Extrem laut und unglaublich nah

„Extrem laut und unglaublich nah“ ist – wenig überraschend – die Kino-Umsetzung des gleichnamigen Buches. Das Buch bestand aus zwei beinahe seperaten Handlungssträngen. Oskar hat seinen Vater bei den Anschlägen des 11. Septembers verloren und findet in dessen Wandschrank einen merkwürdigen Schlüssel. Er glaubt, dass sein Vater ihm damit eine Botschaft hinterlassen wollte. Auf dem Briefumschlag des Schlüssels steht der Name „Black“. Oskar beginnt also alle Blacks in New York zu fragen, ob sie wissen, was es mit dem Schlüssel auf sich hat. Derweil bewältigen Oskars Großeltern ganz andere Probleme. Sein Großvater hat seine Jugendliebe und seine Eltern im ersten Weltkrieg während der Bombardierung Dresdens verloren. Seitdem spricht er nicht. Mit der Schwester seiner Jugendliebe hat er in Amerika eine skurrile Beziehung, dessen Ergebnis Oskars Vater war. Doch vor der Geburt flüchtete Oskars Großvater und kommt nun nach den Anschlägen zurück.

Der Film setzt diese Vorlage zunächst sehr originalgetreu um. Dabei muss zunächst viel mit dem eher unschönen Stilmittel der Stimme aus dem Off gearbeitet werden. Der Roman lebt zu großen Teilen von den Gedanken Oskars und da der erste Teil maßgeblich von Oskar getragen wird, braucht es die auf Dauer etwas nervige Stimme. Dafür setzt der Film den etwas verwobenen Aufbau Foers um. Es ist nicht sofort klar, was geschehen ist, stattdessen muss man einen Teil der Ereignisse erst selbst einordnen.

Im Roman wird die Handlung um die Großeltern bis auf den kurzen Moment, in dem Oskar auf seinen Großvater trifft, in Briefform erzählt. Das ist in einem Film eher schwierig möglich. Oskars Großmutter hat in dem Film daher nur eine Nebenrolle, während die Beziehung zwischen Oskar und ihr im Roman relativ ausführlich dargestellt wird. Die bedingungslose Liebe, mit der sie ihren Enkel überhäuft, ist in dem Film zwar denkbar, aber nicht erfühlbar. Dafür wirkt das Verhältnis zwischen Oskar und seiner Mutter im Film wichtiger. Oskar hat zunächst große Probleme, mit seiner Mutter zu reden. Er macht ihr insgeheim sogar diverse Vorwürfe, zum Beispiel, dass sie am Tag der Anschläge nicht zu Hause war oder dass sie nicht fragt, wo er immer hin geht. Zum Schluss stellt sich heraus, dass Oskars Mutter seine Suche die ganze Zeit überwacht und begleitet hat. Etwas schade ist, dass man ihren Freund Ron weggelassen hat. Dieser hat im Roman ebenfalls seine Partnerin verloren und versucht gemeinsam mit Oskars Mutter darüber hinwegzukommen. Oskar sieht das als Verrat an dem Vater.

Es ist eine gute Idee, die Handlung um die Großeltern größtenteils wegzulassen. Stattdessen darf Oskar mit seinem Großvater auf die Suche gehen. Das führt zu einigen anrührenden Szenen zwischen dem alten verletzten Mann und dem etwas unsensiblen Oskar. Zwar schafft der Film es dadurch nicht, die Szene des Romans, in dem Oskar und sein Großvater den leeren Sarg des Vaters ausbuddeln und ihn mit den nie abgeschickten Briefen des Großvaters füllen, unterzubringen, dennoch hat man das Gefühl, der Großvater habe im Film eine sinnigere Rolle. Denn in gewisser Weise hilft er Oskar, über einige seiner Ängst hinwegzukommen. Allen voran seine Angst vor öffentlichen Verkehrsmitteln und Brücken. Im Roman geschieht das durch einen unbekannten Black, mit dem Großvater, der einige Verhaltensweisen mit Oskars Vater teilt, macht das mehr Sinn.

Bei all dem bleibt der Film überraschend berührend. Vor allem die Szenen zwischen Oskar und seiner Mutter sind weitestgehend besser gelungen als im Buch. Auch die vielen Besuche, die hier mehr im Fokus stehen als im Buch, sind sehr gut inszeniert. Der Film mag zwar darunter leiden, dass viele Zusammenhänge, vor allem die Großeltern betreffend, verschwiegen werden und erst durch die Lektüre des Buches deutlich werden. Dennoch reduziert er die etwas unglaubwürdigen Aspekte des Buches und konzentriert sich auf die berührende Verarbeitungsphase Oskars. Die Umsetzung dieser Handlung ist gelungen.

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