Der Beitrag der Parteien zu einer europäischen Öffentlichkeit?

europa_flaggeDie Wahlmanifeste der großen Parteien für die Europawahl zeigen viel Normalität auf, die man auch in nationalen Wahlkämpfen finden könnte. Auf der einen Seite versuchen die bisher als stärkste Partei im Parlament vertretenen Konservativen, die Ereignisse der letzten Legislaturperiode als ihre Erfolge zu verkaufen. Auf der anderen Seite argumentier die bisher zweitplatzierten Sozialisten, dass es eines Politikwechsels bedarf. Obwohl die meisten europäischen Projekte natürlich von beiden Parteien auf den Weg gebracht wurden, werden durch diese Polarisierung durchaus Unterschiede zwischen den beiden Parteien deutlich. Während die Sozialisten sich auf soziale Themen sowie einzelne konkrete Projekte wie zum Beispiel die europäische Jugendgarantie konzentrieren, wird die Europäische Volkspartei bei wirtschaftlichen Fragen (Freihandelsabkommen mit den USA) und Sicherheitsthemen (Frontex verstärken) konkreter. In der Praxis sind die Manifeste jedoch nur ideologische Abrisse der Hauptmeinungen der beiden Parteien und werden in der Praxis kaum von Bedeutung sein.

Das liegt in erster Linie daran, dass die Manifeste weder bekannt sind noch diskutiert wurden. Beide Parteien beschlossen ihre Manifeste beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf ihren europäischen Parteitagen. Selbst das nationale Wahlprogramm der CDU für die Europawahl (das letztlich vermutlich höchstens 40 der 754 Abgeordneten binden wird) hat mehr Aufmerksamkeit als die europäischen Manifeste erhalten. Da es keine weit verbreiteten europäischen Medien gibt und die nationalen Medien die Manifeste ignorierten, sind die darin enthaltenen Punkte kaum bekannt. Ihre Umsetzung kann daher von den europäischen Bürgern auch nicht kontrolliert werden.

Die fehlende Debatte sorgt aber auch dafür, dass die Glaubwürdigkeit der Forderungen nicht gesichert ist. Ist es überhaupt möglich, eine europäische Jugendgarantie einzuführen? Was bedeutet es, wenn die Konservativen in Sachen Klimaschutz ausschließlich den europäischen Energiemarkt stärken möchten? Wie kann das Europäische Parlament mit dem kleinen europäischen Haushalt eigentlich eine „ehrgeizige europäische Industriepolitik“ (Sozialisten) beziehungsweise mit der „Finanzierung von Forschung und Entwicklung, Privatinvestitionen und einem besseren Zugang zu Krediten“ (Konservative) Wachstum schaffen? Um diese Fragen der Bevölkerung zu erklären, bedürfte es wie bei nationalen Politikdiskussionen Journalisten, die die Versprechen der Politiker einordnen.

Die Manifeste sind zudem für die nationalen Parteien im Wahlkampf nicht bindend. Sowohl die SPD als auch die CDU legen für die Wahl ein eigenes 14 und 102 Seiten starkes Wahlprogramm vor. Was in dem europäischen Wahlkampf erst einmal widersprüchlich wirkt, ist eigentlich eine Notwendigkeit. Denn den europäischen Parteien, in denen SPD und CDU Mitglied sind, ist es bisher noch nicht gelungen, eine breite und demokratische Partizipation ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen. Die beschlossenen Manifeste sind meist nicht einmal den Parteimitgliedern bekannt. Dennoch muss diese mangelnde Demokratisierung der europäischen Parteien, die sich noch auf eine schwach repräsentatives Delegiertensystem stützen, durch eine breite Diskussion für die kommende Europawahl ersetzt werden. Sonst kommt es weiterhin zu Situationen, in denen der Spitzenkandidat der Konservativen Juncker Eurobonds befürwortet und die größte Mitgliedspartei seiner Partei, die CDU, diese vehement ablehnt.

2014 soll erstmals der Kommissionspräsident über die Europawahl von der Bevölkerung gewählt werden. Die Probleme mit den Manifesten der europäischen Parteien zeigen, dass bei der nächsten Wahl im Jahr 2019 die inhaltliche Bedeutung und Legitimität der europäischen Parteien gestärkt werden muss. Denn erst wenn Kernforderungen durch einen offenen Partizipationsprozess der Parteimitglieder europaweit diskutiert und angeglichen werden, kann auch innerhalb der europäischen Parteien die europäische Öffentlichkeit entstehen, die die Parteifunktionäre bei den Medien oft so lautstark vermissen.

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