Digitales Schengen

Das EU-Parlament ist vor einiger Zeit von der Forderung nach Netzsperren abgerückt. Doch das Parlament ist nur ein Strang der EU-Gesetzgebung. Dem gewählten Parlament beinahe gleichgestellt ist der EU-Rat. Der hat laut Spiegel Online heute eine schöne Idee entwickelt: Eine Art digitalen Schengen-Raum für Europa. 

Die Idee: Netzsperren machen auf nationaler Ebene keinen Sinn, also heben wir sie auf die europäische. Innerhalb Europas könnte man gesetzeswidrige Inhalte löschen, außereuropäische Inhalte würde man prüfen und eventuelle auf eine Art schwarze Liste setzen. Die darauf aufgeführten Anbieter müssten von allen europäischen Providern gesperrt werden.

Das Ganze ist also dasselbe nationale Prinzip, das sich auch schon auf nationaler Ebene als unsinnig erwiesen hat. Schon ist allerdings die selbst gewählte Schengen-Analogie. Ungewünschte Inhalte würden wie unerwünschte Einwanderer abgewiesen. Interessant ist dabei, dass es nicht – wie der deutsche Vorstoß – nur auf kinderpornographische Inhalte bezogen ist, sondern allgemein auf „gesetzeswidrig“. Der Begriff erscheint doch relativ schwammig.

Der Grüne von Notz wird von Spiegel Online zitiert, dass das Prinzip Unrechtsregime legitimieren würde, das Gleiche zu machen. Allerdings wäre in dem Fall „gesetzeswidrig“ alles, was der Ideologie widerspricht. Es bleibt aber natürlich die Frage, wie man gesetzeswidrige Seiten aus dem Netz bekommt. Hier sollte sich die EU eher überlegen, wie sie in bestimmten Themenbereichen das Löschen derselben vorrantreiben kann beziehungsweise das Entstehen insgesamt verhindern kann.

Das eigentlich traurige ist aber, dass ein positiver Begriff weiter entfremdet wird. Das Schengener Abkommen hatte urpsprünglich das Ziel, die Grenzkontrollen in Europa aufzuheben, was ja auch weitestgehend gelungen ist. Daraus folgte aber natürlich ein Kontrollbedarf an den Grenzen Europas. Daher stand Schengen schon immer auch für untergegangene Flüchtlinge im Mittelmeer und starke Kontrollen gegen Osteuropa. Das nun aber selsbt Eurokraten die negativ besetzte Seite des Abkommen, nämlich die noch existierenden Kontrollen herausstreichen, um weitere Kontrollen und Sanktionen zu unterstützen, ist traurig.

Denn wen wundert es, wenn das Image der EU in vielen Ländern immer mehr leidet, wenn selbst die Eurokratie die positiven Punkte von Abkommen unter den Tisch kehrt. Schengens Ansatz war Freizügigkeit in Europa zu schaffen, ein Nebeneffekt sind die strengen Kontrollen an den Außengrenzen. Freizügigkeit im europäischen Netz gibt es schon, im außereuropäischen gibt es das auch. Einen weiteren Netzsperrenvorstoß mit Schengen gleich zu setzen, ist somit Schwachsinn.

Eigentlich wäre der Vorstoß etwas, worauf die neue „Digitale Gesellschaft“ reagieren könnte. Als Lobbyorganisation könnte man da mal einen alternativen Weg entwickeln, wie gesetzeswidriger Inhalt aus dem Netz verschwindet, ohne dass man zu zensurähnlichen Maßnahmen greifen muss. Denn das einfach zu akzeptieren, wäre zu leicht.

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