Despite Yourself (Star Trek: Discovery)

Wir erinnern uns an das zwiespältige Ende des Mid-Season Finales: Die Discovery hat gerade das Geheimnis der klingonischen Tarnvorrichtung entschlüsselt und befindet sich auf dem Rückweg in die Föderation. Auf dem letzten Sprung geht etwas schief und das Schiff landet zwar an der richtigen Stelle, aber die Sternenbasis ist nicht da. Stattdessen hängen die Wracks klingonischer Schiffe im Raum. Die Ahnung, dass dies ein Ausflug in das Spiegeluniversum ist, bestätigt sich in dieser Episode: Die Discovery wird kurz nach ihrer Ankunft von einem vulkanischen Raumschiff angegriffen. Die Crew entdeckt durch einen geborgenen Datenkern, wo sie gelandet ist. Da der Sporenantrieb nicht mehr funktioniert, braucht es eine andere Fluchtoption. Dafür geben sich Lorca und Burnham als ihre Alter Egos im Spiegeluniversum aus – und müssen dafür die Discovery getarnt verlassen, um ihre Rolle als Captain der Shenzhou einzunehmen (Burnham) bzw. als gefangener Verräter des Terranischen Imperiums (Lorca). Die Undercover-Mission ist die einzige Chance der Discovery auf eine Rückkehr und wird von Ash Tyler beschützt – der weiterhin von postraumatischen Erlebnissen geplagt wird.

Das Spiegeluniversum sorgt für eine spannende, brutale und teilweise sogar lustige Kulisse. So gibt es durchaus etwas zu lachen, wenn die Besatzung heraus findet, dass Tilly in dieser Dimension die Captain der Discovery ist. Bedeutsamer sind jedoch die persönlichen Herausforderungen, die auf die Crew warten. Das ist für Tilly zum Beispiel die Tatsache, dass sie, um der Besatzung das Leben zu retten, die Rolle von „Captain Killy“ einnehmen muss. Denn im Spiegeluniversum ist sie eine rücksichtslose aber sehr erfolgreiche Kommandantin. Burnham hingegen leidet bekanntlich sehr darunter, dass sie zu Beginn des Krieges gegen die Klingonen die Zerstörung der Shenzhou nicht verhindern konnte. Nun kehrt sie auf ihr „altes“ Schiff zurück und muss mit einstigen Kollegen arbeiten, die jedoch ihre Feinde sind. All dies ist in Verbindung mit der brutalen Gesellschaft des Terranischen Imperiums eine spannungsgeladene und unterhaltsame Episode. Bei der vor allem die Darstellung von Verlust sehr gelungen ist.

Etwas weniger überzeugend ist die Thematisierung zweier weiterer wichtiger Handlungsstränge. Ash Tyler so stellt sich in „Despite Yourself“ heraus, ist allem Anschein nach tatsächlich der Klingone Voq. Allerdings gelingt es L’Rell nicht seine originale Persönlichkeit zu aktivieren. Scheinbar ist Tylers Persönlichkeit mittlerweile zu stark. Nach der Aktivierung pendelt er dennoch zwischen seinen Persönlichkeiten hin und her. Das sorgt für den vielleicht dramatischsten Moment der Episode, der gleichzeitig ärgerlich Nichtssagend. Dieser kurze Gewaltausbruch könnte einen Hauptcharakter aus der Serie befördern. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Szene in den kommenden Folgen noch ein Sinn gegeben wird. In „Despite Yourself“ bleibt Tyler lediglich ein Unsicherheitsfaktor, die Story selbst bringt er nicht voran.

Lorca wiederum verhält sich widersprüchlich, ohne dass dafür ein Grund bekannt ist. Der Zuschauer weiß, dass er die Koordinaten vor dem Sprung der Discovery manipuliert hat. Hier wird davon nicht gesprochen. Doch Lorca hindert Doctor Culber daran, Lieutenant Stamets weiter zu behandeln. Er schiebt „emotionale Voreingenommenheit“ vor, der Befehl bleibt seltsam. Außerdem erfährt der Zuschauer, dass Lorca in dieser Zeitlinie verschwunden ist. Angesichts der paranoiden Lebensweise der Menschen im Spiegeluniversum, könnte sich dadurch Lorcas Paranoia (z.B. das Schlafen mit einer geladenen Waffe) erklären: Möglicherweise haben wir in „Discovery“ bisher nur den Spiegeluniversums Lorca erlebt. Das würde seine bisherige Härte erklären. Diese Vermutung wird jedoch durch seine Aktionen in dieser Episode zu keinem Zeitpunkt gestützt. Wenn diese Theorie stimmt, muss Lorca ein enorm guter Schauspieler sein. Dieser Unsicherheitsfaktor ist bedeutend überzeugender als die Scharade um Tyler/Voq (die lange vorhersehbar war) und ist neben der offenen Rückkehr-Frage der Hauptgrund für Vorfreude auf die kommende Episode.

Insgesamt ist „Despite Yourself“ ein unterhaltsamer und beeindruckender Ausflug in das Spiegeluniversum: Unsere Anti-Dimension ist glaubwürdig (und teilweise witzig) in Szene gesetzt, Burnham muss sich überzeugend mit ihrer eigenen Schuld auseinandersetzen und Lorcas Charakter sorgt für eine Reihe interessanter Überlegungen. Diese Stärken können davon ablenken, dass Tylers Handlungsstrang und das Hin- und Her zwischen seinen Ausbrüchen weder besonders spannend, noch handlungsstragend ist. Außerdem ist diese Episode hinter all den persönlichen Herausforderungen etwas handlungsarm: Ignoriert man die Charakterszenen kommt die Discovery Besatzung „nur“ im Spiegeluniversum an, erkennt ihre Lage und startet einen waghalsigen Plan. Immerhin bietet dies die Grundlage für eine dichte und spannende Fortsetzung, das das hier gründlich aufgebaute Potenzial ausnutzt.

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