Wie lang kann ein Mensch tanzen? (von Rosenstolz)

Seit Freitag ist die neue Rosenstolz-Single „Lied von den Vergessenen“ im Handel. Das Single-Lied selbst ist bereits von dem Album „Wir sind am Leben“ bekannt. Spannend ist hingegen – wie bei jeder Rosenstolz-Single, das neu geschriebene Lied, das in diesem Fall den Titel „Wie lang kann ein Mensch tanzen?“ trägt.

Das Lied beginnt mit sanften Klavierklängen. Später werden Schlagzeug und Bass durch sanft eingesetzte Bläser ergänzt. Die Bläser werden an einigen Stellen betont eingesetzt, um bestimmte Textausschnitte zu betonen. Die Hintergrundmusik würde sich für sich wohl ganz gut zum Tanzen eignen, wodurch sie zu dem Motto des Liedes passt.

„Wie lang kann ein Mensch tanzen?“ greift die Frage auf, was Menschen mit Ablenkung bezecken. Wenn ich morgens nach Haus komm, dann fall ich in ein Loch, sind die ersten Zeilen des Liedes. Das Zuhause-, das Alleinsein scheint hier eine große Schwierigkeit zu sein, auch wenn kurz darauf beteuert wird, dass dieses Loch noch immer überwunden werden kann. In der zweiten Strophe wird dann eine andere Seite skizziert: Viel reden, immer da sein. So wird der vermutlich fröhlich wirkende Auftritt beim Ausgehen beschrieben.

Darauf folgt der nachdenkliche Refrain. Wie lang kann ein Mensch tanzen? Wie viel Kraft hat ein Lied?. Daran schließt sich der Wunsch ein Stück vom Ganzen zu erhalten an. Die folgenden Zeilen erstellen ein wenig einen Bogen zu dem „Lied von den Vergessenen“. Hier geht es nämlich um die Frage, ob überhaupt jemand etwas davon mitbekommt, was man gerade tut. Ob das jemand hier sehn kann, ob das jemals einer erkennt.

Die dritte und vierte Strophe beschäftigen sich mit Selbstzweifeln. Vielleicht hab ich zu lang getanzt, vielleicht hab ich den Zug verpasst. Tanzen wird auch hier wieder als zeitlich begrenzte Aktivität aufgefasst, die zwar noch ausgeübt wird, aber irgendwann beendet werden muss. Der richtige Moment für den Absprung ist jedoch unklar, dürfte aber mit dem persönlichen Wunder, das im Refrain gewünscht wird zusammenhängen. In der vierten Strophe gesellt sich Angst zu den Selbstzweifeln. Ich fürchte mich, die Nacht verinnt. Dies greift den Eingang des Liedes auf, in dem die Situation des „Nachhausekommens“ skizziert wird. Die vierte Strophe endet mit der Aussage: Meine Waffen sind stumm – da löst sich kein Schuss. Was verdeutlicht, wie wenig Handlungsoptionen zur Verfügung stehen. Das Ganze Arsenal ist erschöpft.

Nach einem musikalischen Zischenspiel und der Wiederholung des Refrains werden eine Reihe von Fragen gestellt, die alle mit Wie will mich beginnen. An die Einleitung reiht sichunter anderem wenn ich nicht lustig bin? … wenn ich nicht zu sagen hab? … wenn ich mich nicht ertrag? an. All diese Fragen verdeutlichen noch einmal die Unsicherheit und Unzufriedenheit, die durch das „Tanzen“ kaschiert werden sollen und immer wieder ausbrechen, wenn alles zum Stillstand kommt. An diesen sehr guten Moment und Höhepunkt des Liedes schließt sich leider die Aussage Sie nahm mich nur, weil es keine andre gab an. Dies ist im Kontext schwer zu erklären, für mich unverständlich und stört. Glücklicherweise schließt sich daran noch kurz die ersten Zeilen des Refrains an, was das Ende etwas rettet.

„Wie lang kann ein Mensch tanzen?“ ist ein nachdenkliches Lied mit tanzbarem Rhythmus über das Kaschieren der eigenen Einsamkeit und der eigenen Probleme durch permanentes Verstellen oder wegtanzen des eigenen negativen Gemütsstatus. Dadurch wird kurzfristige Freude erzeugt, die der Gewinnung langfristiger Glückszustände jedoch im Weg steht. Insofern ist das Lied nicht nur sehr gelungen, sondern passt auch sehr gut zu der Single-Veröffentlichung „Lied von den Vergessenen“.

Zu dem Lied wurde ein Kurzfilm in Barcelona produziert, von dem leider nur ein kleiner Ausschnitt frei verfügbar ist:

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