Die Kleinbürgerhochzeit (im Berliner Ensemble)

Ein junges Paar heiratet und lädt sieben Gäste in die neue, kleine aber eigene Wohnung. Bei viel Essen und eben so viel Alkohol soll die Hochzeit gefeiert werden. Doch der Abend verläuft anders als geplant. Die typischen Familienstreitigkeiten brechen aus, das eingeladene Ehepaar stellt sich als streitlustig heraus und während der Sohn der Vermieter mit der Schwester der Braut anbandelt, brechen die vom Ehemann getischlerten Möbel aufgrund des schlecht gemischten Leim nacheinander auseinander.

Die Bühne des Theaters kann nicht die enge einer kleinbürgerlichen Wohnung darstellen. Stattdessen wird zu Beginn des Stückes eine containergroße Wohnung aus dem Bühnenboden hochgefahren. Nur mit Mühe und Not passen die neun Schauspieler in das Zimmer mit den vielen Möbeln. Die gedrängte Atmosphäre ist somit nicht nur spürbar, sondern sofort ersichtlich. Das Zimmer ist beweglich, sodass es durch absenken oder schaukeln die Stimmung des Abends darstellen kann.

Obwohl der Raum viel zu klein ist und die Möbel hässlich, muss alles zu Beginn gelobt werden. Die Stimmung ist noch ausgezeichnet und der Stil gebietet frohe Worte. Lediglich eine verbitterte, aus unverständlichen Gründen mit der Familie befreundete Frau sprich von Anfang an all das aus, was eigentlich alle denken. Das wird zu dem Zeitpunkt jedoch noch von den Zoten des Bräutigamsvater übertönt.

Im Lauf des Abends stellt sich jedoch heraus, dass die Beziehungen zwischen allen Charakteren zerrüttet sind. Die Eltern des Bräutigams können ihre gegenseitigen Marotten nicht mehr ertragen. Die Braut ist von ihrer Schwester genervt, der Bräutigam von seinem besten Freund. Den Sohn der Vermieter, der die Schwester der Braut anmacht, möchte niemand eingeladen haben. Das befreundete Ehepaar sorgt ausschließlich für schlechte Stimmung da sich die Partner gegenseitig nur blamieren wollen. Und zuletzt stellt sich heraus, dass das Brautpaar nicht aus Liebe geheiratet hat, sondern nur um die Schmach einer unehelichen Schwangerschaft zu übertünchen.

Kurzum: Eigentlich ist nichts gut. Die zerfallenden Möbel deuten nur an, wie brüchig die kleinbürgerliche Fassade ist, die alle Beteiligten bis zum Schluss versuchen, aufrecht zu halten. Dabei wird häufig betont, wie wichtig doch die „deutsche“ Familie als Institution sei, obwohl die Runde zeigt, dass in vier beispielhaften Partnerschaften keine einzige dem Familienideal gerecht wird. Wirklichen Halt und Stabilität kann keine bieten.

Auf bitterböse Art wird also der bürgerliche Schein dekonstruiert. Das könnte lustig sein, ist es jedoch nur an wenigen Stellen. Es stechen vor allem die Eltern des Bräutigams hervor, die ausgezeichnet gespielt sind. Die anderen Rollen bleiben etwas blass, wirken meist übertrieben gespielt. Das sorgt – vielleicht gewollt – dafür, dass das Stück keine durchgehend lustige Satire ist.

Die Gäste verlassen am Ende eine völlig zerstörte Wohnung. Jeder am Anfang aufgekommene Spaß ist zu Ende. Die junge Ehefrau sorgt sich nicht um ihre Wohnung, sondern in erster Linie darum, dass die Gäste ihre „Schmach“ in die Welt hinaustragen und ihr das ewig anhängen wird. So wird zum Schluss deutlich, dass Kleinbürger zwar in kärglichen und unglücklichen Verhältnissen gefangen sind, Traditionen und Rituale sie aber daran hindern, ihrer Situation bewusst zu werden und den Unsinn um sie herum zu erkennen. Stattdessen sorgt das Netz an Wertvorstellungen dafür, dass sich die Verhältnisse nicht ändern. Das ist eine gute und interessante Botschaft, die aber einem eher anstrengenden als unterhaltsamen Theaterstück entspringt.

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