Unter Linken (von Jan Fleischhauer)
|Jan Fleischhauer ist Redakteur beim Spiegel und schreibt dort seit kurzem für die Kolumne „Der schwarze Kanal“. Dort hält er, was der Name verspricht: jeden Montag wird alles links von der Union kritisiert.
Das ist völlig berechtigt, wenn man dem Ganzen wenigstens ein eigenes Ziel, eigene Werte entgegensetzt. Denn sonst ist man eigentlich da, wo Union und Liberale die Grünen sehen: Beim penetrantischen Dagegen.
Fleischhauer wurde vermutlich aufgrund seines Buches als Autor für den „Schwarzen Kanal“ ausgewählt. 2009 veröffentlichte er rechtzeitig für die Bundestagswahl das Buch „Unter Linken – von einem der aus Versehen konservativ wurde“. Das Buch schlug hohe Wellen, es folgte ein Fernsehfilm und jetzt eben der „scharze Kanal“, auf dem Fleischhauer die Linie aus dem Buch natürlich konsequent fortführt.
Das Buch liest sich leicht und schnell. Es gibt kaum Stellen die anstrengend wirken, das Buch wirkt wie eine angenehme Abwechslung zu den sonst so umständlichen, oft langweiligen deutschen Sachbüchern.
Das liegt aber an einem Vorteil den Fleischhauer mit sich bringt: Er weiß, wo gut und wo böse ist. Denn nicht umsonst sind es immer die polarisierenden Bücher, die in Deutschland Erfolg haben. „Unter Linken“ kennt nur zwei Kategorien: Links (böse) und nicht-Links (gut).
Und das ist die größte Schwäche des Buches. Die Kritik der FAZ lautete, dass Fleischhauer die Lebenswelt der 80er Jahre beschreibe, in der es solch eine klare Trennung vielleicht noch gegeben habe. Noch vor kurzem waren nicht wenig Menschen schließlich auch der Meinung, man könne sich von Begriffen wie „links“ und „rechts“ eigentlich gänzlich verabschieden, man habe sich ja in der Mitte getroffen. Das ist auch falsch, die Wahrheit liegt dazwischen. Nicht aber für Fleischhauer. In einigen wenigen Passagen differenziert er zwar, dass einige Thesen „nicht auf den sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionär“ zutreffen. Aber schon die Einordnung hat einen tendenziell negativen Beigeschmack. Mittlerweile ist es aber ja tatsächlich die Frage, was eigentlich noch Links ist. Die SPD wird von vielen seit der Agenda-Politik nicht mehr wirklich als links gesehen. Die Grünen fühlen sich in schwarz-grünen-Bündnissen immer solange wohl, bis ihr eigenes Klientel es wirklich nicht mehr aushält. Und die Linke wird von nicht wenigen einfach nur als strukturkonservative Partei gesehen. Wen meint Fleischhauer von den Parteien dann noch beziehungsweise wie begründet er, dass diese Parteien noch links sind? Genau so könnte man bei gesellschaftlichen, linksverorteten Gruppierungen verfahren. Ein paar Abgrenzungsversuche wären notwendig gewesen.
Insofern ist es auch schwierig, sich mit Fleischhauers Positionen inhaltlich auseinanderzusetzen. Es ist nicht klar, wer das Konzept, das Fleischhauer angreift eigentlich repräsentiert. Mal ist es tendenziell sozialdemokratische Bildungspolitik, ein anderes Mal ist es die Israelfeindlichkeit, die nicht nur am linken Rand, sondern auch am rechten zu finden ist. Diese mangelnde Abgrenzung macht es schwierig, das Buch ernst zu nehmen.
Fleischhauer hat übrigens auch nur in den seltensten Fällen ein Gegenkonzept. In solchen Momenten ist er dann Klischee eines Konservativen. Denn er zerlegt die Ansätze linker Gruppierungen, bietet aber kein Gegenmodell an. Am schönsten ist dabei die Stelle über Chancengleichheit. Die könne es gar nicht geben, da sich das Hirn schon im Mutterleib entwickelt. Man müsse also strikt kontrollieren, dass keine einzige Mutter während der Schwangerschaft raucht und trinkt. Da man das nicht könne, werde es auch nie Chancengleichheit geben. Eine stichhaltige Ableitung, die dem Problem ungleicher Chancen im Bildungssystem aber keine neue Lösungsmöglichkeit präsentiert. Dafür ist Fleischhauer mit dem Buch auch nicht angetreten. Fleischhauer erwähnt, dass bei „Linken“ alles immer gleich ein „Projekt“ sein muss. Selbst wenn man auf ein Projekt verzichtet, sollte man aber ein Anliegen haben. Denn sonst müsste man ja begründen, warum so viele Änderungsbedarf verspüren, während man selbst auf der Position steht: „Alles ist gut“. Es bleibt also die Frage, ob es ausreicht, sich immer nur darüber zu definieren, dass man ausnahmslos alles, was nach „links“ riecht, ablehnt oder ob man nicht wenigstens an einigen Stellen so etwas wie einen Gegenentwurf beziehungsweise ein konträres Wertesystem skizzieren sollte.
Gelungen sind die Passagen, in denen Fleischhauer seine Herkunft, gegen die er rebbelliert hat, beschreibt. Er kommt aus einem sozialdemokratischen Elternhaus und hat die Linie erst weitergeführt, bis er sich irgendwann davon abgewandt hat. Leider macht dieser Teil nur den knappen Anfang aus, danach wird es nur noch permanentes, teilweise etwas penetrantisch Wirkendes „Dagegen“-Sein. Außerdem spielen die Szenen aus seinem Elternhaus tatsächlich in der Zeit vor 1990. Und wie sehr sich diese Zeit von der unsrigen, mit eher unpolitischen Jugendkulturen, unterscheidet, kann man unter anderem in dem Buch von di Lorenzo und Hacke erlesen, das übrigens einen eigenen Werteentwurf mit sich bringt.
Interessant ist das letzte Kapitel, das sich knapp über „die Linke und der Humor“ auslässt. Das Kapitel kommt zu dem Fazit, dass Linke eben diesen nicht besitzen. Interessant ist das Kapitel am Ende eines Buches, dass zwar locker geschrieben ist, aber nicht unbedingt auf Witz setzt, sondern sich eher auf penetrante Aufarbeitung und Anschuldigungen konzentriert. Wenn man dem noch Fleischhauers Kolumnen auf Spiegel Online entgegensetzt, in denen er nach der Wahl in Baden-Württemberg den Untergang des Landes sah oder er nach der Atomkatastrophe in Fukushima die Opfer der Katastrophe mit Verkehrsopfern in Verbindung gesetzt hat. Beide Reaktionen auf – für Konservative sicherlich verstörende Ereignisse – zeugen nicht gerade von einem Übermaß an Humor.
„Unter Linken“ ist gut zu lesen, inhaltlich aber nur vom „Dagegen“-Sein und teilweise einer gewissen Hässigkeit geprägt. Das Buch krankt an Ungenauigkeit und eigener Kreativlosigkeit. Die lockere Aufarbeitung dominanten, linken Gedankenguts hat zudem das Problem, dass die Lebenswirklichkeit mittlerweile anders erscheint. Die meisten Medien beäugen das linke Lager mindestens so kritisch wie das rechte. Und auch im Alltag erscheint es nicht selbstverständlich, dass die „Linken“ diese Gesellschaft tatsächlich dominieren. Denn Fleischhauer erinnert zurecht daran, dass die BRD gerade einmal 20 Jahre von tendenziell „Linken“ regiert wurde. Die eigentliche politische Macht war also meistens woanders konzentriert. Von der wirtschaftlichen Macht im Land gar nicht zu sprechen. Insofern ist die Wichtigkeit des Buches unklar.
Das Ziel des Buches, eine einseitige, undifferenzierte Polemik, die frühere Erfahrungen einer damals vielleicht „linksdominierten“ Gesellschaft verarbeitet, ist allerdings erreicht.