The Blur in the Corner of Your Eye (von Sarah Pinsker)

Zanna ist eine erfolgreiche Autorin. Ihr Geheimrezept: Für jeden ihrer Romane zieht sie sich für einige Tage an einen abgelegenen Ort zurück, um die gesammelten Ideen für ihren nächsten Roman in ein neues Werk zu verwandeln. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Assistentin Shar, einer Schulfreundin, die nun für sie die Reisen organisiert. Während Zanna ihre Romane in kargen Hütten schreibt, weilt Shar in einem Hotel in der nächstgelegenen Stadt. So ist das Arrangement auch dieses Mal. Doch dann fällt der Strom aus und Zanna macht sich auf den Weg durch den Wald zum nächstgelegenen Haus. Dort findet sie den Hausbesitzer erschlagen vor seinem Auto. Sie kontaktiert die Polizei. Bald darauf tritt auch Shar auf. Zannas Assistentin verhält sich merkwrüdig, lenkt an mehreren Stellen von der Wahrheit ab. Nachdem die Situation geklärt ist, konfrontiert Zanna ihre Assistentin mit dieser Beobachtung. Sie lernt, dass sie einen Parasiten in sich trägt, der regelmäßig seine Brut in Eierform anderen Menschen ansetzt. Deswegen organisiert Shar in regelmäßigen Abständen die Reisen in abgelegene Gebiete, vor allem da in beinahe jedem fünften Fall etwas schief geht und sich das Opfer aus Panik wehrt und stirbt. Zanna wird sich wegen ihrer Erschöpfung an all das am nächsten Tag nicht erinnern, aber Shar wird aus dem Fall lernen und ihre Freundin weiterhin beschützen oder in Krisenfällen von Selbstmordgedanken abhalten. Zanna beschließt, Shars Gehalt zu erhöhen.

Die Erzählung folgt einem soliden Horroraufbau. Die Region ist abgelegen, Zannas Hütte kark und weit von anderen Menschen entfernt. Zanna ist hier ganz allein, kann ganz ungestört arbeiten, ist aber auch allem gänzlich ausgeliefert. Der Stromausfall ist daher ein durchaus gruseliger Moment, genau wie der Fund des toten Mannes. Für eine Weile sieht man daher auch Zanna selbst durchaus in Lebensgefahr schweben. Der eigentlich interessante Aspekt der Erzählung ist letztlich jedoch, dass man die Ereignisse nicht etwa aus der Perspektive eines Opfers, sondern aus der Perspektive der Täterin selbst erlebt. Die kann sich freilich an ihre Taten nicht erinnern. Wenn er aktiv ist, überlagert der Parasit alle Wahrnehmungen. Die Spannung, dass man für eine Weile Shar im Verdacht hat, ist gut aufgebaut.

Die Auflösung verdeutlicht dann die Tiefe Freundschaft zwischen Zanna und Shar. Bereits zuvor wundert man sich, warum Shar überhaupt im Dienst der erfolgreichen Autorin steht, wenn sie doch eigentlich so eine gute Freundin ist. Tatsächlich hat es Shar sich zur Lebensaufgabe gemacht, Zanna vor der Gefahr in ihr selbst zu beschützen. Das ist rührig und eine gleichzeitig erleichternde und bedrohliche Auflösung. Denn Shar (und in letzter Konsequenz Zanna) nehmen den Tod anderer in Kauf, um ihre Freundschaft zu retten. Der Parasit wird keineswegs besiegt, er wird lediglich so weit es möglich ist eingehegt. Das ist ein stimmungsvolles Ende. Es wird jedoch nicht dazu genutzt, Shars Enthüllung zu einer ernsthaften Konfrontation Zannas mit ihrer dunklen Seite auszubauen. Das gibt wenig Material zum Nachdenken. Außerdem fehlen Szenen, die die enge Bindung zwischen Zanna und Shar erkären. Die Freundschaft wird in den Interaktionen zwischen den beiden Frauen deutlich, woher sie stammt, bleibt jedoch unklar. „The Blur in the Corner of Your Eye“ ist eine spannende und gradlinige Erzählung über eine Autorin, die immer wieder das Böse in sich entdeckt und entwickelt dabei mysteriöse und kurzweilige Spannung.

Die Erzählung „The Blur in the Corner of Your Eye“ von Sarah Pinsker ist 2019 im Uncanny Magazin erschienen und auf der Homepage des Magazins frei verfügbar. Sie ist außerdem für den Hugo Award 2020 in der Kategorie „Best Novelette“ nominiert. 

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