Jahre nichts geschehen ist, die Milchstraße auf den Kopf stellt. Das wäre zwar unglaubwürdig, würde dem Zyklus aber immerhin eine Handlung bescheren. Ansonsten unterhält das Heft nicht nur mit der aberwitzigen, weil deplatzierten Liebesgeschichte im Schatten der Apokalypse, sondern auch mit einem putzigen und der Thematik ähnlich fern stehenden Titelbild.

Band 3016: In den Augen des Riesen (von Michael Marcus Thurner) Rhodan überzeugt das Parlament im Ephelegon-System, ihn bei der Suche nach der Erde zu unterstützen. Allein durch sein Auftauchen kommt Bewegung in die politische Landschaft, Perry wird mit wehenden Fahnen los geschickt. Er ist halt ein echter Held. Dennoch möchte er auch andere Helden besuchen und so kommt es zu einem Freundschaftsbesuch bei Icho Tolot in der Festung des Riesen. Das ist alles sympathisch, wenn auch unspektakulär. In einer Nebenhandlung wird ein Privatdetektiv auf eine Industriellenfamilie angesetzt. Der Detektiv weiß selbst nicht, dass er längst von einer anderen Person übernommen wird. Als seine Recherchen ihn ebenfalls in die Festung führen, dreht sein Gehirn durch, er greift die Haluter um Tolot und Rhodan an und wird dabei getötet. Es ist am Ende nicht klar, wer eigentlich das Ziel seines Anschlags war. „In den Augen des Riesen“ ist von den vier Romanen am unterhaltsamsten. Die Folge leidet wie bereits die 3014 darunter, dass Rhodan selbstverständlich überleben wird. Auch wirkt es nicht gerade kreativ, dass zum zweiten Mal in Folge dieselbe Technik für eine Infiltration eingesetzt wird. Doch das Seelenleben des Detektivs, aber auch die kleinen Verluste, die Perry Rhodan erleben muss, sind hier sehr gut dargestellt. Die Handlung, die sonst oft langatmig, unemotional und beliebig wirkt, erscheint hier wie eine lesenswerte, abgeschlossene Geschichte, die in der Lage ist, Emotionen zu wecken. Und in diesem schwachen Viererblock reicht das allemal aus, um die überzeugendste Erzählung des Monats zu werden.

Am Ende des vierten Monats seit Zyklusauftakt ist die endlose Suche nach kleinen Informationsschnipseln immerhin zu Ende. Rhodan hat jetzt ein paar Freunde in dieser Zeit. Allerdings war das eigentlich von Anfang an klar, die ständigen Momente des Misstrauens wirkten hauptsächlich Fehl am Platz. Erzählerisch sind die vier Romane ein Abfall zu dem vorherigen Block: Drei der vier Erzählungen drehen sich darum, dass man einen (oder mehrere) unbekannte Agenten aufdecken muss. Das läuft immer nach dem selben Erzählmuster ab und ist nebenbei mit ein bis zwei Informationsschnipseln gewürzt. Das wirkt repetitiv und langweilig. Andererseits macht Übung bekanntlich den Meister: Die letzte dieser Agenten-Geschichten ist gleichzeitig die Beste.  Ansonsten ist nun immerhin klar, wie das Verschwinden der Erde abgelaufen ist. Und schon beginnt die nächste Suche, da sich Rhodan und seine Begleiter mit der THORA auf den Weg machen, mehr über die Hintergründe zu erfahren. Das ist dann hoffentlich im kommenden Monat mit abwechslungsreicheren Geschichten verknüpft.

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