Die Analphabetin, die rechnen konnte (von Jonas Jonasson)
|Nombeko wird in einen der größten und tödlichsten Slums Südafrikas während des Apartheid-Regimes geboren. Bereits mit zehn Jahren wird sie Vollwaise. Statistisch ist ihre Lebenserwartung gering. Sie kann zwar nicht lesen, aber sie kann rechnen und sie ist pfiffig.
Derweil werden in Schweden zwei Holger von einem fanatischen Anti-Monarchisten geboren. Von ihrem Vater werden Holger I und Holger II, von denen einer offiziell nicht einmal existiert, als Waffe gegen die Monarchie eingesetzt. Als der Vater von einer als König verkleideten Lenin-Statue erschlagen wird, führt Holger I den Kampf fort, während Holger II sich nur danach sehnt endlich zu existieren.
Dank des Mossads, einer Atombombe sowie chinesischen Kunstbetrügerinnen und einer radikalen und sehr zornigen Anarchistin verweben sich die beiden Handlungsstränge rasch.
„Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist nach „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ Jonassons zweiter Roman. Nach einem überraschenden Weltbestseller ist ein zweiter Roman ein schwieriges, gar heikles Unterfangen, schließlich wird man immer an dem Vorgänger gemessen. Es ist daher verständlich, dass Jonasson sich bei vielem von der Namensgebung bis zum Genre an dem „Hundertjährigen“ orientiert. Dadurch entstand ein ordentlicher Roman, der im (zwangsläufigen) Vergleich mit dem Vorgänger aber keine Chance hat.
Dabei macht „die Analphabetin“ nicht alles falsch. Der Anfang ist sogar richtig gut. Zunächst ist da der Ortswechsel. Der Hundertjährige spielte zwar letztlich auf der ganzen Welt, hauptsächlich aber in Schweden. Nun wird der Leser in das Südafrika des Apartheid-Regimes gezogen. Das ist diesmal nicht nur lustig und faszinierend, sondern an einigen Stellen außerordentlich traurig. Der schwarze Humor, dessen Opfer zuvor meist der „Hundertjährige“ sowie die Mächtigen und Kriminellen dieser Welt traf, verheimlicht diesmal nicht das Leid der Apartheidsopfer. So ist der Beginn überzeugend, lustig und manchmal sogar nachdenklich.
Jonasson hält zudem ein unglaublich hohes Witzniveau durch den gesamten Roman. Fast jeder Satz hat irgendwo eine Pointe, ein Anspielung oder einen direkten Witz. Dies sorgt dafür, dass die Lektüre immer locker und leicht erscheint. Gleichzeitig sind diese ständigen Witze aber auch eine der schwächen des Romans. Es ist einfach zuviel. Außerdem hat das Niveau im Vergleich zum „Hundertjährigen“ deutlich nachgelassen. Hatte dieser die Welt als Spielplatz, so beschränkt sich die Handlung in diesem Roman fast ausschließlich auf Südafrika und Schweden. Natürlich kann man nicht alles steigern. Doch leider ist die gelungene Erzählung des Slums bereits der Höhepunkt des Romans.
Denn die Handlung wird nicht besser. Der Elefant und das Verbrechergeld werden in diesem Roman durch eine Atombombe ersetzt. Das ist häufig absurd, aber nie wirklich gut. Während der „Hundertjährige“ trotz der Verwicklungen der Hauptperson in fast alle Ereignisse des 20. Jahrhunderts außergewöhnlich überzeugend wirkte, weil er gut konstruiert war, kann man das von der „Analphabetin“ nicht behaupten. Dem Handlungsverlauf fehlt die „Natürlichkeit“, die der Vorgänger noch aufweisen konnte. Alles wirkt zu gewollt, zu konstruiert, um wirklich überzeugen zu können.
Der zweite Handlungsstrang ist zudem an Langeweile und Kleingeistigkeit nicht zu übertreffen. Natürlich ist es berechtigt, dass Jonasson auch die schwedische Innenpolitik, in diesem Fall die Monarchie, in einem Roman aufgreift. Die Handlung, die er darum bildet, wirkt jedoch einfallslos, die Möglichkeiten, die der nicht existierende Charakter Holger II bietet, bleiben weitestgehend ungenutzt. Hier wird viel Potential verschenkt und viel Platz mit einer langweiligen Handlungen mit vielen platten Witzen verbraucht.
„Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist an einigen Stellen ein lustiges Buch. An vielen Momenten ist der Roman aber auch eintönig, manchmal wiederholen sich einige Handlungen sogar. An keinem Moment erreicht die Geschichte die Größe, die Intelligenz und das absurd-realistische des Vorgängers. Das hinterlässt noch immer ein ordentliches bis durchschnittliches Lesevergnügen, ein großer Spaß ist es leider nicht.