Geliebte Netzsperren?
|Sascha Lobo erklärte gestern in seiner Spiegel-Online Kolumne, warum die Politik Netzsperren eigentlich so liebt. Lobo ist einer der bekanntesten deutschen Blogger und in Sachen Netzpolitik einer der umtriebigsten Akteure. Zusammen mit vielen anderen Internet-Nutzern wandte er sich gegen die Netzsperren bei kinderpornographischen Seiten. Mittlerweile ist nicht nur der Plan vom Tisch, sondern auch der neue Jugendmedienstaatsvertrag gescheitert, der ähnliche Instrumente vorsah. Denn0ch gibt es mit dem Glücksspielstaatsvertrag jetzt einen dritten Anlauf, in einem bestimmten Feld Netzsperren einzuführen. Lobo stellt fest, dass die Politik den Kontrollverlust einfach zu akzeptieren hat. Und genau das ist der Punkt, den die Politiker in einer repräsentativen Demokratie natürlich nicht akzeptieren können.
Netzsperren können eigentlich nicht die Lösung sein. Vor kurzem erst musste die Bundesregierung zerknürscht feststellen, dass Löschen eben doch besser funktioniert als sperren. Für die Frage, wie man Jugendliche vor nicht-jugendfreiem Inhalt schützt, ist wiederum noch keine Lösung gefunden worden. Andererseits: Im Fernsehen werden zwar Filme ab 18 nicht gezeigt, aber Filme ab 16 werden ebenfalls lediglich durch einen Hinweis „geschützt“. Die eigentliche Kontrolle obliegt den Eltern und so dürfte es mit dem Internet ebenfalls zu handeln sein.
Schwieriger ist das Thema Glücksspiel. Das Glücksspiel kann Menschen ruinieren. Verständlich, dass der Staat das kontrollieren möchte. Wobei zu vermuten ist, dass es den meistne Bundersregierungen in erster Linie um die Steuern und erst in zweiter Linie um die Menschen gehen wird. Hier besteht nicht die Möglichkeit, ausländische Anbieter löschen zu lassen. Denn während Kinderpornographie in den meisten Ländern illegal ist, ist Glückspiel nicht überall illegal. Was also tun, den „Kontrollverlust akzeptieren“ lernen?
Sascha Lobo schreibt, die technische Kontrolle wäre eine Illusion. Man müsse stattdessen einsehen, dass der Kontrollverlust „auch eine Kontrollverschiebung“ sei, nämlich zum Bürger, von dem in einer Demokratie ja eigentlich die Macht ausgehe. Wenn die Politik also aufhört, Dinge zu kontrollieren, würde die digitale Bürgergesellschaft die Kontrolle selbst in die Hand nehmen. Das mag für die Mehrheit der Menschen vielleicht der Fall sein, die meisten werden im Internet kein Glücksspiel suchen. Aber die, die auch offline anfällig für Glücksspiel sind, werden sich anders verhalten. Sie wurden bisher zumindest ein wenig geschützt, wie soll das jetzt gehen?
Menschen gehen in die Politik, weil sie an die Veränderbarkeit von Dingen glauben. Wenn sie ein Problem sehen, glauben sie daran, dass es eine Lösung gibt. Die gefundene Lösung ist oft nicht richtig, aber die wenigsten Politiker werden sich damit abfinden, dass es keine Lösung gibt. Wir wählen Repräsentanten, damit sie für uns Probleme lösen. Das tun wir zwar nur alle vier Jahre, aber in den letzten Jahrzehnten beinhaltete das immer Glücksspielregelungen, ohne dass das die Mehrheit gestört hat. Lediglich Lobbygruppen um private Glücksspielfirmen und Automatenfirmen protestierten. Die Politik muss also denken, dass sie es mit einem guten Prinzip zu tun hat, das fortgeführt werden sollte – auch im Internet.
Die derzeitige Denkmuster führen zu Netzsperren, da hat Sascha Lobo völlig recht. Aber anstatt darauf hinzuweisen, dass manden Kontrollverlust akzeptieren müsse, sollte er sich mit anderen Gedanken über bessere Lösungen machen. Sicher: Er wurde werde dafür gewählt, noch ist es primär sein Job. Beim Thema Kinderpornographie kam aus dem Internet – wie ereits erwähnt – der Hinweis, löschen statt sperren. Das hat sich jetzt als der richtige Weg erwiesen. Wenn bei jedem Netzpolitischen Problem die „digitale Gesellschaft“, sinnige von der Bundesregierung auch akzeptierbare Vorschläge unterbreitet, dürfte langfristig ein Dialog zustande kommen, der auch zu Lösungen führt. Die gestrige Gründung einer eigenen Lobbyorganisation ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings scheint man sich eher als Kampagnenportal zu sehen, denn als Berater für alternative Lösungsmöglichkeiten. Der Weg, den Sascha Lobo mit seinem Appel einzuschlagen versucht, führt hingegen zu Lagerbildung. Denn Politiker können vielleicht Kontrollverluste akzeptieren, aber nicht den Glauben, dass man (fast jedes) Problem über irgendeinen Mechanismus (der nicht unbedingt Kontrolle sein muss) lösen kann.