Storm of Locusts (von Rebecca Roanhorse)

Maggie Hoskie hat ihren Monsterjägerlehrer, den Halbgott Neizghání, getötet. Ihren Liebhaber Kai musste sie als Kollateralschaden ebenfalls erschießen. Obwohl Kai von den Toten wieder auferstanden ist, hält er erst einmal Abstand zu Maggie, die derweil für eine Gang weiterhin ihrer Tätigkeit als Monstertöterin nachgeht. Die Ereignisse überschlagen sich, als Maggie die Ziehmutter der ebenfalls mit Clankräften ausgestatteten Ben wird. Denn bald darauf erfährt sie, dass Kai vermisst wird. Zu allem Überfluss ist nicht ganz klar, ob Kai nicht vielleicht ebenfalls zu einem blutrünstigen Monster mutiert ist und zusammen mit dem Beherrscher der Heuschreckenschwärme daran arbeitet, das Reservat der Dinétah in die Luft zu sprengen. Maggie sucht mit einer Gruppe Kai, in der Hoffnung dabei auch die Unschuld ihrer alten Liebe zu beweisen.

Rebecca Roanhorse entwickelte in dem ersten Teil der Reihe, „Trail of Lightning“, eine faszinierende post-apokalyptische Welt. Der steigende Meeresspiegel hat einen Großteil der Oberfläche der Erde verschlungen. In dem Reservat der Dinétah entschieden sich die amerikanischen Ureinwohner eine Mauer um ihr Reservat zu ziehen, um sich gegen die marodierenden Reste der USA zu schützen. Gleichzeitig sind jedoch die alten Götter des Stammes wieder zum Leben erwacht. Das hat Vorteile, sie beschützen Teile des Gebietes, und das hat Nachteile, denn sie bekämpfen sich untereinander und haben zudem einige gefährliche Monster wieder zum Leben erweckt. Unter den Dinétah taucht zudem das Phänomen der Clankräfte auf. In traumatischen Situationen, brechen sie sich Bahn und begleiten den Träger anschließend für den Rest des Lebens. Maggie hat zum Beispiel miterlebt wie Räuber ihre Großmutter umbrachten. In der Folge entwickelte sie übermenschliche Schnelligkeit in lebensgefährlichen Situation, was sich oft als lebensrettend herausstellt. Diese Welt ist gleichzeitig magisch und brutal realistisch. Roanhorse hat hier eine packende Bühne für raffinierte post-apokalyptische Western-Geschichten geschaffen.

„Storm of Locusts“ erweitert diese Welt nun beträchtlich. Maggie ist in einer Gruppe mit ihrer neuen Ziehtochter Ben, dem Geschwisterpaar Rissa und Clive sowie der Katzenfrau und Halbgötting Mósi auf der Suche nach Kai und dem jüngsten Bruder Rissa und Clives, Caleb. Das führt die Truppe erstmals in das Gebiet außerhalb der Mauer, während ein Heuschreckenschwarm sie permanent bedroht und verfolgt. Ihr Feind ist ein Mann namens Gideon. Über ihn erfährt man bis zum Finale relativ wenig. Es wird aber rasch deutlich, dass er – zum Teil Diné und zum Teil Mormone – von allen Teilen seiner Herkunft ausgesoßen fühlt. Sein Ziel ist es, Rache zu nehmen. Und in klassischer Manier verfolgt er das Ziel, alle, die ihm geschadet haben, wortwörtlich brennen zu sehen. Er ist damit ein Doppelgänger und gleichzeitig ein Spiegel für Maggie. Beide haben traumatische Erlebnisse hinter sich, wichtige Menschen verloren und brutalen Verrat erlebt. Doch während Maggie ihre Verbitterung und ihren Schmerz für den Schutz anderer Menschen einsetzt, nutzt Gideon dies für Rache. Dieser interessante Gegensatz wird noch stärker dadurch, dass Maggie in diesem Teil vor viel emotionaleren Herausforderungen steht als im ersten Teil. Ging es damals darum, mit ihrem Lehrmeister zu brechen, so muss sich Maggie nun daran gewöhnen, mit ihren Emotionen zu anderen Menschen umzugehen. Roanhorse beschreibt in dem direkten und klaren Western-Ton der Geschichte wie Maggie lernt, zu vergeben und sogar zu lieben. Der Roadtrip in „Storm of Locusts“ wird für Maggie dadurch zu einer fesselnden Trauma-Bewältigung und Identitätsfindung, die glücklicherweise auch ihren Begleiterinnen deutlich mehr Tiefe verleiht.

Die einzige Ausnahme dabei ist Kai. Er nimmt in „Storm of Locusts“ bis zum Finale nur eine Statistenrolle ein. Und dann stellt sich heraus, dass er genau so rein und gut ist, wie sein Handeln im ersten Teil erwarten lassen würde. Damit passt er nicht in die von Roanhorse geschaffene Welt gebrochener Kreaturen, in der jeder aufgrund der sich veränderten Natur dazu gezwungen ist, seine moralischen Maßstäbe wenn nicht zu brechen, so doch zumindest zu hinterfragen. Allerdings ist es nur dieser eine Aspekt, an dem der Roman etwas oberflächlich wirkt.

Der Platz, den eine stärkere Auseinandersetzung mit Kai beansprucht hätte, verwendet Roanhorse stattdessen vor allem dazu Maggis Roadtrip so spannend wie möglich zu gestalten. Die Suche nach Kai ist eine ständige Jagd. Denn auf der einen Seite gibt es Zeitdruck, dass Gideon möglicherweise bereits zum Angriff schreitet, auf der anderen Seite wird die Gruppe um Maggie ja ständig von dem Heuschreckenschwarm verfolgt. Und als wäre das nicht genug, gibt es mit den fanatischen und brutalen Mormonen und denn auch außerhalb der Mauer agierenden Götter (und Halbgötter) eine Reihe Hindernisse zu überwältigen. Jede dieser Herausforderungen wird pfiffig und gelegentlich sogar unerwartet aufgelöst. Die Begegnungen sind atemlos erzählt und Maggie sorgt sowohl bei Schießereien als auch bei etwas ruhigeren Herausforderungen mit ihrer direkten Badass-Attitüde für Spannung und Unterhaltung. Dank dieses Mix aus gelungener Erzählung, starken Charakteren und hohem Erzähltempo ist „Storm of Locusts“ spannende, intelligente und kaum aus der Hand zu legende Unterhaltung.

Roanhorse Bände werden relativ zeitnah auch ins Deutsche übertragen. Der erste Teil „Trail of Lightning“ ist unter dem Titel „Jägerin des Sturms“ bereits im Lübbe-Verlag erschienen. Der hier rezensierte zweite Teil „Storm of Locusts“ erscheint unter dem Titel „Meister der Heuschrecken“ im September diesen Jahres ebenfalls im Lübee-Verlag.

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