Regieren statt applaudieren
|Die Große Koalition hat ihre erste Kabinettklausur hinter sich gebracht. Anders als schwarz-gelb ist die Koalition nicht bereits im Januar nach der Wahl auf einen ersten Neustart angewiesen, von einem Fehlstart kann nicht gesprochen werden. Der lange Diskussionsprozess vor der Koalitionsbildung innerhalb der SPD scheint sich tatsächlich ausgezahlt zu haben. Anders als die konservativen Ministerinnen und Minister bemühen sich die Sozialdemokraten tatsächlich darum, zu regieren.
Das äußerst sich auf der einen Seite natürlich in „Abwicklungsprogrammen“. Konsequent arbeitet Manuela Schwesig zum Beispiel daran, die Extremismusklausel der schwarz-gelben Koalition abzuschaffen. Diese fordert von Initiativen gegen Rechtsextremismus ein Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung und stand beispielhaft für das Misstrauen, mit dem die vergangene Koalition der Zivilgesellschaft begegnete.
Doch mit den Renten- und Energiewendeplänen zeigen sozialdemokratische Minister, dass in Deutschland nicht nur verwaltet, sondern auch regiert werden kann. Die mediale Reaktion auf diese Vorschläge ist zu großen Teilen negativ. Das hat bereits die vergangene Koalition, die sich der Volksgunst sowieso nicht sicher sein konnte, dazu verleitet, in Stillstand zu verharren. Denn politische Vorschläge werden in Deutschland erst einmal auseinandergenommen. Auf diese Weise lohnt es sich kaum, Reformen vorzuschlagen.
Dabei ist gerade die Begrenzung der Kosten der Energiewende ein wichtiger Schritt, um dieser zum Erfolg zu verhelfen. Denn außer einem Ausfall der Energieversorgung könnten nur stetig steigende Kosten die Akzeptanz für das Projekt verringern. Die Rentenpläne Nahles wirken vielleicht wie eine „Abwicklung“ der Rentenreform der letzten Großen Koalition. Doch letztlich werden nur diejenigen in den Genuss früherer Renten kommen, die sehr lange und sehr hart gearbeitet haben und meist eh nicht länger als bis 63 oder 65 arbeiten können. Das wird teuer, ist aber gerecht, war für diese Gruppe die Rente mit 67 doch eine reine Rentenkürzung. Gleiches gilt übrigens für die von der CDU vorangetriebene Mütterrente: Sie kann als ähnlich gerecht angesehen werden, ist aber gleichzeitig viel teurer als Nahles Pläne.
Die CDU wiederum steht bisher am Rand und schaut dem Treiben zu. Aus ihren Reihen kommen keine Vorschläge, stattdessen werden die meisten Reformen der SPD sogar gut geheißen. Die Legislaturperiode hat gerade erst begonnen. Gut möglich, dass die Union irgendwann aufwacht und diese Art der Arbeitsteilung nicht anhält. So oder so wird in Deutschland wieder regiert. Das mag inhaltlich oft zu kritisieren sein, ist aber nach vier Jahren, in denen die wirtschaftliche Entwicklung nur bejubelt wurde, eine angenehme Abwechslung.