Die schmutzigen Hände (im Deutschen Theater)

Hugo, ein junger Intellektueller, schließt sich während des zweiten Weltkriegs der kommunistischen Partei Illyriens an. Die Rote Armee ist auf dem Vormarsch, die Deutsche Armee wird bald fallen. Die kommunistische Sache scheint damit der Sieg sicher zu sein. Bisher ist Hugo Redakteur der Parteizeitung, er möchte aber endlich aktiv werden. Nach einigem Flehen erhält er den Auftrag, den Generalsekretär der Partei, Hoederer, zu ermorden. Hoederer möchte mit den Liberalen und den herrschenden Faschisten eine gemeinsame Front bilden, um den Einfluss der Kommunistischen Partei nachhaltig zu sichern. Für Hugo und einen Großteil der Partei ist das ein Verrat an den Idealen der Revolution. Also wird Hugo mit seiner Frau Jessica als Sekretär bei Hoederer eingeschleust. Er kann sich jedoch nicht dazu durchringen, Hoederer umzubringen. Erst als sich dieser seiner Frau nähert, gelingt es Hugo, ihn im Affekt zu erschießen. Nach mehereren Jahren im Gefängnis kehrt Hugo zur Partei zurück. Seine Gewissensbisse rühren von der Tatsache, dass er Hoederer nicht sofort erschießen konnte. Bei der Partei erlebt er jedoch, dass Hoederers Ziele mittlerweile von der Partei vertreten werden, auch er soll sich dieser Linie nun anschließen. Er weigert sich und begeht – in dieser Inszenierung – Selbstmord.

Das Stück beginnt mit der Rückkehr Hugos zu der Partei. In diesem ersten Auftritt wird der Fortgang der Geschichte bereits zusammengefasst. Dem Zuschauer ist somit klar, was geschehen wird. Lediglich das Mordmotiv bleibt etwas im Unklaren. Hugo sagt im Nachhinein, er hoffe, er habe den Mord aus politischen Gründen begangen. Wirklichen Aufschluss gibt auch der Hauptteil, die Rückblende nicht.

Die Inszenierung wartet mit einem beeindruckenden Bühnenbild auf. Auf der Bühne befinden sich mindestens vier Kreuze, die starke Steinwände darstellen. Sie sind all um sich selbst drehbar und gleichzeitg kann die ganze Anlage gedreht werden. Das sorgt für viel Bewegung im Szenenübergang. Wie bereits bei der Puntila-Inzenierung wird während der Übergänge viel mit Musik gearbeitet. Teilweise wird sie auch während der Szenen zur Dramatikunterstützung eingesetzt. Auch ander mediale Effekte, wie zum Beispiel Videokameras, die die Schauspieler auf die Wände projizieren, werden häufig eingesetzt. Das sorgt für einen stimmungsvollen Gesamteindruck. Außerdem entstehen dabei viele Highlights, wie zum Beispiel einen Übergang, in dem viele „-ismen“ (von Dogmatismus über Terrorismus bis zum „Finale“ dem Humanismus) unter lauter Musik auf der Bühne erscheinen.

Mit Hugo erlebt der Zuschauer jemanden, der sich unbedingt für seine Ideologie nützlich machen möchte. Zumindest redet er es sich ein, denn gleichzeitig verklärt er den Tod, sucht ihn gelegentlich sogar. Dazu kommt aber eine unpolitische Komponente, die Beziehung zu seiner Frau Jessica. Das Paar kann nicht offen miteinander reden, ein Großteil der Beziehung besteht aus inszenierten Streiten. Gleichzeitig nehmen sich die beiden in den seltensten Fällen gegenseitig Ernst. Das Ehepaar sorgt so für einige lustige Szenen, insgesamt wirkt die Beziehung aber äußerst angestrengt. Die ständigen Rituale und Inszenierungen bilden häufig die Überleitung zu Gedanken darüber, was real sei und was nur gespielt.

Hoederer ist das Musterbeispiel für einen pragmatischen Machtpolitiker. Er analysiert die Situation und versucht anhand seiner Ergebnisse das Beste für sich, seine Partei und die Arbeiter (und zwar in der Reihenfolge) herauszuholen. Das widerspricht natürlich Hugos Idealismus. Nichtsdestotrotz scheint Hugo Hoederer zu bewundern, zumindest aber ist er nicht in der Lage diesen einfach umzurbingen. Nach Hoederers Konferenz mit den Liberalen und Faschisten, die Hugo durch sein Attentat eigentlich verhindern sollte, kommt es zu einem wilden Wortgefecht zwischen den Beiden. Hoederer gelingt es dabei nicht, Hugo von seiner Sicht zu überzeugen. Dabei stellt sich aber heraus, dass Hugo wenig Mitleid für die hunderttausenden Bürger hat, die im Krieg, in der Revolution und in der Nachfolgenden Errichtung einer Diktatur stebern würden. Wenn es das zum Erreichen der Ideale benötigt, müsse es eben so sein. Auf diese Weise wirkt der Pragmatiker Hoederer weniger berechnend und kalt, da er im Gegensatz zu dem flammenden Intellektuellen Hugo offensichtlich das Leben zu schätzen weiß.

Der Umschwung Hugos kommt in dieser Inszenierung äußerst plötzlich. Hoederer bietet Hugo die Chance, ihn zu töten, nachdem er herausgefunden hat, dass dies Hugos Auftrag ist. Hugo nutzt sie nicht. Als Hoederer von Jessica, die sich in dem Unterschlupf ganz offensichtlich langweilt, verführt wird, platzt Hugo ins Zimmer und massakriert Hoederer. Diese Wendung wirkt aufgrund ihrer Plötzlichkeit etwas unbefriedigend.

Ebenfalls unbefriedigend wirkt das Handeln Jessicas. Sie entstammt offensichtlich bürgerlichen Schichten und nimmt weder Hugo noch die Partei ernst. Damit sorgt sie für viele lustige Momente in dem Stück. Warum sie Hugo gelegentlich unterstützt, letztendlich aber Hoegerer verführt, wird nicht deutlich. Ihr Handeln ist willkürlich und launenhaft. Die Aussage dahinter bleibt schleierhaft.

Interessanter ist da eher die Rolle der Parteigenossin Olga. Sie unterstützte Hugo dabei, einen Auftrag zu erhalten. Währenddessen warnt sie ihn davor, dass die Partei unruhig wird, da er das Attentat nicht sofort verübt. Sie hängt offensichtlich an Hugo und versucht immer wieder ihn zu schützen. Aber sie vertritt treu die Parteilinie. Anders als Hugo, der in der Partei eine idealistische Organisation ohne Lüge sieht, folgt sie dem was vorgegeben ist. Damit ist sie unfähig, Hugo am Ende des Stückes eine Perspektive zu geben. Sie ist in dem Stück aus Hugos Sicht die einzige Person, die ihm „vertraut“. Da sie zum Schluss in seinen Augen ebenfalls lügt und täuscht, verliert er alle Hoffnung und bringt sich um.

Die Inszenierung des Stückes ist sowohl bewegend als auch an einigen Momenten unterhaltsam-komisch. Das Stück bringt den perspektivlosen Bürger auf die Bühne, der sich dank seines Weltschmerzes einer revolutionären Ideologie bemächtigt und sie scheinbar idealistisch nach außen trägt. In Wirklichkeit verachtet er aber nur sich und sein Leben, die Perspektive, die er in der Partei zu finden meint, ist nur Trug. Seine Radikalität macht ihn zum Werkzeug, einen Pragmatiker umzubringen. Wirklich gelingen kann das aber erst, als dieser sich des einzigen bemächtigt, was er aus seinem alten Leben lieb gewonnen hat. Im Gefängnis beruhigt er sich mit seinen Idealen, nur um bei seiner Rückkehr endgültig seine Illusionen über die Partei zu verlieren. Das Stück ist somit ein Appell daran, bei allen Zielen, die man hat, nicht ideologisch zu werden und übermäßig idealisierte Institutionen regelmäßig kritisch zu hinterfragen.

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