Die Liebe des Malers zum Modell (ARD Radiotatort)

Frederic Cooper fertigt makabre Bilder an, die seine Frau in verrengten Posen als Mordopfer zeigen. Eines Abends wird seine Gatting in genau dieser Pose in dem gemeinsamen Atelier aufgefunden. Für die Ermittler scheint der Fall klar zu sein: Das Ehepaar Cooper hatte ständigen Streit, Frederic bereits eine Affäre mit einer jüngeren Studentin und zudem erbt er durch den Tod seiner Frau Millionen. Doch Kommissar Haas ist alles andere als überzeugt und ermittelt weiter im Umfeld des Mordopfers. Dabei stößt er auf eine Eifersuchtsgeschichte, die Jahrzehnte währte.

Wie alle Fälle mit Kommissar Haas erlebt der Hörer die Ereignisse aus Erzählungen der Sekretärin des Kommissars. In jeder Folge spricht sie mit jemand anderem, dieses Mal ist es eine Sekretärin, die mit der Arbeit des Kommissars gar nicht direkt etwas zu tun hat. Der Ton ist wie immer lakonisch und wechselt zwischen belustigter Herablassung angesichts Haas‘ veralteter Ermittlungsmethoden und Bewunderung für seinen durchdachten Arbeitsstil. Das gibt dem Fall eine angenehme Dynamik und ist sehr unterhaltsam. In dieser Episode sind es jedoch am Ende die beiden Damen, die das letzte Indiz, einen Widerspruch in der Aussage des Täters, finden. Dadurch nehmen sie ungewöhnlich viel Raum im Krimi ein. Das ist nett, nimmt Kommissar Haas aber etwas Raum. Wenn man der Sekretärin gerne eine wichtigere Rolle schreiben möchte, wäre es vielleicht besser, sie auch aktiver an der Fallhandlung teilnehmen zu lassen.

Die eigentliche Stärke des Falls sind jedoch seine kaputten Verdächtigen. Frederic Cooper betrügt seine Frau und hängt doch an ihr. Er weiß, dass es ihr nicht gut geht, hat das Gefühl, für sie da sein zu müssen und macht am Ende doch alles schlimmer dadurch, dass er in einer zerrütteten Beziehung bleibt. Ein Freund und Mäzen des Künstlerpaars rät ihnen die Aggressionen durch das Malen der makabren Mordphantasien abzubauen. Das scheint zu funktionieren, allerdings hauptsächlich weil Coopers Kunst dadurch erstmals weites Lob erfährt. Cooper ist letztlich ein Mann, der nur an sich denkt. Vor sich selbst sieht er sich jedoch als vermeintlich anständigen Menschen, bleibt deswegen mit seiner Frau zusammen und treibt sie in die Alkoholsucht. Für den Mäzen gilt dasselbe: Er liebt das Opfer seit Jahrzehnten, respektierte jedoch immer ihre Liebe zu Cooper. Doch auch er denkt im Alter in erster Linie an sich selbst und kann andere Sichtweisen nicht mehr akzeptieren. Die Zerissenheit, die guten Intentionen und ihre tiefe Verlogenheiten arbeitet der Tatort bei beiden Männern überzeugend heraus. Das ist zwar ruhig, durch die präzisen Beobachtungen aber ausgesprochen spannend und unterhaltsam.

Alles in allem funktioniert das interessante, indirekte Erzählkonzept des hessischen Tatorts auch in seiner nunmehr dritten Folge. Getragen wird er aber durch die Widersprüchlichkeiten und Abgründe der beiden Verdächtigen und die in Rückblenden aufgezeigte Verzweiflung des Opfers, deren Tragik durch die bissig-launischen Kommentare der beiden Sekretärinnen gleichzeitig gebrochen und verstärkt wird.

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