Auslöschung (ARD Radiotatort)

Im ländlichen Sachsen-Anhalt kommt es zu einem Brand. Während sich das ältere Ehepaar rechtzeitig retten kann, verbrennt die Schwiegertochter Betti Wagner in dem Haus. Bei der Obduktion der Leiche stellt sich jedoch heraus, dass Wagner bereits zuvor mit dreizehn Messerstichen getötet wurde. Ein Ermittlerteam der Polizei bringt keine Ergebnisse. Doch der Druck der Medien auf die Polizei lässt nicht nach. Auf Bitten seiner einstigen Kollegen nimmt sich der pensionierte Hauptkommissar a.D. Fischer den Fall vor.

Das Hörspiel lebt von der Dynamik, die Jost Fischer auslöst. Er muss mit Caroline Griem zusammenarbeiten, einer Kollegin, die bereits in der erfolglosen, ersten Ermittlergruppe beteilgit war. Sie nimmt sich kaum Zeit für die Verdächtigen, schießt mit Hypothesen und Verdächtigungen um sich, ohne diese aber im Detail zu verfolgen. Fischer wiederum hört allen zu, nimmt sich Zeit für die Lebens- und Leidensgeschichten aller Beteiligten und konstruiert daraus kompliziertere, aber einleuchtendere Motive. Dabei ist es sehr gelungen, dass sich die Motive nur in Nuancen von denen unterscheiden, die Griem den Verdächtigen unterstellt. Doch diese Nuancen machen am Ende den entscheidenden Unterschied und so kann Fischer zeigen, dass der Fall eben nicht so „unlösbar“ ist, wie Griem dies vermutet. Dieser Ermittlungsunterschied  wird sehr deutlich, Verdächtige reagieren auf die beiden Polizisten völlig unterschiedlich. Dass dies an dem Altersunterschied der beiden Polizisten liegt am Ende etwas konstruiert, zumal Fischer Griem einst selbst gegen Widerstände nach Magdeburg gelockt hat. Zumal man diesen Handlungsstrang jüngst im Hamburger-Tatort auch in umgekehrter Richtung erlebt hat. Dort setzte ein jüngerer Kollege durch, dass man mit etwas mehr Zeit und Einfühlungsvermögen einen Fall einfacher lösen könnte als mit hektischen Vorverurteilungen.

Am Ende glänzt und enttäuscht die Episode zugleich. Fischer zeigt wie man geschickt, durch ein kleines Detail Unruhe in die Gruppe der Verdächtigen bringen kann. Für Griem ist dies zunächst die fahrlässige Weitergabe von Täterwissen. Tatsächlich führt aber genau dieser Schachzug, zusammen mit Fischers Bemühungen, die Sympathien aller Beteiligten zu gewinnen dazu, dass sich der Mörder faktisch selbst stellt. Dieses Ende ist überzeugend und streckenweise ergreifend. Und hier nimmt die Folge zwei unerwartete, aber auch nicht wirklich überzeugende Wendungen. Zunächst verzichtet Fischer darauf, den Täter festzunehmen. Scheinbar ist er mit seinen Sympathien so weit gegangen, dass er die Tat beinahe nachvollziehen kann, bzw. dem Täter abnimmt, dass er bereits genug durch seine Tat leidet. Das ist unglaubwürdig, Fischer war zu lange Polizist, um so zu handeln. Oder zumindest hätte es für diesen Schritte mehr Zeit bzw. mehr Handlungsraum geben müssen. Gleich darauf enthüllen Fischers Kolleginnen, dass sie ihn mithilfe eines Handys abgehört haben. Das wirkt noch unsäglicher. Zunächst unterschätzt Griem Fischer permanent, macht sich über seinen behäbigen Stil (auf unangenehme Art) lustig und dann soll sie ihren Kollegen, den sie eigentlich gar nicht ernst nimmt, auch noch überwachen? Und das indem sie ihm ein aufnehmendes (?) Handy unbemerkt in die Jackentasche (in einem Haus?) legt und dann später genau so unbemerkt (?) wieder entfernt? Das wirkt wie viel Aufwand für jemanden, den man eigentlich gar nicht ernst nimmt.  Wie bereits zuvor mit dem Partner der (in dieser Folge nur eine Nebenrolle spielenden) Annika de Beer, der auf üble Weise aus dem Tatort geschrieben wurde, hier aber durch einen gegen die Polizei gerichteten, von ihm verfassten Artikel noch eine Erwähnung findet, endet der Tatort mit den Anschuldigungen der Polizistinnen gegen Fischer ohne dass klar ist, was nun geschieht. Während zuvor ein Großteil der Hörspielzeit darauf verwendet (und vielleicht verschwendet) wird, um die Dynamik zwischen den Ermittlern einzufangen, wird dieser Handlungsstrang am Ende abgewürgt. Beide „Überraschungen“ sind daher weder glaubwürdig, noch inhaltlich überzeugend.

„Auslöschung“ präsentiert eine durch Fischer herausgearbeitete, überzeugende Nachwendeleidensgeschichte, die zu einem dramatischen Mord führt. Während der Fall und seine Auflösung ausgesprochen überzeugend sind, erscheint die Dynamik zwischen den Ermittlern sowie Fischers plötzliche Milde am Ende sowie Griems Überwachungsaktion aufgesetzt und in dem ansonsten spannenden Fall störend.

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