Blood is Another Word for Hunger (von Rivers Solomon)

Als ihr Besitzer im Amerikanischen Bürgerkrieg fällt, tötet die Sklavin Sully dessen gesamte Familie. Dabei öffnet sie ein Tor in eine Geisterwelt und gebärt für jeden Mord eine Reinkarnation eines Gewaltopfers. Die Gemeinschaft verschafft sich durch Diebeszüge ihre Lebensgrundlage und wächst, da dabei gelegentlich Menschen ums Leben kommen. Letztlich übernehmen sie sogar ein ganzes Dorf. Sully stirbt bei dem Angriff, gebärt jedoch umgehend eine Reinkarnation ihrer Selbst. Sie schafft es, die Gewaltspirale zu durchbrechen und Frieden zu finden.

„Blood is Another Word for Hunger“ beginnt mit einem Überblick einer Familie, die bereits im selben Abschnitt brutal von Sully ermordet wird. Was wie ein Auftakt zu einer euphemistischen Südstaatensage klingt, wird umgehend zu einer Auseinandersetzung über die angestaute Wut der Gräuel der Sklaverei. Sully entdeckt rasch, dass sie ihre Wut kaum unter Kontrolle bringen kann, dass sie vielleicht die erwünschte Freiheit, nicht aber Erlösung nach ihrer Tat findet. Können die Wunden des massiven Unrechts der Sklaverei, der Rechtslosigkeit überhaupt geheilt werden? Sully verliert sich erst einmal in der Lethargie und später in weiteren Gewalttaten.

Durch ihre Tat öffnet Sully ein Tor in eine andere Welt. Für jeden ihrer Morde gebärt sie die (meist jugendliche oder erwachsene) Reinkarnation eines Gewaltopfers. Dadurch schafft sie bald eine Gemeinschaft fröhlicher Wiedergeborener. Doch Sully selbst ist zwar eine Art Mutter für diese Menschen, fühlt sich in ihrer Gegenwart aber eher fremd. Diese traumatisierte Perspektive, aus der es schwer ist, Fröhlichkeit zu finden, ist sehr eindringlich. Wie kann man angesichts all der Gewalt, Unterdrückung und des Leids überhaupt Schönheit erkennen und Lebensfreude finden? Sully muss dafür erst selbst wiedergeboren werden, bevor sie sich in der von ihr geschaffenen Gemeinschaft zuhause und im Frieden fühlt. Dieses Ende ist zwar – aufgrund Sullys Tod – dramatisch, aber auch etwas unbefriedigend. Muss das alte Selbst etwa sterben, um eine gewalttätige und traumatische Vergangenheit hinter sich zu lassen?

Insgesamt ist die Kurzgeschichte ausgesprochen brutal. Dabei passen die Fantasy-Elemente nicht an jeder Stelle. Dass niemand das Verschwinden der Bauernfamilie untersucht, ist unwahrscheinlich. Die Wiedergeburten verschiedener Menschen sind hochspannend, doch werden sie kaum für den Heilungsprozess genutzt. Stattdessen leitet die erste Wiedergeborene, Ziza, Sally dabei an, ihre Lebensfreude wiederzufinden. Interessanter wäre ein gemeinsamer Heilungsprozess gewesen. Die Geshcichte bleibt durch diese hierarchische Auseinandersetzung mit Traumatisierung und Wutz zwar stimmungsvoll, aber an zu vielen Stellen zu offen, um eine klare Aussage entweder zu der damaligen Zeit (z.B. hypothetische Sklavenaufstände) oder dem weiterhin existierenden Rassismus zu formen. Gerade für amerikanische Leser dürfte die größte Stärke der Erzählung sowieso sein, dass die hier dargestellte, brutale und übersinnliche Phantasie vermutlich noch immer näher an der Realität ist als die jahrzehntelang dominierenden Propagandabilder des edlen und ritterlichen amerikanischen Südens.

Die Kurzgeschichte „Blood is Another Word for Hunger“ von Rivers Solomon ist 2019 auf tor.com erschienen. Sie ist auf der Seite des Magazins online verfügbar. Sie ist für den Hugo Award 2020 in der Kategorie „Best Short Story“ nominiert.

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