Der neue Phantomias mit vereinten Kräften (LTB Premium Band 18)

Die Rezension des ersten „neuen Phantomias“ Bandes bietet generelle Informationen zu der Reihe. „Der neue Phantomias – Mit vereinten Kräften“ enthält die Kapitel 35-40 der italienischen Phantomias-Serie sowie zwei einseitige Kurzstrips.

Der nunmehr achte deutsche Sammelband des „neuen Phantomias“ beginnt mit „Untergrund„, dem 35. Kapitel. Phantomias wird auf einen Banküberfall aufmerksam gemacht. Bald stellt sich heraus, dass eine Diebesgruppe in der Entenhausener Unterwelt, sprich der Kanalisation, operiert und zu einer ernsten Bedrohung für die Stadt wird. Das Kapitel lebt durch den Rachedurst des Bandenchefs Rosto. Man wähnt Rosto zunächst auf der Spur Phantomias, doch als überraschende Wende stellt sich heraus, dass er hinter dem Journalisten Konrad Kiwi her ist. Kiwi bracht ihn einst ins Gefängnis und soll nun in der Kanalisation schmoren. Das Kapitel lebt auf der einen Seite von der überraschend dynamischen und einige mysteriöse Überraschungen mit sich bringenden Unterwelt. Auf der anderen Seite ist es einmal mehr schön anzusehen wie sich Konrad Kiwi in seinen Hass gegenüber Phantomias versteift und dann ausgerechnet von diesem gerettet wird. Phantomias Auftritte sind angenehm dezent, er scheitert an der ungewohnten Umgebung in den meisten Situationen. Ihm zur Seite steht eine zunächst zwielichtig, am Ende aber sehr sympathisch erscheinende Gruppe an Kanalisationsbewohnern. Alles in allem ist „Untergrund“ eine angenehm ruhige Episode, deren Konsequenzen überschaubar sind und die von glaubwürdigen, emotionalen Charakteren getragen wird.

In der 36. Folge „Der Tag wird kommen“ hat Phantomias einmal mehr Schwierigkeiten mit der Zeitpolizei der Zukunft. In ihren Augen weiß er zu viel und soll sich nun einer Gehirnwäsche unterziehen – dessen Phantomias sich natürlich verweigert. Aus dieser konventionellen Ausgangslage entwickelt sich eine absurde und actionreiche Kaperaktion des Gefängnis der Zeitpolizei durch den Plünderer und seine Kumpane. Angesichts von Spannungen innerhalb der Zeitpolizei und innerhalb der Plünderergruppe kommt es zu ständigen Seitenwechseln auf einer im Zeitnirwana abstürzenden Station. Dies schafft ein dynamisches und höchst spannendes Kapitel, das von vielen überzeugenden Konflikten angetrieben wird. Am Ende siegt die Seite, hinter der sich die meisten Protagonisten auf einen gemeinsamen Kurs einigen können. Dadurch erlebt man Phantomias, den Plünderer und einige seiner Kumpanen sowie die Leitungsebene der Zeitpolizei in einer äußerst ungewöhnlichen Kooperation. Außerdem bietet das Kapitel dem Plünderer einen ganz besonderen Auftritt, der diesem Charakter mehr Tiefe und ein (vorübergehendes) Ende verschafft.

Nichts Persönliches“ knüpft als 37. Kapitel direkt an die Geschehnisse auf der Zeitstation an. In der Zukunft ist Konrad Kiwi der Gouverneur von Entenhausen und hoffnungsfroher Präsidentschaftskandidat. Sein Rum beruht auf seinem großen Sieg über den bösen Phantomias. Wie konnte das geschehen? Nach den Ereignissen auf der Station der Zeitpolizei machte der Sohn des Plünderers, Trip, Phantomias für den Tod seines Vaters verantwortlich. Er drehte die öffentliche Meinung gegen ihn und Zwang ihn in den Untergrund. Odion Eidolon versucht dies nun zu korrigieren, indem er den jungen Trip entführt und dem Zukunftsphantomias unterstellt. Doch die Organisation der Plünderer und der Zukunftstrip haben zu sehr von dem Arrangement profitiert als dass sie diese Manipulation der Zeitlinie zulassen könnten. „Nichts Persönliches“ ist etwas ruhiger als der Vorgänger, dafür aber um so dichter. Der Politiker Kiwi ist eine Wucht, der Untergrund-Phantomias überraschend melancholisch und der junge Trip äußerst unterhaltsam. In Verbindung mit der Verschwörung der Plünderer-Organisation, vielen mysteriösen Hintergrundvorgängen und einer fulminanten Rückkehr des Plünderers ist das 37. Kapitel die dritte, sehr überzeugende Erzählung in Folge.

Das 38. Kapitel „Blinder Passagier“ greift zum ersten Mal seit langer Zeit wieder konsequent das Hauptmotiv der Serie auf. Zu Beginn der Serie entdeckte Phantomias schließlich Invasionsversuche der Evronianer. Diese konnte er in der Regel nur mithilfe der mächtigen Xadhoom abwehren, die einst ihr Volk an die Evronianer verlor. Nun versuchen die Evronianer Xadhoom als ihre einzige wirkliche Bedrohung auszuschalten. Durch Zufall bekommt Phantomias dies mit, schleicht sich als blinder Passagier auf ein Kriegsschiff der Evronianer und versucht die Operation zu verhindern. Doch die Evronianer wissen längst um seine Anwesenheit und versuchen ihn als zusätzlichen Lockvogel gegen Xadhoom einzusetzen. Ohne Xadhoom ist die Erde mehr oder weniger verloren. Daher ist „Blinder Passagier“ durchaus spannend. Ab der Hälfte der Erzählung wird „Blinder Passagier“ jedoch auch ungemein erheiternd. Denn die Evronianer geben – sehr gezwungen – Phantomias den Eindruck sie hätten ihn nicht entdeckt. Die Episode wird dadurch nicht nur spannend, sondern auch komisch.

In Kapitel 39 („Weit, weit weg„) stellt sich heraus, dass „Blinder Passagier“ nur der Auftakt zu einem größeren Handlungsbogen um die Evronianer war. Der erste Plan der Evronianer, Xadhoom gefangen zu setzen mag schief gegangen sein. Doch der zweite ist weitaus komplexer und erfolgsversprechender. Auf seiner Flucht vor den Evronianern entdeckt Phantomias eine Kolonie Xerbianer – Xadhooms eigentlich von den Evronianern versklavtes Volk. Die haben mittlerweile einen Weg gefunden, wie man den Versklavungsprozess der Evronianer technisch umkehren kann. Doch die Evronianer sind ebenfalls auf die Kolonie aufmerksam geworden und am Ende stellt sich heraus, dass der für Xadhoom wichtigste Xerbianer für die Evronianer arbeitet. „Weit, weit weg“ wird durch diesen Mix, das auf einmal wieder (optimistisch) ungewisse Schicksal der Xerbianer, die mögliche Waffe gegen die Evronianer und Xadhooms Schicksal zu einer spannenden und sehr gelungenen Zwischenfolge.

Denn der Handlungsbogen erfährt erst im 40. Kapitel („Unter einer neuen Sonne„) seinen Höhepunkt. Hier laufen viele Handlungsstränge der Serie zusammen und die Evronianer erfahren eine unerwartetete, böse Überraschung. Die im vorherigen Sammelband angelegten, sehr emotionalen Hintergrundgeschichten der Xerbianer zahlen sich nun aus: Dieses Volk ist einem beinahe so sympathisch wie das Schicksal Entenhausens. Beinahe überraschend läuft „Unter einer neuen Sonne“ jedoch auf ein dramatisches Ende zu. Die Evronianer sind ohne ihre Sklaven, die so genannten „Coolflames“ kaum noch eine Bedrohung. Allerdings muss Xadhoom, um ihrem Volk eine Zukunft zu ermöglichen, ein großes Opfer bringen. „Der neue Phantomias – Mit vereinten Kräften“ endet dadurch mit einer äußerst traurigen Note: Die Evronianer sind eine deutlich geringere Gefahr, aber die Serie verliert mit Xadhoom einen ihrer wichtigsten Charaktere. Der spannende, actionreiche und inhaltlich überzeugende Dreiteiler „Blinder Passagier / Weit, weit weg / Unter einer neuen Sonne“ setzt ihr ein würdiges, spannendes und unterhaltsames Denkmal.

„Der neue Phantomias – Mit vereinten Kräften“ ist mit weitem Abstand der überzeugendste Sammelband der bisherigen Veröffentlichungen. Das liegt zunächst daran, dass jedes Comic für sich überzeugen kann: Die Geschichten treffen den richtigen Mix aus emotionalen Handlungssträngen, gelungenen Kompositionen und überzeugenden Actionsequenzen. Anders als in den vorherigen Bänden gibt es kaum durchschnittliche Abschnitte. Das liegt auch daran, dass die Geschichten größer geworden sind. Nach dem ruhigen, überschaubaren und dennoch inhaltlich durch seine Charaktere sehr starken, für sich allein stehenden Auftakt, besteht der Sammelband „lediglich“ aus dem Plünderer-Zweiteiler und dem Xadhoom-Dreiteiler. Beide Mehrfachfolgen sind interessant, vertiefen die Charaktere der Serie und unterhalten mit einem gelungenen Mix aus Spannung und Humor. Dieser überzeugende Mix lässt die Wartezeit auf den nächsten Sammelband des „neuen Phantomias“ sehr lang erscheinen.

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