Auswüchse der SPD Parteireform

spd2011 setzte sich die SPD an, ihre eigenen Parteistrukturen zu reformieren. Das erklärte Ziel der Partei war es, wieder so etwas wie eine Bewegung zu kreieren, indem der „Parteibasis“ mehr Einflussmöglichkeiten zugesprochen wurden. Damals standen letztlich nicht realisierte Themen wie offene Vorwahlen im Raum. Bekanntlich ist aus der großen Reform nichts geworden: Die Statute wurden etwas angepasst, ein (mit hohen Hürden versehener) Mitgliederentscheid eingeführt und zuletzt der jährlich bis zweijährlich tagende Parteitag um einen jährlich tagenden Parteikonvent ergänzt.

Bei letzterer Institution handelt es sich um ein Gremium, das aus 200 Genossen sowie den stimmberechtigten Mitgliedern des Parteivorstandes und Vertretern der SPD Arbeitsgemeinschaften (wie z.B. den Jusos) besteht. Stimmberechtigt sind die 200 Vertreter aus den Landesverbänden und die Parteivorstandsmitglieder. Bereits der erste Parteikonvent zeichnete sich dadurch aus, dass die umfangreiche Tagesordnung kaum außerhalb dieses kleinen Kreises verbreitet wurde. Auch an einer anschließenden Kommunikation, unter anderem der umfangreichen Jugendstrategie, bestand kein Interesse. Dadurch wurde der Parteikonvent, mehr noch als die öffentlichkeitswirksamen Parteitage, zu Diskussionsrunden ohne direkte Auswirkungen.¹ Die dort gefassten Beschlüsse sind für die Partei nichtsdestotrotz bindend.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich der Parteivorstand, z.B. während der Koalitionsverhandlungen oder aber mit der Vorratsdatenspeicherung, auf den Parteikonvent stimmt. Diese Institution, gedacht um den Mitgliedern eine regelmäßigere Partizipation zu ermöglichen, ist ein ideales Instrument, um den Willen des Parteivorstandes durchzusetzen. Offiziell befinden sich unter den 200 Delegierten hauptsächlich „gewöhnliche“ Genossen. Darunter befindet sich vermutlich aber auch ein entscheidender Anteil an Funktionären und Abgeordneten, auf die über die Parteistrukturen Druck ausgeübt werden kann. Auf diese Weise verwandelt sich der Parteikonvent mit seinen knapp ca. 220 stimmberechtigten Teilnehmern in ein leichter zu kontrollierendes Gremium als ein unübersichtlicher Parteitag.

Das Thema Vorratsdatenspeicherung bewegt das Land und auch große Teile der SPD. Wie die Stimmung innerhalb der Partei tatsächlich ist, kann niemand sagen. Vermutlich nicht so radikal wie sowohl die Befürworter als auch die Gegner des jetzigen Entschlusses behaupten. Trotzdem war es keine Glanzleistung, dieses Thema mittels eines Konventes „abzuräumen“. Hinter verschlossenen Türen (sodass lediglich die Parteiführung genau weiß, wer genau abgestimmt hat) und mit einem relativ großen Einfluss durch Parteifunktionäre dient ein schwaches Ergebnis von gerade einmal 56% für den Antrag² nicht dazu, dem Entschluss die notwendige Legitimation zu verschaffen oder gar die Partei zu beruhigen.

Sozialdemokratische Spitzenpolitiker haben derzeit ein gutes Argument: Die SPD ist die einzige Partei, die solche Themen tatsächlich lebhaft ausdiskutiert. Gleichzeitig haben die vielen Enttäuschten Mitglieder, die sich mit Hinweisen auf die „Regierungsfähigkeit“ unter Druck gesetzt fühlten ebenfalls ein gutes Argument in der Hand: Die Debatte wurde (vor allem durch den Austragungsort) bei weitem nicht so fair und gleich geführt, wie die Parteiführung dies behauptet. Die SPD ist vermutlich die letzte, große Partei in Deutschland, in der noch zielgerichtet inhaltlich diskutiert wird. Hier sollte auch ein Vizekanzler den Mut haben, für seine Ziele mit Argumenten einzutreten und nicht in einem sowieso von der Parteiführung durchdrungenen Gremium noch mit ungerechtfertigten Erpressungen arbeiten. Mit diesem Stil wird der für die Mitglieder eingeführte Parteikonvent im Zweifelsfall nur gegen sie verwendet.

¹ Damals befand sich die SPD allerdings noch in der Opposition. Trotzdem wurde das Thema des ersten Parteikonventes, Jugend, nicht konsequent weiterdiskutiert, beworben oder gar in eine ganzheitliche Parteistrategie eingebunden. Man könnte allerdings auch behaupten, dass es der SPD insgesamt im Bundestagswahlkampf 2013 an einer ganzheitlichen Strategie fehlte.

² Wie hätte das Ergebnis wohl ausgesehen, wenn der Parteivorstand nicht automatisch stimmberechtigt gewesen wäre?

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