Die Dreigroschenoper (im Berliner Ensemble)
|Die Dreigroschenoper wurde vor 74 Jahren am Theater am Schiffbauerdamm aufgeführt. Heute residiert dort das Berliner Ensemble. Seit 2006 wird dort die hier rezensierte Inszenierung des Stückes aufgeführt.
In dieser Dreigroschenoper-Inszenierung sind alle Schauspieler weiß überschminkt, sie wirken dadurch etwas puppenhaft, auf jeden Fall aber verfremdet. Denn Gefühlsregungen sind entweder gar nicht oder aber in übertriebenem Ausmaß zu erkennen. Damit nimmt natürlich die Bedeutung der Körperbewegungen der Schauspieler zu. Es ist angesichts der Mimik nicht verwunderlich, dass auch die Bewegungen ins übertriebene gesteigert sind. Vom hoppelnden Verbrecher bis zur tippelnden Polly sorgen die Bewegungen meist für ein Schmunzeln. Mit der präsentierten Entfremdung dürfte die Inszenierung aber einige Elemente von Brechts – später entwickelter – Theorie des epischen Theaters umsetzen.
Trotz der Verfremdung sind alle Schauspieler „normal“ gekleidet. Wie es sich für das victorianische London wohl gehörte treten die Herren im Anzug auf, die Frauen entweder im Hosenanzug oder aber in Kleidern. Farbe gibt es dabei keine. Nur Maceath fällt aus diesem Schema. Seine Kleidung, zumindest aber seine Unterwäsche, ähnelt eher Damenbekleidung. Er macht einen äußerst androgynen Eindruck.
Die Hauptsache des Stückes, die kritischen, lustigen und bewegenden Lieder, wirken exellent. Das Orchester setzt die Lieder gekonnt um und die Schauspieler singen weitestgehend sehr gut, schaffen häufig auch die hohen Tonlagen. Dabei werden für die Zwischenszenen beim Bühnenumbau immer wieder die Grundthemen einzelner Stücke genommen und ohne Gesang ausgebaut. So kommt der Zuschauer nicht nur während des „Kanonensong“ in den Genuss des Liedthemas sondern auch in einer Zwischenszene, in der der Polizeipräsident Brown über die Bühne wandert.
Die Finale der Akte sind sehr gute herausgearbeitet. Sowohl die Ballade über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse als auch die Ballade über die Frage, wovon lebt der Mensch wirken eindrucksvoll und bleiben im Gedächtnis hängen. Das weniger prägnante, weil unrealistische Endfinale wirkt vor allem wegen des dann zur Schau gestellten Prunkes.
Die Bühne ist nie leer. Auch wurde von einem einheitlichen Aufbau abgesehen. Stattdessen wird eine Mischung aus Symbolik und Requisite angewandt. Der Galgen im Finale ist als solcher deutlich zu erkennen. Auch die Arrestzelle hat dicke Gefängnisstäbe. Hier beginnt aber bereits der Übergang zur Symbolik. Denn dieses Stabmotiv wird in kleinerem Maßstab an anderer Stelle verwendet. Bei dem Bettlerkönig Peachum werden kleine Gitterelemente, die mal leuchten und mal nicht angewandt. Ein deutliches Symbol dafür, dass die Peachums nicht in der Lage sind, über ihren Pragmatismus hinaus zu denken.
Die Inszenierung kann den Zuschauer mit den grandiosen Liedern begeistern. Auch sonst ist ist sie inhaltlich nahe am Original. Zusätzlich sorgen die Entfremdungseffekte mal für Nachdenken über die gewählten Gesten mal aber auch einfach für Lacher. „Die Dreigroschenoper“ am Theater am Schiffbauerdamm sorgt für einen unterhaltsamen Abend, bei dem aber auch die von Brecht gewollte Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen nicht zu kurz kommt.