Feuertaufe (von Adrzej Sapkowski)

Die Zeit der Verachtung“ brachte dramatische Umwältzungen mit sich. Das Kaiserreich Nilfgaard hat viele Königreiche des Nordens vernichtend geschlagen und ist weiterhin auf dem Vormarsch. Die Hoffnungsträgerin Ciri wurde nach einem Blutbad während einer Zaubererversammlung an einen fernen Ort teleportiert und schloss sich einer Räuberbande an. Ihre Mentoren sind ebenfalls zerstreut. Die Zaubererin Yennefer ist verschwunden und der Hexer Geralt schwer verwundet. Kaum sind Geralts Wunden verheilt, macht er sich auf den Weg, Ciri zu suchen. Sein Weg führt ihn mitten durch das Kriegsgebiet. Und zum ersten Mal in seinem Leben merkt der Einzelgänger Geralt, dass er auf Gefährten angewiesen ist.

Die Zeit der Verachtung“ war klar zweigeteilt, der Leser erlebte zunächst die misslungene Zaubererversammlung, die Nilfgaard Einhalt gebieten sollte, und anschließend Ciris Reise durch die Länder des Südens. „Feuertaufe“ schlägt einen anderen Weg ein, hier geht es in erster Linie um Geralts Suche nach Ciri. Die Nebengeschichten nehmen deutlich weniger Platz ein, sind für die Handlung jedoch von großer Bedeutung. Auf der einen Seite erfährt der Leser in kurzen Szenen wie Ciri immer mehr in ihrer Rolle als Räuberin aufgeht und sogar Geschmack am Töten findet. Das Königreich Nilfgaard sucht mit aller Kraft nach Ciri, setzt aber gleichzeitig ein hohes Kopfgeld auf Ciris Räuberbande aus. Der Leser weiß die Thronerbin somit immer in Gefahr. Yennefer ist an der Gründung einer neuen Magierinnenloge beteiligt. Hier erfährt man die Familiengeschichte Ciris und versteht langsam, warum der mystische Hintergrund des Mädchens für den Kaiser Nilfgaards von großem Interesse ist. Yennefer erhält deutlich mehr Platz im Roman als Ciri. Das tut der Erzählung gut, denn die Interaktionen der Magierinnen sind nicht nur lehrreich, sondern in ihren endlosen Intrigen und (verbalen) Scharmützeln gleichzeitig spannend und unterhaltsam.

Der Schwerpunkt des Romans liegt diesmal jedoch wieder auf dem Hexer Geralt. Er erholt sich von seinen Verletzungen und zieht anschließend gen Süden, um Ciri zu finden. Dabei muss er sich durch endlose Kriegslandschaften durcharbeiten. Immer wieder geraten er und seine Begleiter direkt in Gefechte, genau so häufig müssen sie sich aber schlicht mit den Auswirkungen des Krieges, zerstörte Dörfer, Leichen und Flüchtlinge, arrangieren. Sapkowski stellt dabei in knapper Sprache die ganzen Grauen des Krieges dar und inszeniert eine düstere und enorm spannende Kulisse. Obwohl die Handlung mit vielen starken Kriegsbildern ausgestattet ist, steuert sie konsequent auf einen Höhepunkt der verzweifelten Auseinandersetzung zwischen Nilfgaard und dem Norden zu. Geralt, der sich aus solchen Vorgängen am liebsten raushält, macht dabei eine kleine Veränderung durch. Zunächst zeigt er deutlich mehr Anteilnahme als noch zu Beginn der Hexer-Erzählungen. Und am Ende trägt er selbst seinen Teil zu der Auseinandersetzung bei. Dabei geht es ihm zwar in erster Linie darum, das Leben seiner Gefährten zu retten. Und dennoch erlebt der Leser, wie sich Geralt hier von einem passiven Außenseiter zu einem immer zentraleren Akteur wandelt und sich dabei selbst verändert.

Denn Geralt erkennt zum ersten Mal, dass er ohne Begleiter an seiner Mission scheitern wird. Diese Erkenntnis braucht viel Zeit. Denn er sträubt sich aus zwei Gründen gegen Begleiter. Er möchte seine Freunde nicht in Gefahr bringen, hat aber auch das Gefühl alleine schneller voranzukommen. Sapkowski arbeitet sehr überzeugend heraus, wie der wortkarge Geralt mit jeder überwundenen Herausforderung mehr davon überzeugt ist, auf seine Gefährten angewiesen zu sein. Wie in allen vorherigen Erzählungen und Romanen des Hexers webt Sapkowski auf spannende Art die verschiedensten Mythen seiner Fantasy-Welt in die Handlung ein und schafft mit wenigen, einprägsamen Szenen und viel Hintergrundmaterial eine spannende und packende Handlung. Durch die stärkere Teamanbindung Geralts bietet „Feuertaufe“ aber noch mehr als die vorherigen Bände. Ging es zuvor in erster Linie um die Motive verschiedener Akteure, stehen hier stärker Emotionen im Vordergrund. Denn die Motivation mehrerer Begleiter Geralts ist nicht ganz eindeutig. Im Laufe des Romans erlebt jeder Charakter seine „Feuertaufe“, wodurch er oder sie sich in der Regel ein Stück weiterentwickelt. Sapkowski zeigt dabei, dass sein Stil der knappen Worte nicht nur in der Lage ist, eine dichte Welt zu erschaffen, sondern genau so dichte Protagonisten kreieren kann.

Durch diese intensive Charakterarbeit ist „Feuertaufe“ noch besser als die sehr gelungenen Vorgänger. Sapkowski setzt sein Erfolgsrezept, die geschickte Verwebung spannender Mythen und globaler Auseinandersetzungen in indirekter Rede, kombiniert mit starken und einprägsamen Szenen, die in knappen, rauen Worten ausgetragen und eine genau so raue aber unglaublich dichte Welt erschaffen, fort. Gleichzeitig reichert er dies mit spannenden und mitreißenden Charakteren an, die allesamt auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken und hier ihre „Feuertaufe“ bestehen müssen. Das schafft einen überzeugenden, anregenden und vor allem fesselnden Mix, dem man sich unmöglich entziehen kann.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert