Warum halten EU-Skeptiker die Europawahl für wichtiger als Anhänger pro-europäischer Parteien?

Act-React-ImpactIn vier Wochen wird das Europäische Parlament neu gewählt. Laut dem ARD-Deutschlandtrend vom vergangenen Freitag wird dieser Wahl von den deutschen Wählern eine gemischte Bedeutung zugeschrieben. Während 51% die Wahl immerhin für „sehr wichtig“ oder „wichtig“ halten, betrachten sie 47% als „weniger wichtig“ oder „garnicht wichtig“. Je weniger wichtig die Wahl genommen wird, desto niedriger dürfte die Wahlbeteiligung ausfallen. Auffallend ist die Einschätzung aufgeteilt nach Partei-Anhänger: Je euroskeptischer eine Partei ist, desto wichtiger schätzen die Wähler der Partei die Wahl ein.

Die „Alternative für Deutschland“ ist offen EU skeptisch, lehnt zum Beispiel den Euro ab. Ihre Anhänger halten die Wahl zu 69% für wichtig, lediglich 29% halten die Wahl für nicht wichtig. Deutlich anders ist die Situation bei Anhängern der Grünen. Die Grünen sind die vielleicht pro-europäischste Partei. Hier halten aber gerade einmal 53% der Anhänger die Wahl für wichtig, 47% sehen das nicht so. Das Bild ist bei der SPD ähnlich (vor allem ihr Spitzenkandidat Martin Schulz vertritt deutlich pro-europäische Positionen, ähnliche Werte wie bei den Grünen). Dazwischen liegen die Unionsanhänger. Genau so wie die Unionsparteien gelegentlich keine klare Linie zwischen pro-europäischem Wahlkampf und Europopulismus finden können, sind ihre Anhänger gespalten. Hier wird deutlich, wie wichtig die Kritik des EU-Ratspräsidenten Von Rompuys, die Pro-Europäer würden den Populisten inhaltlich und rhetorisch das Feld überlassen, ist.

Laut dem Eurobarometer 2014 sehen 68% der Deutschen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union als „eine gute Sache“. Doch die frühe Wahlkampfphase hat noch keinen Politiker gezeigt, der sich auf diese Stimme stützen möchte: Die AfD popularisiert gegen die EU und wird darin rhetorisch von der CSU auch noch unterstützt. Während die Grünen nicht durchdringen und die Linken keine klare Position gegenüber dem Euro und der EU an sich haben, kann hauptsächlich Marin Schulz in den Medien durchdringen.

Doch auch Martin Schulz formuliert keine klaren programmatischen Ziele. Stattdessen diskutiert er in der FAZ relativ philosophisch über die positiven Eigenschaften EU, warnt vor Rechtsradikalen und schreibt über den demokratischen Fortschritte bei dieser Europawahl. Er ist also ein Kandidat, der die Institution für die er kandidiert gut findet, Extremismus nicht gut findet und froh ist, überhaupt kandidieren zu können. Ein genaues Bild darüber, was ein möglicher Kommissionspräsident Martin Schulz verändern würde, hat man nach den Texten nicht.

Aber der Wahlkampf beginnt gerade erst. Die Europakritiker mobilisieren in Frankreich, in dem Vereinigten Königreich und auch in Deutschland bereits seit langem für die Wahl. Der aktuelle Deutschlandtrend zeigt, dass es ihnen in Deutschland gelungen ist, ihre Anhänger von der Bedeutung der Wahl zu überzeugen. Die pro-europäischen Parteien haben dies nicht geschafft. Sie müssen die kommenden vier Wochen dafür nutzen, ihren Anhänger ihre inhaltlichen Ziele und Projekte für die kommenden fünf Jahre zu vermitteln. Ansonsten wird sich die schmerzhafte Erfahrung der Sozialdemokraten 2009, dass ordentliche Umfrageergebnisse bei einer miserablen Wahlbeteiligung zu katastrophalen Wahlergebnissen führen kann, diesmal auch für andere Parteien wiederholen.

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