Kalte Krieger (von Stefan Hensch / Maddrax Band 530)

Ein Vorort Washingtons wird in eine Parallelwelt versetzt. In diesem dominiert die Sowjetunion auch im Jahr 2008 noch die Weltpolitik. Die wirtschaftlich zurückgefallenen USA sind in der Defensive, eine militärische Auseinandersetzung steht kurz bevor. Die Ranch von Kareen Hardy und ihrer Familie sowie dem Titanic-Überlebenden Geety findet sich in dieser Welt wieder. Die Familie wird für russische Spione gehalten und umgehend festgenommen. Erschrocken stellt die Gruppe heraus, dass ein dritter Weltkrieg scheinbar kurz bevor steht. Gelingt es ihnen, den Krieg zu verhindern? Vielleicht gar mit Hilfe der Kommunisten jagenden, ausgesprochen brachialen Matthew Drax dieser Dimension?

„Kalte Krieger“ lebt von einer Vielzahl an Handlungssträngen. Die eigentliche Erzählung besteht aus zwei Hälften. Ian Geety ist mit der Titanic in die Seriendimension gewechselt und sucht nun nach seiner Bestimmung. Dabei wird er von Verbrechern eingespannt, um unbewusst einen Anschlag auf die Ranch von Hardy durchzuführen. Nachdem dieser von einem Archivar vereitelt wird, findet er sich kurz darauf mit den Hardys in der von der Sowjetunion dominierten Paralleldimension wieder. Neben dieser Haupterzählung reisen Matt, Aruula und Rulfan hektisch nach Wahsington, um die Auswirkungen der Dimensionsverschiebung zu untersuchen, der Archivar plant seine Vereitelung des Mordanschlags und wir erfahren einiges über die politische Lage der Parallelwelt aus den Augen einzelner russischer Spione. Stefan Hensch gelingt das Kunststück, die Handlungsfülle in ein temporeiches und spannendes Abenteuer zu verwandeln, bei dem nie der Eindruck aufkommt, er würge einen Handlungsstrang ab. Ausreichend Material für einen Zweiteiler hätte das Heft trotzdem geboten.

Die Atmosphäre der Parallelwelt ist in diesem Heft besonders gut gelungen. Die beiden Supermächte stehen kurz vor einem Krieg. Die einzige patriotische Perspektive der USA erlebt der Leser aus der Sicht Matthew Drax. Die Parallelversion des Serienheldens ist alles andere als ein Sympathieträger. Er hat sich von der Paranoia des Kalten Krieges anstecken lassen und sieht überall russische Verschwörungen. Diesen Verdacht hegt er zwar zurecht, wie sich im Verlauf der Episode zeigt. Gleichzeitig erlebt man die USA aus den Augen russischer Soldaten sowie abgeworbene Agenten der Sowjetunion. Sie sehen ein scheiterndes Land. Und während einige für die Sowjetunion arbeiten, um auf der Seite der Sieger zu stehen, sind andere tatsächlich von den Versprechungen des Kommunismus überzeugt. Es könnte sein, dass die Sowjetunion dieser Dimension mehr individuelle Freiheiten zulässt, der Vision eines realexistierenden Kommunismus vielleicht gar etwas näher gekommen ist. Doch eigentlich scheint es, als habe sich alles genau so entwickelt wie in unserer Welt mit dem kleinen Unterschied, dass die Sowjetunion im wirtschaftlichen Rennen die Nase vorn hat. Und so gibt „Kalte Krieger“ den beklemmenden Eindruck, dass nicht etwa der Erfolg der Demokratie Ursache für den Verlauf der Geschichte war, sondern schlicht die Anziehungskraft und Macht starker wirtschaftlicher Leistungen. Besonders düster wirkt in diesem Zusammenhang, dass sich Westdeutschland in den reicheren Osten eingliedert. Sowohl die daraus entstehende Gewissheit auf der sowjetischen Seite, bald ihr eigenes „Ende der Geschichte“ zu erleben, als auch die Paranoia der Amerikaner sind sehr greifbar beschrieben und entfalten eine spannende Welt.

„Kalte Krieger“ bringt aber auch die Handlung des Zyklus etwas voran. Die Archivare untersuchen, was es mit den Dimensionsverschiebungen auf sich hat. Dabei greifen sie diesmal etwas unauffälliger, ein weiteres Mal in den Verlauf der Geschichte ein. Das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, sorgt aber immerhin für einen kleinen Überraschungsmoment als Geetys Anschlag verhindert wird. Es deutet zudem darauf hin, dass auch die in anderen Dimensionen verschwundenen Charaktere noch eine Rolle spielen werden. Bisher fanden diese entweder ein trauriges Ende in anderen Dimensionen oder schienen zumindest fürs erste aus der Haupthandlung verschwunden. „Kalte Krieger“ deutet erstmals an, dass auch die „verlorenen“ Protagonisten noch eine Rolle spielen könnten. Dadurch erhöht das Heft auch die Spannung für den weiteren Verlauf der Handlung. Mit seiner spannenden Handlung, der atmosphärisch überzeugenden Parallelwelt und den vielen, überzeugend in die Erzählung eingebetteten Nebenszenen unterhält „Kalte Krieger“ sehr gut und erhöht die Spannung auf die kommenden Hefte.

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