Ash’Gul’Kon – Der letzte Blick zurück (von Andreas Suchanek / Heliosphere 2265 Band 36)
|Mit der Doppelfolge „Ash’Gul’Kon – Der letzte Blick zurück“ endet der dritte „Heliosphere 2265“-Zyklus. Die Aufteilung ähnelt den vorherigen Abschlüssen der vorherigen Zyklen: In der ersten Hälfte wird der Leser noch einmal allerdings durch eine fremde Perspektive durch die Ereignisse der vorherigen elf Bände geführt. Diesmal ist es die Sicht Tess Kensingtons, die nicht wie alle glaubten in der Stimme der Ash’Gul’Kon aufgegangen ist, sondern von diesen in endlosen und grausamen Scheinrealitäten gefangen gehalten wird. In der zweiten Hälfte (unter dem einfallsreichen Titel „Ash’Gul’Kon“) spitzen sich dann die verschiedenen Handlungsstränge zu: Sowohl das Imperium als auch die Ash’Gul’Kon bereiten ihre Angriffe vor und die Allianz in der auch die Solare Republik Mitglied ist, steht diesmal vor ihrem militärischen Ende.
Andreas Suchanek hat mit „Heliosphere 2265“ in kürzester Zeit ein großartiges Universum geschaffen, das mittlerweile viele Facetten aufweist und von mehreren, spannenden Fraktionen bewohnt wird. In diesem wie im vorherigen Zyklus war die Serie vor allem dann besonders spannend und authentisch, wenn Suchanek die verschiedenen, mehr oder weniger exotischen Orte und Gesellschaften seines Universums erkundet hat. Leider geschah dies im dritten (wie schon im zweiten) Zyklus nur sehr selten. Hier wird viel Potential verschenkt (mehr zu diesem Thema gibt es in dem in zwei Wochen erscheinenden Zyklusfazit).
Dennoch ist zumindest die zweite Hälfte des Finales ein spannender Roman: Suchanek konzentriert sich auf schnell erzählte Handlungen, in denen zumindest die Charaktere, in der Regel aber die gesamte Galaxie permanent gefährdet sind. Diese Makrohandlungen regen zwar zum Lesen an, sie erzeugen letztlich aber nur Stillstand – in diesem Finale sogar im wahrsten Sinne des Wortes.
Dabei merkt man den Episoden an, dass Suchanek seine Protagonisten herausfordern möchte und sie sogar weiterentwickeln will (davon spricht er zumindest im Nachwort). Leider gelingt dies in den seltensten Fällen. In der ersten Hälfte dieses Finales lässt Suchanek Tess Kensington zum Beispiel jahrelang grausame Dinge erleben. Letztlich wird die Offizierin aber „nur“ gefordert, weder wird ihr Leid nahbar gemacht noch verändert sich ihr Charakter. Sie bleibt bis zum Schluss die gute, starke Kensington. Genau so prallt die grausame Gefangenschaft Commodore Cross’ der vergangenen Bände schlicht an dem einstigen Captain der Hyperion ab. Kurz nach seiner Rückkehr funktioniert er wieder so gut wie vorher, von Charakterentwicklung findet man hier keine Spur.
Noch schlimmer trifft es die Bösen. Mit den Ash’Gul’Kon trat am Ende des zweiten Zyklus ein mächtiger aber auch mysteriöser Gegenspieler auf den Plan. In diesem Finale werden die Anführer der Ash’Gul’Kon auf den billigen Status eines Imperator Sjöbergs reduziert. Scheinbar kann sich Suchanek als negative Emotion ausschließlich Hass vorstellen. Der Hass der Stimme der Ash’Gul’Kon auf Commodore Cross unterscheidet sich zumindest in keiner Weise von dem Hass Sjöbergs auf Cross. Beide lassen sich dabei immer wieder zu äußerst irrationalen Entscheidungen hinreißen. „Ash’Gul’Kon“ entzaubert also vor allem das titelgebende Volk. Imperator Sjöberg sieht für einen Moment immerhin richtig bedrohlich und sogar clever aus – igonriert man die Tatsache, dass er vollkommen blind für die Bedrohung durch die Ash’Gul’Kon ist und letztlich doch nur wieder von seinem Hass auf Cross und seine Kollegen angetrieben wird.
„Der letzte Blick zurück“, der erste Teil der Doppelfolge, reiht sich damit in die scheinbar endlose Folge an Rückblicken des dritten Heliosphere-Zyklus und des Marsprojekts ein. Sie ist zunächst angenehm mysteriös, da man Einblicke in die Denkweise der Stimme erhält. Wie erwähnt, enttäuschen diese jedoch sehr schnell und die Folge wird zudem überraschend schnell repetitiv. Sie erscheint dadurch eher wie ein Füllroman.
In „Ash’Gul’Kon“ passiert wieder etwas mehr, allerdings geht es hier wieder ausschließlich um die Makroebene: Das Imperium greift die Allianz an, die Allianz versucht die Ash’Gul’Kon zu stoppen und die Ash’Gul’Kon greifen ebenfalls die Allianz an, zerstören dabei aber zunächst das Imperium. Suchanek versucht sein Bestes in dieser Handlung mit seinen Charakteren Spannung und vor allem Emotionen aufzubauen – letztlich wird hier die Zeit aber im wahrsten Sinnes des Wortes eingefroren. Dieses Anhalten der Zeit ähnelt in gewisser Weise den Hokuspokus-Elementen, die auch das Mars-Spin-Off durchziehen (auch hier wird wieder viel von „dem Fixpunkt“ gesprochen). Diese Kombination macht es unglaublich schwierig, die eigentlich interessanten Geschichten aus dem Heliosphere 2265-Universum zu erzählen, die deutlich kleiner sein müssten, um wirklich zu überzeugen.
„Ash’Gul’Kon – Der letzte Blick zurück“ bietet eine langatmige erste Hälfte und eine dichter erzählte, durchaus spannende und unterhaltsame zweite Hälfte. Dieses Finale legt anders als das Finale des zweiten Zyklus keine furiose und spielentscheidende Handlung vor und ist auch nicht besonders überraschend. Stattdessen zementiert es den Eindruck der Bände 25-36 als die eines Überbrückungs- und Füllzyklus. Immerhin deutet Suchanek im Nachwort an, dass sich die Erzählweise in den kommenden zehn Bänden deutlich ändern wird – zu hoffen wäre es.
Hinweis: Wie zum zweiten Zyklus wird es auch zum dritten Zyklus noch eine einordnende Nachbetrachtung geben, die vermutlich am 30. Mai erscheinen wird. Das vorläufige Kurzfazit ist, dass der Zyklus sehr stark gestartet ist, mit Besuchen auf faszinierenden Welten und intensiven Konfrontationen mit den Ash’Gul’Kon und sich anschließend in einer überflüssigen, weil in der Serie schon dutzende Male gesehen Intrigen- und Gefangenschaftshandlung verstrickt hat, die die Serienhandlung völlig zum Stillstand brachten und letztlich nicht viel mehr als Füllromane waren. Wie in dieser Rezension deutlich gemacht, hebt sich das Finale leider nicht von diesem Trend ab.