Nepenthe (Star Trek: Picard, Episode 1×07)

Picard konnte die Androidin Soji in letzter Sekunde vor romulanischen Agenten retten. Durch ein Portal fliehen sie nach Nepenthe, wo William Riker und Deanna Troi mit ihrer Tochter Kestra leben. Picards Pläne haben sich durch die überstürzte Situation zerschlagen. Er braucht dringend einen ruhigen Raum, um sich neu zu sortieren. Gleichzeitig muss Soji mit der verstörenden Erkenntnis zurecht kommen, dass sie kein Mensch, sondern ein künstliches Wesen ist. Die La Serena versucht derweil ebenfalls nach Nepenthe zu gelangen. Doch ein romulanischer Agent verfolgt sie und lässt sich nicht abschütteln. Während Captain Rios Raffi verdächtigt, weiß Dr. Jurati, dass sie vom Tal Shiar manipuliert wurde und geortet werden kann. Elnor und Hugh sind derweil auf dem Borg-Kubus, von dem Picard geflohen ist, geblieben. Sie müssen vor den verbliebenen Agenten des Tal Shiars fliehen, bevor dieser sie erwischt und tötet.

Nach der dramatischen vorherigen Folge ist der hektischste Teil in „Nepenthe“ Elnors und Hughs Flucht vor dem Tal Shiar. Dieser Handlungsstrang ist in seiner sinnlosen Gewalt gleichzeitig recht enttäuschend. Der Tal Shiar ermordet reihenweise gerettete Borg-Drohnen, in der Hoffnung, dass Hugh deswegen Picards Aufenthaltsort verrät. Elnor gelingt es zumindest für einen Moment, Hugh zu retten. Doch dann stellt er sich der Tal Shiar Anführerin in einem angeblich ehrenhaften Duell, nur damit diese Hugh hinterhältig ermordet. Da Romulaner für ihre (moralische) Skrupellosigkeit bekannt sind, ist das eigentlich keine Überraschung. Daher wirkt Elnor hier schlicht naiv. Diese Wendung ist aber auch enttäuschend, weil Hugh dadurch genau das wurde, was Picard in seiner Arroganz eigentlich vermeiden wollte: Ein Freund, der Picard hauptsächlich aus Loyalität half und dafür sein Leben lassen musste. Denn Hugh wurde bis zu seinem Tod nicht einmal darüber eingeweiht, wofür Picard zur Zeit eigentlich kämpft. Das macht die Borg-Kubus-Handlung unbefriedigend.

Die Dynamik auf der La Serena ist derweil interessanter. Nur gemeinsam ließe sich der Tal Shiar Agent Narek abschütteln. Doch Raffi und Rios gemeinsame Tricks reichen nicht aus. Sie wissen nicht, dass Dr. Jurati vom Tal Shiar überzeugt wurde, die Mission zu verraten. Es ist sehr überzeugend, wie die beiden sich gleichzeitig um Jurati kümmern und Rios dabei langsam beginnt, Raffi zu verdächtigen eine Spionin zu sein. Das speist sich zum Teil daraus, dass Rios sich nicht eingestehen mag, dass seine Flugfähigkeiten vielleicht nicht ausreichen, um jeden Verfolger abzuschütteln. Es kommt aber auch daher, dass er nicht weiß, das Raffi auf Freecloud mit ihrem Sohn aneinandergeraten ist. Das zeigt einmal mehr, wie wenig Picard darauf bedacht war, mit seiner Crew zusammenzuarbeiten. Anstatt die Teilnehmer seiner Mission zusammen zu bringen, saß er meist in seinem Büro und litt an sich selbst. Es bleibt daher zu hoffen, dass auch hier noch ein Sühnemoment auf Picard wartet. Die Verfolgung wird durch einen Sinneswandel Juratis aufgehalten. Sie setzt sich selbst ins Koma und rettet damit die Serena und Picards Aufenthaltsort. Es ist völlig unverständlich, warum sie das tut. Kurz zuvor war sie noch bereit, ihren einstigen Liebhaber Maddox zu töten, nur um die Ziele des Tal Shiars, jedes androide Leben auszulöschen, zu erreichen. Jetzt nimmt sie sich aus Loyalität zu Rios (oder Picard?) selbst aus dem Spiel. Das hätte begründet werden müssen, um wirklich überzeugend zu sein.

Der Großteil der Handlung spielt auf Nepenthe. Picard trifft dabei mit den Rikers zusammen. Er tut dabei, was er von Anfang an hätte tun sollen: Er zieht gute Freunde zu Rat. Selbst seine romulanischen Freunde auf seinem Weingut hat er nicht wirklich in seine Überlegungen mit einbezogen. Nepenthe und auch die Rikers sind nur eine Durchgangsstation. Aber dafür sorgt der Besuch bei den Rikers für einige sehr stimmungsvolle und gelungenen Szene. Dass Riker und Troi eines ihrer Kinder verloren haben, weil die notwendige Behandlungsmethode für dessen Krankheit auf künstlicher Intelligenz beruht, erscheint etwas konstruiert. Aber darüber hinaus gelingt es den beiden sehr gut, Sojis emotionalen Schmerz wahrzunehmen und Picard mal sanft, mal energisch darauf hinzuweisen, wie selbst zentriert, selbstgerehcht und kühl er sich verhält. Riker und Troi erinnern den einstigen Admiral an seinen Führungsstil auf der Enterprise, als er wusste, wie er seine Crewmitglieder nicht nur am effizientesten nutzen, sondern auch am Besten motivieren konnte. Das ist sehr gelungen und bei Picard scheint es tatsächlich eine Art umdenken zu geben, wie er sein Umfeld behandelt hat und dass er seine Bitterkeit besser unter Kontrolle bekommen muss. Hieraus könnte eine überzeugende Entwicklung in den verbliebenen drei Episoden entstehen.

Soji wiederum verbringt viel Zeit mit Riker und Trois Tochter Kestra. Dies geschieht in einer sehr schwierigen Zeit, in der sich sich mit ihrer Natur auseinandersetzen soll. Nachdem Narek ihr Liebe vorgespielt hat, nur um über sie an Informationen zu gelangen, hat sie Schwierigkeiten anderen Menschen zu vertrauen. Da ist die gutmütige Kestra genau die richtige Person, um dieses Vertrauen wieder herzustellen. Dieser Handlungsteil ist sehr gelungen und endet in einem genau so überzeugenden Dialog mit Troi. Bisher war Soji eher ein passiver Teil der Handlung, wurde von Narek um den Finger gewickelt. Hier trifft sie erstmals eine eigene Entscheidung und teilt am Ende Informationen über ihre Herkunft mit Picard. Ironischerweise ist es vermutlich Picards Arroganz und Empathielosigkeit, die ihn vertrauenswürdig machen. Nachdem Narek sie ständig umgarnt hat, wirkt Picards Schroffheit immerhin ehrlich.

Dadurch ist das nächste Reiseziel klar. Datas und Maddox Lebenswerk soll vor dem Tal Shiar gerettet werden, daher bricht die Crew der Serena in Richtung Sojis Heimat auf. Der Tal Shiar hat Dr. Juratis Mitarbeit gewonnen, indem sie ihr grausame Szenen aus einer Zukunft mit Androiden gezeigt hat. Hilft Picard daher gerade einer zukünftigen Geißél der Galaxis? Oder setzt er sich für eine gute Sache ein? Und wie will er dem Tal Shiar überhaupt begegnen? „Nepenthe“ lebt von den gelungenen Gesprächen zwischen Picard, Riker und Troi sowie zwischen Soji, Troi und Kestra. Die Episode ist ein stimmungsvoller Moment der Einkehr, der Picard die vielen Fehler, die er bisher gemacht hat, überdenken lässt. Die Episode gibt aber so gut wie keine Antworten darauf, wo die Handlung eigentlich hinsteuert. So unterhaltsam und nostalgisch „Nepenthe“ ist, nach sieben von zehn Folgen sehnt man sich langsam nach etwas mehr Klarheit.

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