Schattenblume (von Karin Slaughter)

Die Kinderärztin und Rechtsmedizinerin von Grant County, Sara Linton, hat den Heiratsantrag ihres ehemaligen Ehemannes, jetzigen Geliebten und Polizeichefs, Jeffrey Tolliver, abgelehnt. Daraufhin hat sich eine Funkstille entwickelt, die sie auf dem Polizeirevier beenden möchte. Just in dem Moment, bei dem zudem eine Schulgruppe das Revier besichtigt, kommt es zu einem Angriff auf die Station. Mehrere Polizisten werden getötet, Jeffrey lebensgefährlich verletzt und die Überlebenden, darunter drei Kinder, werden als Geiseln festgehalten. Während draußen ein Einsatzteam versucht, die Geiselnahme aufzulösen, bemüht sich Sara die Angreifer zu beschwichtigen und Jeffrey das Leben zu retten. Dabei gleiten ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit, als Jeffrey zu Beginn ihrer Beziehung sie mit in seine Heimatstadt nahm. Dort schlug ihm, dem Sohn eines Verbrechers, viel Misstrauen entgegen. Während des Besuch geschehen einige Verbrechen, die allesamt ein schlechtes Licht auf Jeffrey warfen.

Obwohl „Schattenblume“ mit einer wilden Schießerei beginnt, gibt es doch relativ wenig frisches Blut und geschilderte Grausamkeiten. Anders als im Vorgänger Dreh Dich nicht um geschehen im Verlauf des Romans auch keine weiteren Verbrechen. Stattdessen wird in der Rahmenhandlung die Geiselnahme beendet, was überraschend unblutig vonstatten geht. In den Rückblenden werden, nach einem Mord, vor allem bereits vergangene Verbrechen aufgeklärt. Beide Handlungen sind nicht wegen dem Verhalten der Charaktere spannend. Und beide Handlungen leiden darunter, dass man entweder bereits weiß, was mit den Charakteren geschieht oder aber sicher sein kann, dass sie nicht sterben werden.

Das Problem mit Rückblenden ist immer, dass man bereits weiß, wie die Situation in der Zukunft aussehen wird. Das Ende ist somit bekannt. Und obwohl angeblich der Weg ja das Ziel ist, macht das Rückblenden für einen Autor zu einer heiklen Angelegenheit. Die Gefahr, den Leser zu langweilen ist immer gegeben. Dies umgeht Slaughter mit der eindringlichen Schilderung von Jeffreys Heimatort. Es handelt sich dabei um eine amerikanische Kleinstadt, die sich hauptsächlich mit Klatsch zu beschäftigen scheint. Sara, die glaubt, Jeffrey sei bei ihr lediglich auf Geschlechtsverkehr aus, wird von Jeffrey in diese Stadt mitgenommen. Sie lernt seine Freunde und die komplexe Sozialstruktur der Kleinstadt kennen, von der Jeffrey mehrheitlich abgelehnt wird. Auf diese Weise erfährt Sara viel über Jeffreys Vergangenheit und nicht alles kann ihr gefallen. In den darauffolgenden Enthüllungen fällt immer wieder ein schlechtes Licht auf Jeffrey. Für Sara, die Jeffrey eigentlich nur für einen Schwerenöter hält, ist es sichtlich schwer, Jeffrey zu vertrauen. Gerade das ist aber dringend nötig, da niemand sonst Jeffrey vertraut. Leider kann der Leser vorheriger Romane gar nicht anders als Jeffrey zu vertrauen. Obwohl auch er viele dunkle Details aus Jeffreys Vergangenheit erfährt, weiß er doch, dass der zukünftige Polizeichef von Grant County auch in seiner Jugend nicht zu grausamen Taten fähig war. Das nimmt dieser, den meisten Raum des Romans beanspruchenden Handlung, viel Spannung.

Dafür trägt dieser Handlungsstrang dazu bei, dass man etwas über die Vergangenheit der beiden Hauptcharaktere aus Slaughters „Grant County“-Serie lernt. Das ist zwar nicht durchgehend spannend, aber interessant. Zusammen mit Slaughters Fähigkeit, amerikanische Kleinstädte darzustellen, ist das sehr unterhaltsam und wartet am Ende auch mit einigen Überraschungen auf.

Weniger überzeugend ist die Rahmenhandlung um die Geiselnahme. Hier hat die ehemalige und nun wieder eingestellte Polizistin Lena einige Auftritte. Sie sind aber für ihren Charakter nicht sehr bedeutend und es ist die ganze Zeit über klar, dass bei der Geiselnahme wohl nicht die beiden Haupterpersonen der Serie Sara und Jeffrey sterben werden. Angst muss man daher um die anderen Polizisten und die Kinder haben. Angesichts Slaughters Schreibstil ist es ein kleines Wunder, dass die Opferzahl sehr überschaubar bleibt. Trotz dieser Überraschung kann die Rahmenhandlung nicht überzeugen, sie wirkt zu konstruiert. Zwei Männer die in das Polizeirevier stolzieren, wild um sich schießen und es hauptsächlich auf den Polizeichef abgesehen haben, wirkt schon merkwürdig. Slaughter liefert später eine logische Erklärung für das Verhalten und natürlich wird es mit den Rückblenden verlinkt. Aber selbst dort spielen die Täter nur eine Nebenrolle, die Rahmenhandlung wirkt auch danach, wie erwähnt, konstruiert.

„Schattenblume“ arbeitet an den Hauptcharakteren und ist in dieser Hinsicht sehr gut. Außerdem wird das amerikanische Kleinstadtleben in den ehemaligen Südstaaten eindringlich geschildert. Die Kriminalfälle bleiben aber weitestgehend hinter den vorherigen der Serie zurück und können im Vergleich zu der Charakterarbeit nicht überzeugen.

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