Zurück auf Los
|Knapp 76% der teilnehmenden SPD-Mitglieder haben für eine Große Koalition gestimmt. Die 24% Nein-Stimmen repräsentieren beinahe die 28% der SPD-Anhänger, die laut dem ZDF-Politikbarometer die Große Koalition für keine gute Regierung halten. Das Mitgliedervotum hat nicht nur das von der Parteiführung gewünschte, manchmal beinahe erpresste Ergebnis erbracht. Viele der Teilnehmer an der Befragung werden seit langem nicht mehr an Parteiveranstaltungen teilgenommen haben. Es ist ein großer Mobilisierungserfolg. Außerdem stand die SPD wochenlang im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit und hat dabei – zum ersten Mal seit langem – gar keinen schlechten Eindruck gemacht. Es wurde viel diskutiert. Vielleicht wurde die inhaltliche Diskussion in der Presse nicht deutlich und sicher schoss der Parteivorsitzende gelegentlich über das Ziel hinaus. Alles in allem macht die Partei aber einen vitalen Eindruck und zeigt, dass sie anders als die Piraten innerparteiliche Diskussionen überstehen und anders als die CDU diese auch nicht fürchten braucht.
Die Euphorie darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Bild sich bisher nicht einmal in leicht erhöhte Umfragewerte übersetzt hat. Selbst im Zusammenspiel mit einem deutlich besseren Bild des zukünftigen Vizekanzlers Sigmar Gabriel in der Öffentlichkeit stagniert die SPD bei 25%. Unter den Ministern findet sich zudem gerade eine sichere Nummer: Frank-Walter Steinmeier. Die anderen beiden bekannten Gesichter mit „wichtigen“ Ministerien sind hingegen unberechenbar. Andrea Nahles ist in der Bevölkerung nicht nur unbeliebt, es ist auch ihre erster Regierungsposten. Sigmar Gabriel hingegen hat mit dem Umweltministerium von 2005 bis 2009 bereits ein Bundesministerium geführt, hier ist das Risiko inwiefern ihm der Spagat zwischen kollegialem Kabinettshandeln und der Positionierung sowie Abgrenzung für den Wahlkampf 2017 gelingt. Heiko Maas und Barbara Hendricks sind weitgehend unbekannt und müssen erst noch Profil gewinnen. Manuela Schwesig ist hingegen bereits bekannt und steht in Mecklenburg-Vorpommern bereits seit langem einem Ministerium vor. Sie hat eher das Problem, die immensen Erwartungen, die die SPD-Spitze seit 2009 für sie aufgebaut hat, auch zu erfüllen. Diese Mannschaft muss ein gemeinsames Profil entwickeln, um nicht wie die FDP-Minister hinter den farblosen aber soliden CDU-Minstern zurückzufallen.
Gleichzeitig müssen auch die sozialdemokratischen Inhalte des Koalitionsvertrages umgesetzt werden. Denn zusätzlich zu einem überzeugenden Personal bedarf es wieder des Vertrauens in den Handlungswillen für sozialdemokratische Inhalte. Während des Mitgliedervotums hat Sigmar Gabriel immer wieder betont, dass von der Entscheidung für die Koalition auch die Chancen 2017 abhängen. Stimme man nicht für die (ach so vielen) sozialdemokratischen Inhalte des Vertrages, wäre man bis 2017 nicht mehr glaubwürdig. Ob und wie die sozialdemokratischen Minister die inhaltliche und die Profilierungsarbeit in den ersten Monaten der Koalition bewältigen, wird mindestens so entscheidend für die Ausgangsstellung 2017 sein, wie die Zustimmung zum Koalitionsvertrag.