The Stone Sky (von N. K. Jemisin)

Essun lebt in einer Welt, in der die Erde sich regelmäßig gegen ihre Bewohner wendet. Der Mond ist vor Jahrhunderten verschwunden und die Menschen leben in ständiger Angst vor einer „fünften Jahreszeit„, in der alles Leben auf der Erdoberfläche unmöglich wird und man sich nach langfristigen Unterschlüpfen umsuchen muss. Essun ist eine Orogene, ein Mensch, der über beinahe magische Fähigkeiten verfügt, mit denen sie die Erdbewegungen beeinflussen kann. Orogenen werden in normalen Zeiten von Menschen gefürchtet und, wenn sie nicht von Wächtern kontrolliert werden, getötet. Als Essuns Ex-Mann Jija herausfand, dass seine Gattin und Kinder Orogenen sind, tötete er den jüngsten und flüchtete mit Essuns Tochter Nassun, ausgerechnet zu Beginn einer apokalyptischen fünften Jahreszeit. Jija wendete sich an eine Gruppe Wächter, in der Hoffnungen, sie könnten seine Tochter von den orogenen Fähigkeiten heilen. Stattdessen wurde Nassun jedoch von Essun einstigem Wächter und Folterer Schaffe weiter trainiert. Am Ende des vorherigen, zweiten Teils tötete Nassun ihren Vater, der wiederum versuchte seine Tochter und vor allem die Orogene in ihr zu töten. Schaffa hat sich in der Zeit, seitdem er Essun verlassen hat, gewandelt und unterstützt Nassun bei ihrem nächsten Ziel: Sie wird von der Erde in ihren Plan eingebunden, aus Rache an den Schäden, die sie erlitten hat, alle Menschen zu vernichten. Essun verfolgt das Gegenteil, sie hat einen Plan, den Mond wieder in seine Umlaufbahn zu bringen, um einen Waffenstillstand mit der verärgerten Erde auszuhandeln. Die beiden Frauen verfolgen gegensätzliche Pläne und müssen sich am Ende ihrem größten Leid stellen: dem Gefühl, wegen ihres Naturells von niemandem geliebt zu werden. Beide werden dabei streckenweise immer wieder von Steinfressern („stone eaters“) begleitet, die irgendetwas damit zu tun haben, dass die Erde überhaupt erst ihren Zorn auf die Menschheit entladen konnte.

„The Stone Sky“ ist ein sehr überzeugender Abschluss für eine phantastische Trilogie. Die „stillness“, die Welt dieser Erzählung, ist ein faszinierender Ort. Die Menschen leben hier wie in einer typischen, mittelalterlichen Fantasy-Gesellschaft. Ihr Leben und vor allem ihre Imperien werden jedoch nach nur wenigen Jahrzehnten von den verheerenden fünften Jahreszeiten unterbrochen. Dann verwandelt sich aufgrund irgendeines Naturereignis der Himmel in Asche, Pflanzen wachsen nicht mehr, Tiere verenden und die Menschheit muss ihren Schutz in Höhlen finden und durch viel Kreativität und noch mehr Agressivität gegenüber anderen Gemeinschaften Überlebenswege finden. In dieser Zeit sind Orogene die beste Lebensversicherung. Sie können die Erde und das Wetter zu einem Teil manipulieren, gewisse Dinge vorherahnen und vor allem die katastrophalen Erdbeben ablenken. Doch wegen ihrer Furcht verwehren sich die meisten Gemeinschaften dieser Hilfe und töten die disrespektierlich als „roggas“ bezeichneten Menschen. Die gesamte Trilogie durchzieht daher das offensichtliche Paradox, dass die meisten Probleme dieser Welt gar keine Probleme wären, wenn die Menschen mit ihrer andauernden Diskriminierung aufhören würden. Dieses Thema wird auch im Abschlussband niemals pädagogisch und nur sehr selten direkt angesprochen. Jemisin zeigt einfach durch die in hohem Tempo voranschreitende Handlung, welche katastrophalen Auswirkungen Diskriminerung und geschlossene Gesellschaften sowohl kurz- als auch langfristig haben.

Die Trilogie lebt von ihren interessanten Erzählperspektiven. Der erste Teil war aus der Sicht dreier Frauen geschildert, die sich am Ende alle als Essun in unterschiedlichen Stadien ihres Lebens (und unter unterschiedlichem Namen) herausstellten. Der zweite Teil lebte von der doppelten Perspektive Essuns und Nessuns auf die dramatischen Ereignisse um die mysteriösen Obelisken, mit denen unter hohen Kosten weiterer Einfluss auf die Erde genommen werden konnte. In beiden Teilen wandte sich der (bis dahin unbekannte) Erzähler jeweils direkt an Essun. Das ändert sich nun: In einer dritten Perspektive erlebt der Leser die Vergangenheit aus der direkten Perspektive des Erzählers. Dabei lernt man, wie eine hoch entwickelte menschliche Gemeinschaft, ebenfalls magisch begabte Teile ausgegrenzt und vor allem zur Energiegewinnung missbraucht hat. Die Taten sollten die Erde beherrschbar machen und verärgerten sie so stark, dass es zu der in dem Roman bekannten, instabilen Situation kam. Auch hier führte eine Mischung aus Hybris und skrupelloser Sklavenhaltung aus Furcht zu einer Katastrophe. Der Fokus liegt jedoch nicht auf dieser fatalen Mischung, sondern darauf wie ein extra für die Energiegewinnung und -kontrolle gezüchteter Mensch zu lieben lernt und dadurch über die Jahrtausende das Schicksal der Erde beeinflussen kann. Während dieser neue Handlungsstrang zunächst das Erzähltempo des Romans deutlich drosselt, entwickelt er, obwohl das Ende dieser Rückblende bereits bekannt ist, ein hohes Maß an Spannung, schafft eine berührende emotionale Handlung und trägt viel zum gelungenen Abschluss des Romans bei.

Essun hat ihr Leben lang unter ihren Fähigkeiten gelitten. Und in dem Versuch, ihre Tochter vor diesem Leid zu schützen, ist sie ihr ebenfalls entglitten. Nun ist sie hin- und hergerissen, ihrer Community zu helfen, die fünfte Jahreszeit zu überstehen, ihre Tochter zu retten oder durch die Bindung des Mondes vielleicht gleich die ganze Menschheit zu retten. Der Schlüssel zur Frage, welchen Weg sie beschreiten soll, liegt in ihrem Umfeld. Die misstrauische Essun baut mühsam Vertrauen zu ihren Mitmenschen auf. Dieser Prozess ist sehr gelungen beschrieben. Dieser Handlungsstrang ist zudem der spannendste, denn die Gemeinschaft muss sich regelmäßig gegen Plünderer erwehren. Auch in diesen Actionszenen arbeitet Jemisin auf überzeugende Art heraus, wie Humanität und Visionen sich auch in den extremsten Situationen durchsetzen können. Das Motiv der Vergebung ist hier sehr stark und so sind hier Vertrauen, Vergebung und Visionen die eigentlichen Stärken, dank derer die Menschheit überlebt.

Nassun steht vor weniger Herausforderungen. Sie wird von der „bösen“ Erde angelockt, um ihren Plan der Vernichtung allen (aus ihrer Perspektive schädlichen) Lebens umzusetzen. Der einst so kaltblütige Schaffe wird für sie dabei nicht nur zu einer Vaterfigur, sondern zu dem ersten Menschen, von dem sie sich geliebt fühlt. Früh ist klar, dass das Schicksal der Menschheit am Ende in Nassuns Händen liegt, also in den Händen eines traumatisierten, elfjährigen Kindes. Jemisin gelingt die Darstellung dieser Mischung aus geradezu grenzenloser Macht und der Verunsicherung eines Kindes ausgesprochen gut. Die Unterhaltungen mit Schaffe und dem unregelmäßig auftretenden Steinfressers sind so spannend wie aufschlussreich und die Zerissenheit, die Nassun fühlt klar spürbar. Mit Nassun gelingt Jemisin neben Essun ein weiterer stärker, für ihr Alter ausgesprochen unabhängiger Charakter, der im Verlauf der Trilogie nicht nur zu lieben, sondern auch zu hoffen lernt.

Alle drei Erzählperspektiven überzeugen, führen zu einem temporeichen und spannenden Höhepunkt, der kaum Fragen offen lässt und das Schicksal der Protagonisten doch angenehm offen lässt. Die Handlung dreht sich auf faszinierende und ereignisreiche Art darum, wie alle drei Protagonisten ihr Leben verteidigen müssen, sich gleichzeitig damit auseinandersetzen, wem eigentlich ihre Loyalität und vor allem ihre Liebe gehört bzw. wer diese verdient, und welchen Platz sie in der menschlichen Gesellschaft einnehmen können und wollen. Dahinter steht eine starke Botschaft darüber, welche Kraft menschliches Vertrauen in Verbindung mit einer hoffnungsvollen Zukunftsvision anstelle von Angst und Ausgrenzung entwickeln kann. Das ist ein starker Abschluss für eine ausgesprochen, vielfach prämierte Trilogie, die Fantasy und Science Fiction zu einer vielschichtigen Muter-Tochter-Charakterstudie und einem spannenden Abenteuer in post-apokalyptischer Atmosphäre vermengt.

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