Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten (von Jonas Jonasson)

(diese Rezension basiert auf der englischen Übersetzung „The Accidental Further Adventures of the hundred-Year-Old Man)

Der 100-jährige Allan und sein Freund Julius sind an Geld gekommen und genießen ihren Lebensabend auf Bali. Doch während Julius sich langweilt, ist Allan mithilfe eines Tablets erstmals auf den Geschmack von Nachrichten gekommen. Der einst naive Rentner wandelt sich dadurch in kürzester Zeit zum Welterklärer. Als das Geld knapp wird, türmen die beiden Halunken mit einem Heißluftballon. Kurz darauf sind sie mitten in einer machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen Nordkorea unter Kim-Jong un und den USA unter Donald Trump. Zwischen diesen beiden Streithähnen versucht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Weltkrieg zu verhindern, während der russische Präsident Putin im Hintergrund alle Konflikt weiter anheizt.

Der Vorgänger dieses Buches ist eine Sensation. Der naive Allan, der alle Schurken, Helden und Verbrecher des 20. Jahrhunderts auf absurde aber plausible Weise kennenlernt, ist enorm unterhaltsam. Die Fortsetzung trifft diesen Ton nicht mehr. Bereits das Vorwort lässt aufhorchen. Das 20. Jahrhundert sollte das Schrecklichste der Menschheit sein. Doch wenn man sich die aktuelle politische Lage anguckt, zweifeln Autor wie Leser daran, ob tatsächlich die richtigen Lektionen aus dem 20. Jahrhundert gelernt wurden. Jonasson macht aus dieser Frage eine bitterböse Satire, die sich einzig auf tagesaktuelle Themen des Jahres 2017 konzentriert. Das wird wie dieses Buch in einigen Jahren vergessen sein.

Denn Allan kann als Figur nicht mehr überzeugen. Er hat ständig sein Tablet in der Hand und regt sich über die verschiedensten Meldungen auf. Dazwischen hat er zwar sein Konversationstalent bewahrt, kann sich weiterhin aus jeder Situation herausreden, aber er wird kaum aktiv. Obwohl er nun mehr weiß als je zuvor, bleibt er absolut passiv. Er versinkt im Nachrichtenstrom. Das mag vielen Lesern einen interessanten Spiegel vorhalten: Wo bleibt das Nachdenken, die tatsächliche politische Diskussion angesichts des vom Internet beförderten Nachrichtenoverkills? Für diesen Eindruck hätte aber auch eine Kurzgeschichte gereicht. Das Tablet-Motiv wird jedoch penetrant repetitiv eingesetzt und langweilt rasch.

Auch der eigentliche Plot überzeugt nicht wirklich. Nordkorea hat offiziell längst Atomwaffen. Welchen Unterschied macht es, wenn sie nun mehr davon haben? Natürlich steigt die Bedrohung, weltbedrohlich, wie der deutsche Titel dem Leser weismachen möchte, ist das jedoch nicht. Der englische Titel (der den zufälligen Charakter der Ereignisse) betont ist da deutlich genauer: Allan zieht keineswegs aus, um die Welt zu retten. Er möchte mit seinem Tablet am Liebsten in Ruhe gelassen werden. Stattdessen stolpert er mal wieder von einer unangenehmen Situation in die andere.

Leider sind diese Situationen nicht wirklich lustig. Weder ist die Nordkorea-Satire überzeugend, noch die kurze Konfrontation mit Donald Trump. Der Großteil des Romans konzentriert sich dann auf eine völlig unwichtige Auseinandersetzung mit einem idiotischen, von russischen Spendern finanzierten schwedischen Neo-Nazi. Obwohl dies die belangloseste Handlung ist, bringt Jonasson hier die überzeugendsten Witz unter. Während diese zum Schmunzeln anregen, fehlt der Erzählung jedwede Spannung.

Ein paar Elemente des Romans funktionieren allerdings. Es gibt eine sehr interessante BND-Agentin, die im Zuge der Erzählung an Selbstbewusstsein gewinnt. Die wenigen „normalen“ Protagonisten des Romans, die schwedische Außenministerin, Angela Merkel sowie mit Einschränkungen der russische Präsident, sorgen zudem für gelungene Kontrast-Momente: Allan ist immer dann am Überzeugendsten, wenn andere verwirrt-belustigt den Kopf über ihn schütteln. Außerdem gelingt es Jonasson auf simple Art sowohl die Brutalität des nordkoreanischen Regimes als auch den Egoismus seiner penetrant ignoranten Hauptfigur aufzuzeigen. Allan ist es schlichtweg egal, ob die Menschen, die er reinlegt überleben oder nicht. In der Regel hinterlässt er eine Spur des Todes. In diesen Momenten erreicht der Roman seine stärksten Momente: Nachrichtenlesen verhindert nicht, dass man durch Ignoranz indirekt trotzdem an dem Tod von Mitmenschen beteiligt ist.

„Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“ ist der here Versuch, den Wahnsinn des vergangenen Jahres in eine Satire zu fassen. Kernanliegen ist es, passiven, von der Nachrichtenflut überforderten Leser den Spiegel vorzuhalten und deren Passivität als Mitursache für den schweren Stand, den konstruktive Politiker wie Angela Merkel oder Emmanuel Macron haben, aufzuzeigen. Dies scheitert jedoch an der simplen Tatsache, dass die Handlung selbst zwischen uninteressant und langweilig schwankt, die Witzdichte dünn ist und die einst auf absurd-naive Art glaubwürdig erscheinenden Protagonisten nun konstruiert und künstlich wirken.

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