Winterfair Gifts (von Lois McMaster Bujold)

Nachdem Miles in dem Kriminalroman „Komarr“ Ekatrin kennenlernte, endet die Romanze „A Civil Campaign“ mit einem Heiratsantrag Ekatrins unter dramatischen Bedingungen. Die Novelle „Winterfair Gifts“ wirft einen Blick auf die Hochzeit, die Miles so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte – da er ständig befürchtet, Ekatrin könnte es sich wieder anders überlegen. Der Leser erlebt die Ereignisse komplett aus den Augen von Miles Leibwächter Roic. Roic ist erst neu in Miles Team und war vorher Polizist in einem der abgelegeneren Teilen Barrayars. Durch herausragende Leistungen wurde er versetzt, fühlt sich aber auf seiner wichtigen Position noch nicht richtig angekommen. Während der Vorbereitungen der Hochzeit ist er dafür zuständig, Miles frühere Freundin Taura zu schützen. Trotz Roics Vorurteilen gegenüber Mutanten, kommen sich Roic Stück für Stück näher und müssen angesichts eines Anschlags auf Ekatrin zusammenarbeiten, um Miles Hochzeit zu retten.

„Winterfair Gifts“ lebt aus der ungewohnten Perspektive. Zum einen ist es merkwürdig, Miles hyperaktives Handeln nicht nur aus seiner oder Ekatrins Perspektive zu erleben, sondern aus der distanzierten Sicht eines Leibwächters. Roic fühlt sich zudem ständig von seinem Chef wegen kleinerer Fehltritte verurteilt und tritt daher sehr verunsichert auf. Jede kleine Wendung Miles wird überinterpretiert – und Miles unstetes Treiben sorgt für viele Interpretationsmöglichkeiten.

Die Existenzberechtigung der Novelle ist jedoch die grandiose Liebesgeschichte zwischen Roic und Taura, die hier auf wenigen Seiten so überzeugend wirkt wie die in zwei Romanen ausgebreitete Anbandlung von Miles und Ekatrin. Roics ist fasziniert von Taura, seine Neugier ist sehr gut dargestellt. Noch überzeugender ist jedoch wie Roics Vorurteile zwischen den beiden stehen, obwohl er sich ihrer bewusst ist und sein Bestes tut, sie zu vermeiden. Doch in unaufmerksamen Momenten brechen sich auf Barrayar völlig natürliche Redewendungen durch, die für Taura sehr verletzend sind. Diese Hürde kann letztlich nur durch die gemeinsame Arbeit zur Rettung der Hochzeit überwunden werden. Bujold verbindet dieses Ringen zum Schluss mit Reflektionen über Tauras vermutlich kurzer Lebensspanne und dem daraus resultierenden auf die Gegenwart ausgerichteten Lebensstil, der sich stark von Roics eher sorgenorienterter Lebensweise unterscheidet.

Das Resultat bleibt zwar eine weitestgehend ruhige und unaufgeregte Liebesgeschichte. Doch wieder einmal zeigt Bujold auf, wie wichtig es ist, erste Eindrücke zu überwinden, eigene Vorurteile zu bekämpfen und sich dabei im Zweifelsfall auf das eigene Gewissen zu verlassen. Für Roic führt dieser Weg in ein verändertes Leben, das er sich vorher nie erträumen könnte.

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