Trail of Lightning (von Rebecca Roanhorse)

Nach der Klimakatastrophe sind weite Teile der Welt, darunter auch ein großer Teil der USA untergegangen. Der Stamm der Diné hat auf die daraus folgenden Unruhen reagiert, indem er eine Mauer um sein Reservat gezogen hat. Diese Mauer schützt mit traditioneller Magie gegen Eindringlinge. Doch mit der Katastrophe sind auch alte magische Mythen der amerikanischen Ureinwohner wieder erwacht. Maggie Hoskie erlebt dies tagtäglich. Als ihre Großmutter von eine Räuberbande ermordet wurde, erwachten in ihr alte, brutale Fähigkeiten. Sie setzte diese Fähigkeiten zunächst als Assistent des Halbgottes und Monsterjägers Neizghání ein. Seitdem dieser sie verlassen hat, agiert sie auf eigene Faust. Dabei läuft sie einem ungewöhnlich starken Monster über den Weg. Sie entdeckt, dass dieses von Menschen geschaffen sein muss. Irgendjemand im Reservat beginnt also eine Monsterarmee zu erschaffen. Kurz darauf begegnet ihr der junge Mediziner Kai Arviso. Gemeinsam versuchen die beiden die Herkunft der Monster zu ergründen und das Leben im Reservat zu schützen.

Zunächst einmal schafft Roanhorse hier eine fantastische und beeindruckende Welt. Den meisten Lesern dürften die Mythen der amerikanischen Ureinwohner, vor allem der Diné, unbekannt sein. In dem Roman wird zunächst gar nicht klar, dass sich vieles um genau diese Sagen dreht. Roanhorse arbeitet jedoch sowohl den „realistischen“ wie auch den „mythischen“ Teil ihrer Welt immer detaillierter heraus. Das eigentliche Gebiet, auf dem die Handlung spielt, ist recht klein, eben das einstige Reservat der Diné. Doch letztlich gibt es hier viel zu erforschen: Maggie und Kai reisen von Siedlung zu Siedlung, mal um eine alte Bibliothek aufzusuchen, mal um vor der Polizei zu fliehen und in einer Bar Unterschlupf zu finden. Während dabei die post-apokalyptische Indianer-Welt immer genauer wird, wächst auch das Wissen des Leser um die mythischen Einflüsse, die diese Welt beeinflussen. Das führt zu einer spannenden Mischung aus Western-, Phantastik- und mit den Monstern auch Horror-Atmosphäre.

Die Handlung wird dabei von einem leichten Ton und einem hohen Tempo getragen. Jedes Kapitel zieht die Geschichte nach vorn. Selbst Hintergrundgespräche, in denen zum Beispiel alte Freunde Maggies besucht werden oder in der Handlung auftauchen, wirken temporeich. Jedes Kapitel vertieft nicht nur die Welt, es bringt auch neue Hinweise und Einblicke in die Handlung. Die Diné leben in ihrem Reservat sicherer als die Überlebenden außerhalb. Dennoch ist ihre Welt rau. Bereits ohne Monster geraten Maggie und Kai daher regelmäßig mit korruptem Ordnungspersonal oder freischaffenden Sicherheitsdiensten aneinander. Hier kann man bereits sein Leben verlieren, wenn einem Ordnungsdiener das eigene Gesicht nicht gefällt. Im Hintergrund lauert aber eine weitaus größere Bedrohung, die zum Teil ganze Dörfer entvölkert. All dies erhöht die Spannung, passt sich perfekt in die interessante, von Roanhorse geschaffene Welt an, und erschafft den permanenten Drang, weiterzulesen.

Abgerundet wird die überzeugende Handlung durch den gelungene Hauptcharakter. Maggies Leben ist hektisch und brutal. Mit beidem hat sie kein Problem. Im Gegenteil ihre Clanmächte machen sie gerade reaktionsstark und vor allem ausgesprochen gewalttätig. Die eigentliche Herausforderung für die junge Frau ist, herauszufinden wer sie eigentlich ist, wo sie steht und vor allem wer zu ihr steht. Das Verschwinden ihres einstigen Mentors Neizghání hat sie stark verunsichert, auch weil sie romantische Gefühle für ihn gehegt hat. Das Auftauchen Kai Arvisos verunsichert sie mindestens genau so stark. Der junge Mann hat Manieren, rettet sie durch seine beruhigende Art aus vielen Situationen, aus denen sie sich nur mit Gewalt hätte befreien können, und fasziniert sie auch in anderen Bereichen. Gleichzeitig erlebt der Leser durch Maggies Bewertung seines Charakters, dass die gewalttätige und sich abgeklärt gebende Maggie durchaus ein recht starres Wertesystem hat. Wann immer Kai lügt oder die Unwahrheit sagt, um die beiden aus einer Situation zu befreien, bricht für Maggie eine kleine Welt zusammen. Diese zwei Facetten, Maggies Kompromisslosigkeit bei einigen, ihr wichtigen Tugenden, sowie die umgehende Bereitschaft Feinde entweder mit einem Gewehr oder noch besser mit einem Schwert aus dem Weg zu räumen, ist sehr interessant. Durch die Begegnung mit alten Weggefährten und Bekannten wird Maggies Charakter immer vielschichtiger und für den Leser immer interessanter.

Am Ende läuft die Handlung auf einen beinahe klassischen Showdown hinaus. In einer Art Western-Shootout stehen Maggie und Kai mit einigen Weggefährten, einer Horde Monster, ihrem alten Mentor Neizghání sowie Coyote, einem zwielichtigen anderen Halbgott gegenüber. Innerhalb kürzester Zeit ist völlig unklar, wer in dieser Viererkonstellation eigentlich auf wessen Seite steht. Am Ende läuft alles auf ein Eifersuchtskomplott heraus, das aus unerwarteter Richtung geschmiedet wurde. Das ist für Maggie hochdramatisch und ausgesprochen verlustreich. Es ist gleichzeitig eine Stärke und eine Schwäche des Romans, dass bis zum Schluss nicht ganz deutlich wird, ob Maggie in dieser Auseinandersetzung die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Es ist etwas ärgerlich, da man mit offenen Fragen zurückbleibt und die Handlung unabgeschlossen wirkt. Auf der anderen Seite bleibt gerade die emotionale Tiefe des Romans in starker Erinnerung: Das Ende des Romans verdeutlicht einmal mehr Maggies Entwicklung von einer Einzelgängerin zu einer Verantwortung übernehmenden Person. Für den Leser ist das angesichts ihrer weitreichenden Entscheidungen und der Schmerzen, die sie bewältigen muss, berührend und eindringlich. Durch dieses Ende ist man stark versucht, umgehend an das spannende Ende des Romans mit der Lektüre des zweiten Teils „Storm of Locutus“ fortzufahren.

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