The Hour (1. und 2. Folge)

Gestern begann ARTE mit der ersten deutschen Ausstrahlung der britischen Fernsehserie „The Hour“. Die Serie startet im Jahr 1956, kurz vor der Suez-Krise. Bel Rowley übernimmt das neue Nachrichtenmagazin „The Hour“. Viele trauen ihr das als Frau nicht zu. Ihr Freund, der ehrgeizige und überzeugte Journalist Freddie Lyon, übernimmt das Innenressort, obwohl er die Sendung lieber präsentiert hatte. Dafür wurde jedoch der geschmeidige Hector Madden ausgewählt. Während Bel damit beschäftigt ist, ihr von Eitelkeiten getriebenes Team unter Kontrolle zu halten, ist Lyon einer Verschwörung auf der Spur: Zunächst wurde ein Professor umgebracht, dann eine adlige Freundin aus Jugendtagen. Letztere hat ihn kurz zuvor um Hilfe gebeten, die er ihr aber nicht gewähren konnte.

„The Hour“ taucht relativ überzeugend in die 50er Jahre ein. Bel begegnet an vielen Ecken Vorurteilen. Selbst ihr bester Freund, Freddie, weist sie mehrfach daraufhin, dass sie als Frau vielleicht einfach nicht dafür geschaffen ist, eine Sendung zu leiten. Er spielt mehrfach auf ihre Ängste an, was er bei einem anderen Mann wohl nie tun würde. Noch grausamer wirkt, dass Bels eigene Mutter ihr vorwirft, über ihrer Karriere ihr Leben aus den Augen zu verlieren. Man hätte den Gegenwind für Bel sicherlich noch stärker inszenieren können, bereits in den ersten beiden Episoden wirkt er jedoch unangenehm genug.

Dabei ist es nicht ganz überzeugend, dass ausgerechnet ihr Vorgesetzter mit Frauen überhaupt kein Problem zu haben scheint. Das muss natürlich so sein, sonst hätte man sie nicht mit der Chefredaktion beauftragt. Man weiß aber überhaupt nicht, warum er solch eine progressive Entscheidung getroffen hat, der Charakter bleibt dafür viel zu blass.

Freddie Lyon, das wird in den ersten zwei Episoden klar, ist ein außerordentlich begabter Journalist. Gleichzeitig ist er aber kein Sympathieträger. Denn seine Intelligenz hat ihn arrogant gemacht. Er hält alle anderen für schlechtere Mitarbeiter. Das wirkt äußerst unsympathisch. Er wäre dennoch ein respektabler Charakter, wenn seine Arbeit wenigstens überzeugend wäre. Doch das ist sie nicht. Denn während er an der Aufklärung seiner Verschwörung arbeitet, vernachlässigt er seine Arbeit. Dabei nimmt er nicht nur ein heikles Statement zu der Diskussion zur Abschaffung der Todesstrafe auf, sondern sabotiert die Sendung zu Beginn der zweiten Folge sogar ganz direkt. Das ist so unprofessionell, dass Freddie danach einen Großteil seiner Glaubwürdigkeit einbüßt.

Leider sind die beiden ersten Folgen nicht wirklich spannend. Zunächst dauert es sehr lange, bis sich das (sehr kleine) Team überhaupt zusammenfindet. Danach geschieht kaum etwas wirklich ereignisreiches. Sicherlich, es gibt Schwierigkeiten zu Beginn der Sendung. Die sind aber lediglich dem schlechten Zusammenspiel der Mitarbeiter geschuldet, es liegt nicht am Sendekonzept. Das ist nur mäßig bewegend.

Das ärgerlichste an den beiden Auftaktfolgen ist jedoch die Kriminalhandlung, die wohl die gesamte erste Staffel über fortgetragen wird. Freddie Lyon wirkt in vielen Momenten eher wie ein Detektiv, nicht wie ein Journalist. Dabei ist es sicher wichtig, wonach er sucht. Doch die journalistische Arbeit tritt gegenüber seiner Hobby-Detektivarbeit deutlich in den Hintergrund. Wenn die Botschaft der Serie sein sollte, dass journalistische Arbeit der Polizeiarbeit ähnelt, dann war die Verschwörung vielleicht eine gute Idee. Diese Botschaft ist aber nicht wirklich überzeugend und die Verschwörung ist bei weitem nicht spannend genug, um den Zuschauer wirklich zu fesseln.

„The Hour“ bleibt daher deutlich hinter der Qualität von zum Beispiel „The Newsroom„, das die heutige Nachrichtensendungsarbeit in eine Serie verarbeitet hat, zurück. Sicherlich, „The Newsroom“ hat eine sehr idealistische Herangehensweise, was der Spannung häufig abträglich ist. „The Hour“ hingegen ist düster und wartet mit einer dunklen Verschwörung auf. Dadurch wird die Serie nur leider nicht spannender. Wen Kostüme der 50er-Jahre begeistern, dem sei „The Hour“ wärmstens empfohlen. Ich werde diese Sendung nach den ersten zwei Folgen nicht weiter verfolgen.

Die beiden Episoden kann man noch eine Woche bei Arte+7, der Arte-Mediathek, ansehen.

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